Auf dem Weg in die grüne Stadt

Schönheit und Lebensfähigkeit sind Eigenschaften, wie wir sie in der europäischen Stadt erleben, erklärte Prof. Christoph Mäckler zum Auftakt der 12. Konferenz „Schönheit der Stadt“, die am 14. und 15. Juni wieder vor Ort in der Rheinterrasse Düsseldorf stattfinden konnte. „Nicht von ungefähr leben viele Menschen lieber in der gewachsenen Stadt als in unseren Neubauvierteln“, führte Mäckler – gemeinsam mit Prof. Wolfgang Sonne und dem Institut für Stadtbaukunst Ausrichter der „Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt“ – den Gedanken aus. Städte seien dann lebenswert, wenn ihre öffentlichen Räume auch „stadträumliche und grüne Qualitäten für ihre Bewohner“ aufwiesen.

12. Juli 2022von Christof Rose

Diese Qualitäten entstünden aber nicht einfach über eine Begrünung von Dächern und Fassaden, sondern müssten langfristig geplant und angelegt werden. „Vor allem brauchen wir eines: Bäume!“ Wie Prof. Christoph Mäckler erläuterte, kann ein großer Baum bis zu 3,2 Mio. Tonnen Sauerstoff im Jahr produzieren. Ziel der Konferenz sei es, die Umsetzung der grünen Stadt zu diskutieren und Beispiele auszutauschen.

Auch der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing, unterstrich die Bedeutung des Grüns für die Stadtentwicklung. „Die Natur zeigt uns auf immer drastischere Weise die Folgen des Klimawandels auf“, konstatierte Uhing. Starkregen- und Hitzeextreme machten deutlich, dass es dringend erforderlich ist, die bestehenden Strukturen unserer Städte und Gemeinden an diese Herausforderungen anzupassen, die Städte resilienter und zugleich attraktiver machen. „Wir müssen das Grün in den Städten stärken und zugleich Orte der sozialen Begegnung schaffen.“ 

Dreifache Innenentwicklung

Dabei sei Eile geboten, so Ernst Uhing. „Städte können wohl künftig nur noch als schön und lebensfähig bezeichnet werden, wenn sie Maßnahmen zur Resilienz und zur Begrünung konsequent umsetzen.“ Besonders in urbanen Ballungsräumen habe das städtische Grün eine erhebliche Entlastungsfunktion für Starkwetterereignisse und zugleich einen Erholungsfaktor, der immer wichtiger werde. 

Zu der notwendigen Umgestaltung gehöre auch die Verkehrswende. „Die dreifache Innenentwicklung bleibt der richtige Grundsatz“, betonte der Präsident der Architektenkammer NRW. „Und wir alle wissen, dass wir heute über Umbaukultur sprechen, wenn wir über die Zukunft des Bauens sprechen“.

Grüne Liegenschaftspolitik

Wirksam zu werden, gab Cornelia Zuschke als Zielvorgabe vor. Die Planungsdezernentin der Landeshauptstadt Düsseldorf und Vorsitzende des Planungs- und Verkehrsausschusses des Deutschen Städtetages erklärte, dass die Förderung von Grün in den Städten „nicht mehr verhandelbar“ sei – und selbst in der finanzwissenschaftlichen Wertanalyse angekommen sei.
In Düsseldorf versuche man konsequent, den Grünanteil an der Stadt zu steigern. „Wir müssen Raum geben für Grün, beim Planen und in der Liegenschaftspolitik in gleicher Weise wie bei Vergabeprozessen“, forderte Cornelia Zuschke. Düsseldorf habe in seinem Konzept „Raumwerk D“ die Grünplanung fest verankert. „Das ist schon aus praktischen Erwägungen nötig, denn Grün ermöglicht überhaupt die Diskussion über Dichte mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern“, betonte Zuschke. „Die grüne Stadt ist für uns Grundhaltung, Vision und Strategie.“

Zeitfenster: 10 Jahre

Klima und Stadt beschäftigte Dr. Christine Lemaitre von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). „Nach dem aktuellen Bericht des IPCC der Vereinten Nationen haben wir zehn Jahre Zeit, um die Emissionen radikal zu reduzieren, wenn wir an dem 1,5 Grad-Ziel festhalten wollen.“ Je gebautem Quadratmeter werde fast eine halbe Tonne CO2 ausgestoßen – so viel, wie der Betrieb eines durchschnittlichen Bauwerks in 17 Jahren verbraucht. 

Das Verhältnis Neubau – Bestandsnutzung liege bei 1 zu 2,3: Der Aufwand für den Neubau von zehn Gebäuden sei gleich hoch wie die Sanierung von 23 Gebäuden. „Wir müssen heute Zukunft bauen. Wir können heute klimaneutrale Gebäude bauen. Das müssen wir umsetzen“, forderte Dr. Christine Lemaitre. 

Beispiel Zürich

Christine Bräm von „Grün Stadt Zürich“ stellte die Strategie ihrer Stadt vor, „mehr Grünflächen, mehr Klimaanpassung, mehr Artenvielfalt und mehr Nachhaltigkeit“ zu erzielen. Es gehe um Klimaanpassung, nicht um Klimaschutz. Der „Kommunale Richtplan“ der Stadt Zürich sehe aktuell 134 neue öffentliche Grünflächen vor und sei „behördenverbindlich“; die Verwaltung sei dabei, die lange Liste abzuarbeiten. Zu allen Projekten würden Wettbewerbe ausgelobt, „was die Qualität sichert und neue Ansätze möglich macht“, betonte Christine Bräm. Ergänzend gebe es einen „Fachplan Hitzeminderung“ mit 27 Umsetzungsmaßnahmen – von der Beschattung über Dachbegrünungen bis hin zu Wasserflächen. Private Bauherren könne die Stadt allerdings nur in diese Richtung beraten, ihnen aber keine verbindlichen Vorgaben machen.

„Der allerwichtigste grüne Faktor in der Stadt sind Bäume“, postulierte Christine Bräm. Die Fläche der Baumkronen habe in Zürich von 2014 bis 2018 um fünf Prozent abgenommen. „Hier wollen wir systematisch gegensteuern.“ Bei dieser Aufgabe würden auch viele private Investoren mitziehen, denn Bäume seien ein Verkaufsargument. 

„Großer Frankfurter Bogen“

Petra Manahl, Leiterin des Referats „Großer Frankfurter Bogen“ im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, stellte die angespannte Situation in Südhessen vor, einer von Wohnungsmangel und starken Pendlerströmen geprägten Region. In 49 Kommunen gebe es bereits einen erweiterten Mieterschutz. 

Mit der Idee des „Großen Frankfurter Bogens“ sollen Kommunen, die in einem Radius von maximal 30 Minuten Zugfahrtdauer liegen, eine besondere Förderung für die Schaffung von Wohnraum erhalten – zu realisieren im Umkreis von bis zu 1,5 Kilometern um den jeweiligen Bahnhaltepunkt. „Wir greifen damit eine alte Idee der Stadtentwicklung auf, uns nämlich an Schienenwegen zu orientieren“, erklärte Petra Manahl. Insgesamt 55 Städte und Gemeinden seien nunmehr eingeladen, entsprechende Konzepte vorzulegen und Fördermittel zu beantragen. In Zukunftswerkstätten werden die Projekte diskutiert, wobei die Qualität von Grün- und Freiräumen im Wohnumfeld zu den zentralen Aspekten gehöre.

Debatte

Ist die Europäische Stadt und die Grüne Stadt ein Konfliktfeld, fragte Moderator Jörg Jung. Cornelia Zuschke wollte lieber von der „guten Stadt“ sprechen, statt eine theoretische Debatte zu führen.  Auch Petra Manahl warb dafür, lieber offen zu sein für neue Konzepte und mutige Experimente. „Wir bekommen die sozialen und ökologischen Probleme unserer Städte nur in den Griff, wenn wir das städtische Grün entschlossen voranbringen.“

Mit dem Grün-Aspekt wachse der Diskussion über Stadtentwicklung ein wichtiges Themenfeld zu, unterstrich Cornelia Zuschke. Wenn heute Wettbewerbe ausgelobt würden, dann auch immer zum Freiraum. Das sei eine noch junge Entwicklung, die Mut mache. 

Das bekräftigte auch Christine Bräm für die Stadt Zürich: Die Entwicklung erfolge im Bestand, in Nachverdichtungen. Entscheidungen müssten individuell gefällt werden. Überall, wo es geht, würden neue Bäume gepflanzt. Wo das nicht möglich ist, müssten auch Fassaden oder Dachbegrünungen aushelfen. 

Europäische Perspektive

Ruth Reichstein von der EU-Kommission „Neues Europäisches Bauhaus“ (NEB) präsentierte der Düsseldorfer Konferenz den aktuellen Stand des NEB. Es gehe darum, eine inspirierende Idee in ganz Europa zu etablieren, die einen gemeinsamen Geist schaffen könne. Die Community wachse und werde gegenwärtig auch um Unternehmen und Institutionen wie Städte und kommunale Verbünde erweitert.

Grundsätzlich verfolge EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekanntlich das Ziel, den Klimaschutz in der Europäischen Union schnell und in großen Schritten voranzubringen. Die „grüne Stadt“ zahle zweifellos auf dieses gemeinsame Ziel ein.

Wie Ruth Reichstein erläuterte, wurde vor wenigen Monaten das „NEB Lab“ eröffnet, ein Co-Creation-Space, in welchem einzelne Teams sich mit spezifischen Themenfeldern befassen würden. Dabei gehe es beispielsweise um das Durchforsten des Regelwerks, das manchmal Innovation verhindere; aber auch um das strategische Entwickeln und Labelling einzelner Ideen.

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