Vorstand: Bürokratieabbau vs. Rechtssicherheit?

Mehr Planungsfreiheit bedeutet mehr Spielraum für Innovation - aber auch mehr Verantwortung und Haftungsrisiko. Um bürokratische Regeln abbauen zu können, ohne zugleich die Rechtssicherheit für die Planungspartner zu gefährden, müssen Regeln im Zivilrecht angepasst werden. „Es geht hier nicht um ein Entweder – Oder, sondern darum, wirklich Überflüssiges wegzustreichen, die Eigenverantwortung von Fachleuten zu stärken, ohne verlässliche Rechtsprinzipien zu gefährden“, erklärte AKNW-Präsident Ernst Uhing in der Sitzung des Vorstands der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am 1. Juli in Düsseldorf.

08. Juli 2025von Christof Rose

Hintergrund der Diskussion des AKNW-Vorstands waren die bundesweiten Diskussionen um die Einführung des „Gebäudetyp-E“ für Neubauprojekte sowie die ebenfalls seitens der Architektenkammern geforderte „Oldtimer-Regelung“ für die Weiterentwicklung des Gebäudebestands. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Umbau- und Sanierungsmaßnahmen nicht länger dazu führen, dass ein bestehendes Gebäude vollständig heutigen Vorgaben und Standards genügen muss, sondern vielmehr die Erfüllung der Grundanforderungen an Gebäude, insbesondere in Bezug auf Standsicherheit und Brandschutz, als ausreichend angesehen wird.

„Bau-Turbo“ mit Augenmaß!

Kritisch diskutierte der AKNW-Vorstand die geplanten Maßnahmen der Regierungskoalition auf Bundesebene, die sich vorgenommen hat, mit einem „Bau-Turbo“ den Wohnungsbau durch eine Vereinfachung von Genehmigungsverfahren schneller zu machen. Als besonders unbefriedigend aus Perspektive der Stadtplanung bewertete Prof. Rolf-Egon Westerheide in der Vorstandssitzung die Möglichkeit, Bauland ohne B-Plan und entsprechende Verfahren freizugeben. „Damit wird dem Einfamilienhausbau auf der grünen Wiese Tür und Tor geöffnet“, fasste Westerheide zusammen. Auch Maßnahmen urbaner Nachverdichtungen, welche die Architektenkammer NRW grundsätzlich befürwortet, dürften künftig mit deutlich weniger qualitativen Prüfungen genehmigt werden.

Task Force EPBD

Eine Arbeitsgruppe der Bundesarchitektenkammer („Task Force EPBD“) hat ein Empfehlungspapier zur nationalen Umsetzung der novellierten EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) erarbeitet. Ziel ist ein rechtsverbindlicher, praxistauglicher Rahmen für zentrale Anforderungen wie Lebenszyklusbetrachtung, Bestandssanierung und Hitzeschutz. Der AKNW-Vorstand begrüßte, dass die Gremien der Bundesarchitektenkammer das Papier Ende Juni nach intensiver Diskussion verabschiedet hatten. - Diese fünf Leitideen sind darin erfasst: klimagerechte Transformation des Gebäudebestands; klimaneutrale Neubauten mit praxisnahen Standards und Steuerungsansätzen, Quartiersansätzen und städtebaulicher Integration; sommerlicher Wärmeschutz und klimaangepasstes Bauen; Hitzeschutz als integrale Planungs- und Gestaltungsaufgabe; sowie eine nationale Gebäudedatenbank.

„Es wird gegenwärtig an einer Kurzfassung des Papiers mit zentralen Zielen gearbeitet“, kündigte Vorstandsmitglied Manfred Krick an, der die AKNW in der Bundesarbeitsgruppe vertritt. Wichtig sei, dass die Umsetzung der EPBD auf Landesebene durch die jeweiligen Landesregierungen erfolgen werde und praxisorientiert umgesetzt werden müsse.

Qualitätssicherung auch im Unterschwellenbereich

Der nordrhein-westfälische Landtag befasst sich gegenwärtig mit dem „Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher und weiterer Vorschriften im Land NRW“. Der Gesetzentwurf sieht u.a. die Streichung der Rechtsgrundlage für die bisherigen Kommunalen Vergabegrundsätze vor. Diese enthalten jedoch Regelungen speziell für die Vergabe von Planungsleistungen im Unterschwellenbereich. „Planungsleistungen sind zumeist nicht abschließend beschreibbar. Ihre Vergabe darf schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht allein über den Preis erfolgen, weil dies zwingend auf Kosten der Qualität gehen würde“, warnt der Vorstand der AKNW. „Wer billig plant, baut teuer.“

Gemeinsam mit der Ingenieurkammer-Bau fordert die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen daher, dass auch künftig für die Vergabe von Planungsleistungen im Unterschwellenbereich entsprechende Sonderregelungen vorgesehen werden müssen.

Luxembourg Declaration on Public Procurement

Auch auf internationaler Ebene kämpfen die rund 1,5 Millionen europäischen Architektinnen und Architekten gegenwärtig darum, die Vergaberegeln im Unterschwellenbereich weiterhin mit Qualitätsanforderungen zu verbinden.

AKNW-Geschäftsführerin Dr. Sarah Versteyl berichtete dem Vorstand von der ACE-Generalversammlung, die am 15.05.25 gemeinsam mit anderen Planer*innenverbänden die „Luxembourg Declaration on Public Procurement“ verabschiedet hatte. Darin wird nicht nur eine gekoppelte Vergabe nach Preis und Qualität gefordert, sondern auch eine stärkere Beteiligung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Vergabeverfahren. „Auch in Europa läuft unsere Interessensvertretung mit Schwung“, resümierte Sarah Versteyl.

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