Bürgerbeteiligung in Zeiten von Corona: Partizipation online?

Partizipation online? Kontaktverbot, Verbot von Ansammlungen von mehr als zehn Personen, Verbote größerer Veranstaltungen – die Corona-Pandemie hat deutschlandweit die Partizipation in Planungsverfahren vor große Herausforderungen gestellt. Gewohnte Formate, wie Bürger-Info-Veranstaltungen oder Bürgeranhörungen konnten nicht stattfinden. Zugleich galt es, Zeitpläne einzuhalten, die terminlich nicht selten auf die nahenden Kommunalwahlen im Herbst ausgerichtet waren. – Was tun?

16. Juni 2020von Melanie Brans

Planungsbüros in ganz NRW haben während der Corona-Pandemie Beteiligungsformate, wo es ging, ins Internet verlegt - mit unterschiedlichen Erfahrungen. „Die Online-Beteiligung von Bürgern an Pla-nungsprozessen hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen“, berichtet Christina Drenker vom Büro „Innovative Stadt- und Raumplanung“ (ISR) in Haan und Düsseldorf. Das Unternehmen unter-stützt Projekte durch professionelle Moderation und gestaltet partizipative Mitbestimmung in Planungsverfahren. „Wir haben schon ‚vor Corona‘ zahlreiche Online-Beteiligungen durchgeführt“, so Drenker. „Doch nicht so intensiv wie jetzt.“ In manchen Fällen sei das jetzt die einzige Möglichkeit gewesen, überhaupt zu Ergebnissen zu kommen.

Auch das Büro „scheuvens + wachten plus planungsgesellschaft mbh“, das in Dortmund mit Schwerpunkt Stadt- und Regionalplanung, Städtebau sowie Wettbewerbs- und Vergabemanagement tätig ist, traf die Corona-Pandemie nicht unvorbereitet. In Moderationsprozessen haben bei „scheuvens + wachten plus“ elektronische Beteiligungstools längst einen festen Platz. Mit Blick auf die vergangenen Wochen sagen Stadtplanerin Daniela Fink und der geschäftsführende Gesellschafter, Stadtplaner Martin Ritscherle: „Es hat insgesamt gut geklappt. Wir haben aber auch Grenzen erfahren.“

In der „klassischen“ Bürgerbeteiligung spielt die direkte Begegnung eine große Rolle. Ausgangspunkt ist zumeist ein stadträumlicher Veränderungsprozess. Akzeptanz für einen solchen soll erlangt werden, indem sachlich und transparent informiert und diskutiert wird. Meist gibt es dazu eine Bürger-Info-Veranstaltungen, z. B. mit einem Impuls-Vortrag. In Kleingruppenarbeit können dann einzelne Aspekte vertieft werden. Betroffene und Interessierte bringen ihre Punkte vor. Die Planerinnen und Planer moderieren und dokumentieren die Ergebnisse für den Einsatz im weiteren Verfahren.

Seit einigen Jahren wird diese Form der direkten Interaktion von Online-Mitwirkungsmöglichkeiten flankiert: Über Tools aus dem Bereich e-Partizipation werden Projekte im Internet dargestellt, z. B. mit Video-Vorträgen und mit Erläuterungen zu Planungsunterlagen. Interessierte können Rückfragen stellen und Anregungen einreichen. Das Prinzip: Jeder kann mitlesen und liken.

„Die Nutzung dieser Tools ist bei uns aktuell zentral“, sagt Christina Drenker von ISR. Vor allem Kommunen haben während der Pandemie auf diese Möglichkeit der Partizipation gesetzt. Die Planer in Haan haben so z. B. einen Bürgerdialog zur IGA 2027 in Duisburg begleitet. Drenker beschreibt, worauf es ankommt: „Die Beteiligungskanäle müssen zuverlässig moderiert, Fragen direkt beantwortet oder– etwa im Fall kommunaler Beteiligung – an Fachämter übermittelt werden.“

Ähnliche Erfahrungen hat man auch bei „scheuvens + wachten plus“ gemacht. Eine Online-Beteiligung zur Umgestaltung des Marktplatzes mit Umgebung in Schwerte ist erfolgreich verlaufen. Und doch benennt Daniela Fink Unterschiede: „Ein Nachteil ist, dass sich User für eine Beteiligung in der Regel registrieren müssen. Eine Schwelle, die viele nicht übertreten möchten.“ Zudem bleibt das Gefühl, durch die Technik einen nennenswerten Teil der Bevölkerung auszuschließen.

Bei „scheuvens + wachten plus“ sieht man daher vor allem für die Erstansprache zu Verfahren „analoge“ Info-Wege als unverzichtbar an. Martin Ritscherle: „Der klassische Info-Flyer mit Rückantwort-Karte, der per Post ins Haus flattert und beim Frühstück Anlass zur Diskussion gibt.“ Um niedrigschwellig zu arbeiten, wurden in Pandemiezeiten auch Telefonsprechstunden angeboten. Auch bei ISR hat man sich Gedanken über den Bevölkerungsanteil gemacht, der digital nicht erreicht werden kann. Christina Drenker: „Es gibt Ideen, an Stellen im Stadtraum, an denen Veränderungsprozesse anstehen, ,Briefkästen‘ aufzuhängen, in die direkt die Anregungen eingeworfen werden können. Warum nicht?“

Und das Fazit? Ist die Krise nun eine Chance für die Digitalisierung in der Partizipation? Die Befragten sehen das gemischt. Bürgeranhörungen komplett ins Netz zu verlegen und als Online-Konferenzen abzuhalten – ISR hat solche Anfragen bereits erhalten. „Wir möchten uns solchen Ideen auch nicht verschließen“, sagt Christina Drenker. Doch sieht sie – ebenso wie ihre Kollegen – Grenzen. „Eine ist die Frage, inwiefern das dann noch ein Dialog ist. Einen Workshop-Charakter bekommt man so jedenfalls nur schwer“, so Daniela Fink. Und letztlich, so sagt auch Martin Ritscherle, könne die Technik das persönliche Zusammentreffen nicht ersetzen. Mit Corona werde die Online-Beteiligung an Bedeutung gewinnen. „Partizipation aber ist Demokratie. Und Demokratie lebt vom unmittelbaren Dialog.“  

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