Das Kino als kultureller und sozialer Ort
Am 14. November wurde in Köln der 27. Kinoprogrammpreis NRW verliehen. Einer der drei Hauptpreise ging an das "Cinema & Kurbelkiste" in Münster, welches seit 2013 einer der vier Spielorte der "Architektur und Film"-Reihen der Architektenkammer NRW ist. Jens Schneiderheinze, Geschäftsführer des Programmkinos, freut sich über die mit 16.000 Euro dotierte Auszeichnung.
Herr Schneiderheinze, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Kinoprogrammpreis NRW und zum bundesdeutschen Spitzenpreis, mit dem Sie bereits im vergangenen Oktober ausgezeichnet wurden. Welche Bedeutung haben solche Auszeichnungen für die Programmkino-Betreiber?
Herzlichen Dank! Wir haben uns natürlich sehr gefreut, auch beim diesjährigen Kinoprogrammpreis erfolgreich gewesen zu sein. Seit wir vor 15 Jahren das erste Mal den BKM-Spitzenpreis bekamen, haben wir es als eines der wenigen Kinos deutschlandweit geschafft, uns jedes Jahr landes- und bundesweit in den Top 3 zu platzieren – das zeigt, dass unser Engagement auch von einem Fachpublikum honoriert wird. Qualität und qualitätvolle Arbeit werden anerkannt, das freut uns natürlich besonders. Nicht zuletzt ist es schön zu sehen, dass solche Preise auch eine große kommunale Bedeutung haben und unsere Arbeit so präsent bleibt.
Sie zeigen im "Cinema" ein sehr vielfältiges Programm, u. a. gibt es Themenreihen zu schwul-lesbischen Filmen, einen "Kurzfilmsalon" und Filmreihen für Senioren. Mit den "Leinwandbegegnungen" thematisieren Sie Flüchtlings- und Migrationsbewegung, bei "Psycho, Film und Analyse" gibt es nach dem Filmgenuss einen Vortrag aus psychotherapeutischer Sicht. Auf welche dieser Reihen sind Sie besonders stolz?
Mein aktuelles Herzensprojekt sind ganz klar die "Leinwandbegegnungen". Diese Reihe ist aus der Serie "Münster – globale Stadt" hervorgegangen, die wir von 2003 bis 2007 organisiert haben. Im Mittelpunkt jedes Abends standen Bürgerinnen und Bürger aus Münster und ihre Herkunftsländer, die filmisch porträtiert wurden.
Im Zuge der Zuwanderungsbewegungen in den vergangenen Jahren stellte sich auch für uns wieder die Frage, wie unsere Gesellschaft mit Geflüchteten und Zugezogenen umgehen kann. Unsere Antwort, auch auf cineastischer Ebene, ist Integration durch einen intensiven Austausch und Begegnungsmomente. Aus diesen Überlegungen entstand das Konzept der "Leinwandbegegnungen": Wir bringen hiesige Bürgerinnen und Bürger zusammen, man diskutiert über kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten, was diese Menschen beschäftigt. An regelmäßig über 100 Besuchern können wir ablesen, dass in der Bevölkerung ein hohes Interesse da ist, sich mit den neuen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu beschäftigen, sich gegenseitig zu verstehen und kennen zu lernen.
Durch solche Filmreihen, bei denen die Menschen sich begegnen und miteinander in einen Dialog treten, wollen wir eine aktive Partizipation fördern – sowohl bei den neuen als auch den alteingesessenen Münsteranern. Wir glauben, dass das Kino nicht nur als kultureller, sondern vor allem auch als sozialer Ort eine große gesamtgesellschaftliche Bedeutung hat – und die wollen wir stärken.
Sie wollen mit Ihrem Filmprogramm auch Filme zeigen, die es im "Massenmarkt" mitunter schwer haben und von großen Häusern gar nicht gezeigt werden. Warum ist es wichtig, sich auch mit "abseitigen" Filmen auseinander zu setzen?
Zum einen entdeckt man natürlich einfach viele tolle neue Filme! Ein anderer Punkt ist aber noch viel wichtiger, und der führt mich wieder zurück zum Kino als "sozialer Ort": Jedes Land hat eigene cineastische Erzählweisen, die Rückschlüsse auf die Kultur, Geschichte und Traditionen des jeweiligen Landes zulassen. Ich glaube, in unserer globalisierten Welt kann uns das Kino so eine große Bereicherung bescheren: Wir sollten genau diese kulturellen Unterschiede entdecken und uns auf sie einlassen! Dies fördert Empathie und kulturelle Offenheit, öffnet den Horizont und bringt uns neue Perspektiven. Je größer die Vielfalt, die wir im Kino zeigen, um so diversifizierter wird unser Blickwinkel.
Seit fast fünf Jahren laufen die "Architektur und Film"-Reihen der Architektenkammer auch in Münster. Warum sollten wir uns auch auf cineastischer Ebene mit Architektur beschäftigen? Was ist Ihrer Meinung nach der Reiz der Verbindung von Architektur – die von Natur aus ja eher statisch ist – mit dem Medium Film, das vor allem von bewegten Bildern lebt?
Nur durch die Beweglichkeit des Films können wir einen neuen Blick auf Architektur und Städtebau werfen. Der Film hat die Möglichkeit, immer neue Akzente zu setzen oder bestimmte Details hervorzuheben – Dinge, die uns im "großen Ganzen" vielleicht gar nicht auffallen würden. Damit kann das Kino ein ganz neues Bewusstsein für Architektur und Städtebau schaffen und die Vielfalt unserer gebauten Umwelt verdeutlichen.
Architektur und Städtebau geben unserem Leben und unserer Gesellschaft ganz grundsätzlich einen gewissen "Rahmen", in dem wir agieren – und bestimmen somit auch unser Miteinander. In dieser Hinsicht haben Architektur und Städtebau eine ebenso wichtige soziale Dimension wie das Kino selbst, und darum ist die Symbiose von beiden auch so ungemein spannend!
Dies hat mich beispielsweise auch bei der letzten Reihe von "Architektur und Film" fasziniert: Bei "#AUF DIE PLÄTZE!" ging es um öffentliche Räume und wie sie die Gesellschaft – positiv oder negativ – beeinflussen können. Meiner Meinung nach sind Plätze und Räume in der Stadt, die wir alle nutzen, eine große Aufgabe und Herausforderung für den aktuellen Städtebau – umso wichtiger war es, dies im Rahmen einer Filmreihe zu thematisieren und so den Dialog zu fördern.
Wenn Sie es sich wünschen könnten: Mit welchem Themenfeld würde sich die nächste "Architektur und Film"-Reihe beschäftigen?
Ich glaube, die größte gesamtgesellschaftliche Herausforderung, mit der wir momentan konfrontiert sind, ist die Frage der sozialen Gerechtigkeit – die Schere zwischen Arm und Reich darf sich nicht noch weiter öffnen. Wenn das soziale Gefälle immer stärker wird, wird sich unsere Gesellschaft langfristig massiv verändern. Ich glaube, es wäre spannend, einmal zu betrachten, inwieweit die Architektur einen Beitrag zu sozialen Gerechtigkeit leisten kann.
Im kommenden Jahr feiert das „Cinema & Kurbelkiste“ runden Geburtstag – es wird 50 Jahre alt! Gibt es schon besondere Pläne, die Sie uns verraten dürfen?
Natürlich haben wir einiges geplant, aber ich möchte hier noch nicht zu viel verraten! (Lacht.)
Was wir aber auf jeden Fall machen werden, ist eine Reihe mit dem Besten aus 50 Jahren "Cinema & Kurbelkiste". Einmal in der Woche zeigen wir einen Film aus den vergangenen 50 Jahren. Ich bin sicher, da wird das ein oder andere Juwel zum Vorschein kommen!
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