Architekten in ungewöhnlichen Berufsfeldern

Dietmar Bonenberger: „Ein Messestand ist eine Produktverpackung“

Es gab Zeiten, da lagen Messebau und Standentwicklung überwiegend in den Händen von Architekten und Innenarchitekten. Inzwischen dominieren Systembauer das Feld, doch es gibt nach wie vor Kollegen, die in diesem Bereich eine Nische gefunden haben. Wie Dietmar Bonenberger, der heute bei der Messe Düsseldorf für die Konzeption von Sonderschauen und Ständen verantwortlich zeichnet. Ein Beitrag unserer Interview-Reihe mit Kolleginnen und Kollegen, die eine Tätigkeit außerhalb der traditionellen Berufsfelder ausüben.

16. August 2000von cm

Sie sind als junger Mann eher zufällig in den Bereich Messebau und Standentwicklung hineingerutscht - und dabei geblieben. Weshalb?

Der Reiz liegt für mich in der Vielfalt der kreativen Leistungen. Ob ich nun einen Stand entwerfe oder eine Sonderschau entwickele: Neben gestalterischen geht es immer um konzeptionelle Ideen, plus einem mehr oder minder ausgeprägten Event-Charakter. Die Anforderungen sind sehr unterschiedlich, und das macht die Sache spannend. 

Welche Beispiele sind Ihnen besonders in Erinnerung?

Kurz nachdem ich hier bei der Messe Düsseldorf anfing, habe ich einen Tauchturm entworfen, ein riesiges mobiles Tauchbecken, das auf der „Boot“ immer noch zum Einsatz kommt. Im Rahmen einer HiFi-Messe konzipierte ich eine Hörspielstraße, auf der die Besucher verfolgen konnten, wie beispielsweise das Geräusch von knirschendem Schnee erzeugt wird. Für die „Reha“ war ich einmal tagelang mit einem Blinden unterwegs, um eine adäquate Präsentation für diese spezielle Zielgruppe zu entwickeln. 

Jetzt sprechen Sie von Sonderschauen. Aber die prägen nicht die Alltagsarbeit eines Innenarchitekten oder Architekten, der in den Messebau geht.

Stimmt, aber auch die Standentwicklung hält interessante und vielseitige Aufgaben bereit. Jede Firma hat ihre eigene Philosophie, jeder Artikel braucht ein spezifisches Umfeld. Ich vergleiche einen Messestand gern mit einer Verpackung für ein Produkt. Dann wird schnell klar: Wenn zum Beispiel ein Pharma-Unternehmen den gleichen Stand nutzt, um medizinische und Beauty-Produkte zu präsentieren, passt da etwas nicht. 

Sind Sie als Angestellter der Messe noch selbst in der Standentwicklung tätig?

Selbstverständlich. Zum einen werden für die Messe Düsseldorf eigene Werbestände entwickelt, mit denen sie sich auf Konkurrenzveranstaltungen präsentiert. Zum anderen bietet die Messe den Ausstellern die Standentwicklung als Service an. Diese Aufträge geben wir zum Teil an externe Kollegen weiter, aber Betreuung und Kontrolle liegen in jedem Fall bei uns. 

Ein Arbeitsplatz wie der Ihre ist schon wegen der kleinen Anzahl der Messeplätze selten. Aber auch sonst liegt es für einen Innenarchitekten doch nicht unbedingt nahe, in den Messebau zu gehen.

Richtig, allerdings war das nicht immer so. In den siebziger Jahren gab es hunderte von freien Architekturbüros, die auf Standentwicklung spezialisiert waren. Die hatten gut zu tun. Erst als der Systembau kam, gingen die Aufträge zurück. Heute gibt es nur noch einige wenige Kollegen, die als Freiberufler in diesem Bereich tätig sind. 

Ist Standplanung für den Nachwuchs heute überhaupt noch ein lukratives Feld?

Es ist sicher ein Nischenmarkt, aber für junge Kollegen immer noch interessant. Schließlich bieten auch viele Systembauer individuelle Lösungen an, und die haben eindeutig Bedarf an Leuten, die nicht nur schöne Bildchen zeichnen, sondern konstruktiv denken können. 

Wer sind die Hauptkonkurrenten der Innenarchitekten und Architekten auf diesem Gebiet?

Das reicht vom Grafikdesigner bis zum Computerfreak, der gelernt hat, mit CAD umzugehen. Bedauerlicherweise gibt es in der Branche auch eine Menge schwarzer Schafe - die Bezeichnung „Messebauer“ ist ja nicht geschützt. Mancher Auftraggeber ist schon böse reingefallen, weil beispielsweise Sicherheitsbelange nicht ausreichend berücksichtigt wurden und die Messe dann die Abnahme des Standes verweigert. 

Was braucht ein Architekt, der im Messebau tätig werden will?

Formgefühl, Kenntnisse über Materialien und ihre Eigenschaften, Organisationstalent und die Fähigkeit, sich in rasch wechselnden Netzwerken zurechtzufinden. Schließlich sind umfangreiche Abstimmungen mit dem Auftraggeber erforderlich. Denn es ist ja nicht nur der Produktbereich berührt, sondern auch das Marketing, zuweilen - wenn es um strategische Fragen geht - sogar der Vorstand. 

Das Messegeschäft ist international. Bedeutet das, dass Sie viel auf Reisen sind?

Man sieht schon etwas von der Welt. Während meiner Zeit im Architekturbüro habe ich zum Beispiel Stände für den Bund entworfen und kam nach Genf, nach Lima, nach Osaka. Auch heute bin ich oft unterwegs. Wir müssen ja im Auge behalten: Was macht die Konkurrenz? 

Hat es Sie nie gereizt, in anderen Bereichen tätig zu werden?

Ich habe das eine oder andere Einfamilienhaus in der Eifel gebaut. Aber das ist lange her - und, ganz ehrlich, nicht meine Welt.


Zur Person:

Dietmar Bonenberger, Jahrgang 1944, besuchte nach einer Schreinerlehre die Werkkunstschule Trier, Schwerpunkt Innenarchitektur. Nach seinem Diplom fand er 1967 eine Anstellung in einem Architekturbüro in Meerbusch-Büderich, das sich auf Messebau spezialisiert hatte. Nach acht Jahren ging Bonenberger als Abteilungsleiter zu einer Messebaufirma in Aachen. Drei Jahre später wechselte er zur Messe Düsseldorf, wo er nach kurzer Zeit die Abteilung Design und Standentwicklung übernahm, die er noch heute leitet und der inzwischen zwölf Mitarbeiter angehören. Zwischen 1986 und 1996 unterrichtete Bonenberger als Gastdozent an der Fachhochschule Düsseldorf.


Ein weiteres Interview zum Berufsfeld "Messebau" finden Sie unter: www.aknw.de/aktuell/index.htm


 

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