
Bauen für Morgen: Nachhaltigkeit umsetzen!
„Wir haben in diesem Land kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“, stellte Dr. Thomas Wilk, Regierungspräsident der Bezirksregierung Köln, im Hinblick auf das klimagerechte Bauen zum Auftakt der dritten Konferenz „Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Klimaresilienz“ fest. Bei der gemeinsam von Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und dem Bauindustrieverband NRW am 27. Mai durchgeführten Veranstaltung standen die Themen Digitalisierung, Zirkularität und eine nachhaltige Quartiersentwicklung im Fokus. Neben anschaulichen Praxisbeispielen und motivierenden Impulsen gab es für die rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Van-der-Valk Hotel Düsseldorf ausreichend Raum zur Diskussion und zum Netzwerken.
„Wir brauchen Auftraggeber, die den Mut haben, neue Wege zu gehen“, appellierte der Präsident des Bauindustrieverbandes NRW, Daniel Strücker, zum Auftakt der Veranstaltung. Die öffentliche Hand müsse Nachhaltigkeit und Klimaanpassung aktiv einfordern, um die entscheidenden Weichen für alle nachfolgend am Bau Beteiligten zu stellen.
Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer NRW, betonte die enorme Verantwortung der gesamten Wertschöpfungskette Bau. Er verwies auf das Positionspapier „Bauen für Morgen“ der Architektenkammer NRW, in der 14 konkrete Forderungen und Impulse für nachhaltige und ressourcenschonende Planungen aufgestellt werden. Exemplarisch für diese Forderungen nannte der AKNW-Präsident die Einführung des „Gebäudetyp E“ im Sinne eines einfachen und experimentellen Bauens, die Umsetzung einer „Oldtimer-Regelung“ sowie die Verankerung eines Gebäudepasses und der Ökobilanz als bautechnische Nachweise in der Bauordnung NRW.
Mission Zukunft
Dr. Insa Thiele-Eich, Meteorologin, Klimawissenschaftlerin und angehende Astronautin, entführte mit ihrem Impuls die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in fremde Galaxien. Sie regte zum Nachdenken darüber an, welchen Beitrag wir selbst im Rahmen der Nachhaltigkeit in einem globalen Sinne leisten können. Darüber hinaus thematisierte Thiele-Eich das Bauen von Satelliten, Forschungsstationen und anderer Objekte im All, den damit verbundenen notwendigen Strahlenschutz und Forschungen zu der in der Raumfahrt lebenswichtigen Kreislauffähigkeit.
Den Klimawandel auf der Erde fasste Dr. Thiele-Eich in nur 20 Worten zusammen:
1. Er ist real.
2. Wir sind die Ursache.
3. Er ist gefährlich.
4. Die Fachleute sind sich einig.
5. Wir können noch etwas tun.
Für Insa Thiele-Eich hat jeder Mensch nicht nur einen CO₂-Fußabdruck, sondern auch einen entsprechenden „Handabdruck“, der unseren Wirkungskreis darstellt. Hierzu müssten wir uns darauf besinnen, warum wir etwas tun – denn dafür stünde unser „Herzabdruck“.
Hemmnisse abbauen und Verfahren beschleunigen!
Dr. Thomas Wilk, Regierungspräsident der Bezirksregierung Köln, sprach darüber, wie Hemmnisse für ein klimagerechtes Bauen abgebaut werden können. Die Politik hätte die Probleme erkannt; nun bräuchte es Mitstreiter, die gewillt und motiviert sind, Dinge zu verändern und sich nicht ausbremsen lassen. „Eine flächendeckende und insbesondere medienbruchfreie Digitalisierung ist eine Voraussetzung für eine Staatsmodernisierung“, so Thomas Wilk.
Digitalisierung und Zirkularität
Stadtplaner Sebastian Hermann (ASTOC Architects & Planners) präsentierte im Panel „Digitalisierung und Zirkularität“ Ansätze für eine widerstandsfähige Stadtentwicklung. „Transformation und nachhaltige Quartiersentwicklung bedeutet für uns ein umfangreiches Begleiten von Prozessen und Ausdauer aller Beteiligten“, so Hermann. Das Kölner Büro setzt auf digitale Werkzeuge, um bestehende Strukturen weiterzudenken und neue Stadträume klimagerecht zu gestalten. Zentrales Arbeitsinstrument sei ein digitales Modell, in welches Zertifizierungsprozesse nach Standards der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) integriert werden können.
ASTOC kooperiert mit dem Start-up „Urbanistic“ und der Hochschule Bochum, um digitale Schnittstellen zu entwickeln und die CO2-Bilanz ganzer Quartiere zu analysieren. Die BIM-Methode sei bei ASTOC seit vielen Jahren im Einsatz, werde jedoch häufig aus Kostengründen nicht beauftragt, berichtete Sebastian Hermann. Entscheidend für glaubwürdige Nachhaltigkeit sei der frühe Umgang mit belastbaren Daten – um „Scheinlösungen“ zu vermeiden.
Feuerwache Kaiserswerth
Das Best-Practice-Beispiel „Feuerwache Düsseldorf-Kaiserswerth“ wurde von der Stadt Düsseldorf, dem Architekt*innenteam und dem beteiligten Bauunternehmen aus unterschiedlichen Perspektiven vorgestellt. Als Pilotprojekt vollständig in BIM abgebildet, sollte das Projekt sowohl den Nachhaltigkeitsanforderungen der Baubranche als auch den Vorgaben der Stadt Düsseldorf entsprechen. Dazu gehörten u.a. eine integrale, ökobilanzierte Planung, die Festlegung eines maximalen CO₂-Budgets über den gesamten Lebenszyklus und die Erstellung eines Gebäuderessourcenpasses. Das Team von Melanie Jablonski, Projektleiterin der Feuerwache Kaiserswerth, sowie Lutz Trakies, BIM-Gesamtkoordinator für das Amt für Gebäudemanagement, stellte sich diesen Herausforderungen. Man brauche dazu ein „offenes, mutiges und der Nachhaltigkeit zugewandtes Team sowie den politischen Auftrag, um so arbeiten zu können“, unterstrich Melanie Jablonski. Lutz Trakies ergänzte: „Wir haben gemerkt, wie weit uns digitale Methoden bringen, und werden auch zukünftige Projekte in BIM umsetzen.“
Kreative Lösungen waren von dem Team der Buddenberg Tauchmann Architekten gefragt. So setzten sich Innenarchitektin Belinda Pradella und Architekt Simon Lindenberg mit dem Denkmal- sowie Hochwasser- und Landschaftsschutz auseinander. „Die Krux steckt im Detail, und dafür muss man kreative Lösungen finden, für die es auf dem Baustoffmarkt zum Teil noch keine Lösungen gibt“, erläuterte Belinda Pradella.
Auch das Team von „Buddenberg Tauchmann Architekten“ zeigte sich überzeugt, dass BIM eine ideale Unterstützung in der Planung geboten habe. So habe beispielsweise die Kollisionsprüfung die Arbeit mit weiteren Fachplanern deutlich erleichtert.
Positiv bewerteten die Anwendung der BIM-Methode auch die Vertreter des ausführenden Bauunternehmens DERICHSuKONERTZ Stefan Keulen, Geschäftsführer und Niederlassungsleiter in Krefeld, sowie Heiner Willen, Bauleiter der Feuerwache Kaiserswerth.
Im Rahmen der Umsetzung der Feuerwache Kaiserswerth entstanden – nach Angaben der Referenten - im Vergleich zu einer konventionellen Bauweise Mehrkosten von drei bis fünf Prozent. Im Gegenzug konnten 808,5 Tonnen CO2 eingespart und Erfahrungen für zukünftige Projekte gewonnen werden.
Das „andere“ Ruhrgebiet
Horst Fischer, Geschäftsführer der IGA Metropole Ruhr 2027, stellte in seinem Impuls im zweiten Panel zum Thema „Kommunale Wärmeplanung und Quartiersentwicklung“ die Internationale Gartenausstellung (IGA) vor, die 2027 unter der Leitfrage „Wie wollen wir morgen Leben?“ im gesamten Ruhrgebiet stattfinden wird. Besonderheit der IGA 2027 sei, dass diese erstmals als dezentrale Gartenausstellung an mehreren Standorten stattfinden werde und somit einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung des Ruhrgebiets leisten könne.
Im Zuge der IGA 2027 wurden vier nationale freiraumplanerische Wettbewerbe ausgelobt. Die Projekte, die in diesem Kontext entwickelt wurden, sollen „ein anderes Ruhrgebiet“ an den Standorten Duisburg, Gelsenkirchen, Dortmund, Lünen und Emscherland präsentieren. Ziel sei es, „die Struktur des Ruhrgebiets weiter nach vorne zu bringen“, so Fischer.
„Fördern, was NRW bewegt“
Über die Möglichkeiten der Wohnraumförderung durch die NRW.Bank informierte Ralph Ishorst, Direktor Kundenbetreuung Öffentliche Kunden NRW.Bank. „Fördern was NRW bewegt“ lautet das Motto der NRW.Bank, die dem Land Nordrhein-Westfalen gehört und mit einer Bilanzsumme von 161,8 Mrd. € die größte Landesförderbank Deutschlands ist. Die NRW.Bank agiere wettbewerbsneutral als Partner mit Banken und Sparkassen, erläuterte Ishorst. Am Beispiel des Förderangebots „Zukunftsfähige und nachhaltige Abwasserbeseitigung NRW“ (ZunA NRW) wurden die Fördermöglichkeiten für Kommunen durch die NRW.Bank erläutert.
Ein besonderes Angebot sei die kostenfreie Förderrecherche durch die NRW.Bank. Hier gäbe es eine Übersicht über sämtliche Fördermöglichkeiten, selbst wenn diese nicht durch die NRW.Bank erfolgen sollten (z.B. BAFA oder KfW). Es wurde zudem ein kostenloses Tool entwickelt, welches eine Wirtschaftlichkeitsbilanz für Gebäude erstellen kann und Aussagen darüber macht, ob ein Neubau oder der Umgang mit dem Bestand ökonomischer ist. Auch Faktoren wie der Erhalt von grauer Energie werden hierbei berücksichtigt.
Kaltes Nahwärmenetz
Gemeinsam mit Jörg Wieck, dem Geschäftsführer Projektentwicklung der Amand Unternehmensgruppe, stellte Erik Hufer, Key Accountmanager der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft RheinEnergie, ein Bauprojekt vor, bei dem es um die Entwicklung eines „kalten Nahwärmenetzes“ für ein städtebauliches Quartier in Köln-Rondorf ging. Auf einer Fläche von rund 70 Hektar entstehen dort rund 1300 Wohneinheiten.
In der Nähe des beplanten Gebietes liegt das Wasserwerk Hochkirchen, welches über eine Brunnengalerie verfügt, die reaktiviert wurde. Das Nahwärmenetz funktioniert im Kreislauf: Das Wasser, welches dem Wasserwerk über einen Saugbrunnen entzogen wird, verfügt über eine Temperatur von 12 Grad Celsius. Das reiche für den Betrieb einer Wärmepumpe aus, die in jedem Gebäude installiert werden müsse. Für die Wärmeversorgung der einzelnen Wohneinheiten wird dem Wasser 4 Kelvin entzogen. Anschließend wird das auf 8 Grad Celsius temperierte Wasser wieder in einen Versickerungsbrunnen geleitet, und der Prozess kann von neuem beginnen.
KI und Nachhaltigkeit
„Supergreen“, so nennt sich der holistische Ansatz des Teams von christoph ingenhoven architects zum nachhaltigen Planen und Bauen. Executive Director und Prokurist Moritz Krogmann übernahm im letzten Jahr die Leitung des Teams mit dem Vorsatz, über bereits gesetzte Ziele in Punkto Nachhaltigkeit hinauszugehen – und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz voranzutreiben. „KI soll den Mitarbeitern helfen, ihre Arbeit noch besser zu machen“, so Krogmann. Beispielhaft stellte Moritz Krogmann anhand des Projektes „Lanserhof Sylt“ vor, wie der Verschnitt eines komplexen, aus 2000 Holzteilen bestehenden Daches mittels KI auf nahezu null reduziert werden konnte. Das sich an das natürliche Gelände der Düne anpassende Dach gilt als das größte Reetdach Europas. Gleichzeitig warnte Krogmann aber vor der „kopflosen“ Planung mit Künstlicher Intelligenz: „KI kann unendlich viele Möglichkeiten aufzeigen, aber Vieles ist noch unbrauchbar.“ Er motivierte zum Ausprobieren verschiedener Programme, die zwar in ihrer Genauigkeit noch Optimierungspotential besitzen, dennoch aber vor allem in der Kommunikation unterstützen könnten. „Die Künstliche Intelligenz“, so Krogmann, „wird von Nvidia-Chef Jen-Hsun Huang als das größte Infrastrukturprojekt der Welt betitelt.“
„Es ist wichtig, Projektziele zu definieren!“
Karsten Mohr, Bereichsleiter der BAUWENS Construction, stellte gemeinsam mit Projektleiter Torben Wirtz das Holzhybrid-Bürogebäude „Friedrich und Karl“ in Köln vor. Der Bürokomplex basiert auf einem Wettbewerbsverfahren und geht derzeit in die Realisierungsphase. Aufgrund der Holzhybridkonstruktion war eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung erforderlich. Für die nachhaltige Mobilität der neuen 2.400 Arbeitsplätze wurde ein Mobility-Hub mit 1.000 Fahrradabstellplätzen geplant. Neben einer Begrünung des Areals und entsiegelten Flächen punkte das Projekt mit weiteren Nachhaltigkeitsaspekten wie beispielsweise einer Geothermie-Wärmepumpe, der Verwendung von 30 % Recyclingbeton oder der Planung in BIM. Für Bauingenieur Torben Wirtz war die zentrale Herausforderung, „das zu wahren, was man sich vorgenommen hat“. In den frühen Leistungsphasen stecke das größte Potenzial.
Die beste Fläche ist die, die nicht gebaut wird
Elke Kolfen, Niederlassungsleiterin für den Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen am Standort Düsseldorf, erläuterte das Ziel des BLB, bis 2030 klimaneutral zu werden. Neben Bauprojekten ist der BLB ebenso für Eigentümer- und Betreiberaufgaben zuständig. 3.000 Mitarbeiter*innen zählt der BLB, davon 300 in der Niederlassung Düsseldorf, mit über 100 Liegenschaften im Großraum der Landeshauptstadt. Der BLB lasse seinen kompletten Gebäudebestand in „Madaster“ abbilden, was dazu diene, perspektivisch Ressourcen auch innerhalb des BLB für andere Vorhaben wiederverwenden zu können. So konnten allein im Gebäude der Haroldstraße 5 insgesamt 105 Tonnen Glas zur Wiederverwertung „gerettet“ werden. „Wenn Sie Qualität in den Materialien haben, bekommen Sie diese auch weiter verwertet“, unterstrich Elke Kolfen. Die nachhaltigste Fläche sei zweifellos die, die nicht gebaut würde. Der BLB kommuniziere daher intensiv mit den späteren Nutzern zur tatsächlichen Bedarfsermittlung.
Fortsetzung der interdisziplinären Gespräche
Der Abschlusstalk machte noch einmal deutlich: Aus einer richtungs- und zielorientierten Planung von Anfang an und mit kreativen Lösungen kann qualitativ hochwertige und nachhaltige Architektur entstehen. Ein stetiger Austausch innerhalb der Wertschöpfungskette Bau mit dem Ziel, einander zu helfen und voneinander lernen zu können, ist hier ein entscheidender Faktor. Dies soll durch die Fortführung der gemeinsamen Facmathveranstaltung im kommenden Jahr sichergestellt werden.
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