Die Referenten der Baukunst-Lecture mit dem Fachbereich Baukunst an der Kunstakademie Düsseldorf (v.l.): Alexander Horbach (Assistenz Baukunst), Artem Kitaev (Kosmos Architects), Prof. Thomas Kröger, Oliviero Vitali (Studio Vitali), Prof.in Inge Vinck, Prof.in Donatella Fioretti und Rocco Vitali (Studio Vitali). – Foto: Lea Pawelzik/Architektenkammer NRW

Baukunst-Lecture: Zwischen Kunst und Architektur

Wie sich Kunst und Architektur miteinander verweben lassen, und wie man mit vorhandenen Materialien und experimentellen Ansätzen Neues schaffen kann – das stellten in der jüngsten Baukunst-Lecture an der Kunstakademie Düsseldorf eindrucksvoll die beiden Büros „Kosmos Architects“ und „Studio Vitali“ am Beispiel aktueller Projekte vor. Zu der Veranstaltung, die als Reihe von der Kunstakademie Düsseldorf in Kooperation mit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen konzipiert und durchgeführt wird, kamen am 3. Juni rund 100 Interessierte. Sie erlebten einen inspirierenden Abend, der zeigte, wie Architektur und Kunst interagieren können.

13. Juni 2024von Lea Pawelzik

Nach einer Einführung durch Prof.in Inge Vinck machten die Brüder Rocco und Oliviero Vitali mit ihrem noch jungen „Studio Vitali“ den Auftakt der Lecture. 2019 in Mailand gegründet, konnte das Büro bereits Erfahrungen in zahlreichen privaten sowie öffentlichen Projekten sammeln, die von Architekturausstellungen über Interior Design bis hin zur Szenografie reichten.

Pavillon aus Getränkedosen…

Für das Nameless Festival am Comer See konzipierten sie unter dem Titel „Nameless Trashless“ einen Pavillon, der aus den benutzten Getränkedosen des Festivals errichtet wurde. Rund 10.000 Dosen wurden reihenweise an einem Drahtgerüst befestigt, sodass ein zeltartiges Gebilde entstand, das von den Festivalbesucherinnen und -besuchern als Ort zum Tanzen, Treffen und Ausruhen genutzt wurde. Die Installation regte zur Interaktion und Beschäftigung mit dem eigenen Konsum und dessen Konsequenzen an.

Wie man einen kleinen Raum geschickt aufteilt, zeigten die Brüder in dem Projekt „Shokin-tei“, bei dem sie eine 40 Quadratmeter große Ein-Zimmer-Wohnung mithilfe von Papierschiebetüren, Spiegeln und leuchtenden Farbakzenten in mehrere Räumen neu gliederten.

Stärker künstlerisch ausgerichtete Projekte, die Rocco und Oliviero Vitali vorstellten, umfassten unter anderem einen zur Corona-Zeit entstandenen Adventskalender in Form eines Rocks aus medizinischen Masken und das Projekt „Vertigine“, das den Eingang zur Kellerei Bellavista markiert und eine riesige Schaukel über einem Wassertank darstellt.

…und Räume aus Weinkörben

Artem Kitaev, der zusammen mit Leonid Slonimskiy das Büro „Kosmos Architects“ mit Sitz in Zürich und Graz gegründet hat, stellte seinen Vortrag unter das Motto „Reinterpretation of the Available“. Anhand von Beispielen seines Büros demonstrierte er, wie man mit verschiedensten Materialien, vorgefundenen Gegenständen und geringem Aufwand bauen kann. So nutzte das Büro für das Projekt „Off-Season-Pavillon“ im spanischen Logroño sogenannte „jaulones de vino“ für den Bau eines Pavillons - Käfige, in denen Weinflaschen gelagert werden, die jedoch nur in einer Jahreshälfte genutzt werden und die restliche Zeit des Jahres leer stehen. Für das „Concentrico Festival“ nutzten Kosmos Architects die leerstehenden Käfige, um daraus – neben der Kirche von Santiago el Real – eine Struktur zu errichten, die sowohl an eine Basilika als auch an eine landwirtschaftlich genutzte Halle erinnerte. Nach dem Ende des Festivals wurden die „jaulones de vino“ wieder abgebaut und ihrer ursprünglichen Nutzung zugeführt.

Baumaterial neu denken!

Für das „Model: Barcelona Architecture Festival“ 2023 errichteten Kosmos Architects einen Pavillon, der ebenfalls aus bereits vorhandenen Materialien geschaffen wurde. Die Architekten trugen aus dem Stadtareal ungenutzte Materialien und Objekte zusammen, die sie auf Baustellen, Abrissarealen oder in Lagerhallen fanden. Betonschalen und Blöcke, Wassertanks und sogar eine historische Statue wurden im Anschluss miteinander verbunden und von einem transparenten Stoff überspannt. Auf diese Weise bildete sich eine Pavillon-Konstruktion, die an eine Assemblage erinnerte. Kein Material wurde dabei beschädigt – selbst der Stoff wurde nur lose gespannt. Somit konnten alle Gegenstände nach Ende des Festivals wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückkehren. Gleichzeitig entstanden keine Kosten für Baumaterialien. „Wir wollen mit solchen Projekten dazu anregen, den Begriff ‚Baumaterial‘ neu zu denken; und wir wollen einen Beitrag zum kreislauffähigen Bauen leisten“, erklärte Artem Kitaev.

Prof.in Inge Vinck hob im Anschluss an die Vorträge hervor, dass beide Büros eine gute und genaue Beobachtungsgabe verbinde. „Dadurch finden sie in ihren Projekten überzeugende Lösungen für spezifische Probleme.“

Im abschließenden Gespräch mit dem Publikum rieten Rocco und Oliviero Vitali dem interessierten Berufsnachwuchs vor allem eins: Habt Spaß an Eurer Arbeit! Und seid mit Leidenschaft dabei! Artem Kitaev ergänzte, man müsse die Erfahrungen genießen, aber gleichzeitig auch sehr streng und ehrlich mit sich selbst sein. 

Die nächste Baukunst-Lecture findet voraussichtlich im November 2024 statt.

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