Ein Denkmalrat für NRW?

Im Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen ist bereits seit 1980 ein Denkmalrat vorgesehen, ohne dass das Land bislang von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Die Architektenkammer NRW hatte daher vor einiger Zeit gemeinsam mit der Ingenieurkammer-Bau angeregt, dass als Beratungsorgan beim Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW ein solches Gremium eingerichtet wird. Um den Fragen nachzugehen, ob NRW einen Denkmalrat benötigt und welchen Aufgaben und Zielen dieser sich stellen müsste, trafen sich auf Einladung der AKNW am 26. Oktober 2015 etwa 30 Expertinnen und Experten der Denkmalpflege im Haus der Architekten in Düsseldorf.

06. November 2015von Vera Anton-Lappeneit / Herbert Lintz

In § 23 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz NRW heißt es: „Zur Vertretung der Belange der Denkmalpflege können bei der Obersten Denkmalbehörde ein Landesdenkmalrat gebildet sowie die anerkannten Denkmalpflegeorganisationen angehört werden.“ Eine Möglichkeit, von der Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu anderen Bundesländern bisher keinen Gebrauch gemacht hat. „Fragen nach sinnvollen und wirtschaftlich machbaren Nutzungen von Denkmälern gewinnen zunehmend an Bedeutung“, erläuterte Ernst Uhing, der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, in seiner Begrüßung. „Allerdings können Umbauplanungen und Umnutzungen an Baudenkmälern in manchen Fällen zu Zielkonflikten zwischen Denkmalpflegern, Architekten, Eigentümern und Investoren führen.“ Uhing stelle zur Diskussion, welche Aufgaben einem zukünftigen Denkmalrat in NRW zukämen. Er warf die Frage auf, ob das Gremium eingebunden werden sollte, um bei schwierigen Verfahren konkrete Lösungsvorschläge zur Konfliktbewältigung aufzuzeigen, oder ob eher die allgemeine Beratung zu denkmalpolitischen Themen die Kernaufgabe eines solchen Expertengremiums wäre.

Aufgaben und Einbindung

Für das Bauministerium stellte Ministerialrat Dr. Thomas Otten die Entwicklung des Denkmalrechtes in NRW dar und berichtet über die bisher geführten Diskussionen im politischen Raum. Im Kontext mit einer grundlegenden Evaluierung des Denkmalschutzgesetzes, in deren fachliche Begleitung die AKNW berufen wurde, geht das Ministerium auch der Frage nach, ob und mit welchen Aufgaben ein Landesdenkmalrat etabliert werden kann. Nach seiner Einschätzung sollte ein Rat durch die Oberste Denkmalbehörde bei Fragen grundsätzlicher Bedeutung ebenso gehört werden wie bei streitigen Fällen. Eine aktive Mitwirkung in der Denkmalpflege schloss er dagegen aus.

Dr. Andrea Pufke, Landeskonservatorin Rheinland, bedauerte, dass die institutionellen Verankerungen, die das Gesetz zulässt, bislang nicht genutzt werden. Dazu gehören auch Denkmalkommissionen, Denkmalschutzbeauftragte und nicht zuletzt der Denkmalrat. Wichtig sei es, ein unabhängiges Gremium zu finden, dass nach ihrer Einschätzung kein Schlichtungsgremium in strittigen Fragen des Denkmalschutzes sein sollte, sondern sich mit strukturellen und methodischen Fragestellungen beschäftigen müsse. Aber auch bei schwierigen Abbruchfällen von landesweiter oder sogar nationaler Bedeutung sollte das Gremium gehört werden.

Erfahrungen anderer Bundesländer

Schon 1902 kannte das Hessische Denkmalschutzgesetz einen Landesdenkmalrat, berichtete Dr. Holger Mertens, kommissarischer Landeskonservator Westfalen-Lippe, und stellte beispielhaft Aufgaben und Mitwirkungsrechte aus bestehenden Landesdenkmalräten anderer Bundesländer vor. Allen zu eigen ist die beratende Funktion, teils in aktiver, teils in passiver Mitwirkung, nicht jedoch in Konkurrenz zu den Denkmalschutzbehörden und Fachbehörden. Immer ist es ein sachverständiges Gremium als Spiegel der Gesellschaft und Monitoringstelle für das kulturelle Erbe.

„Ja, ein Denkmalrat macht einer Verwaltung Arbeit“, fasste Dr. Dagmar Tille aus der Senatsverwaltung Berlin zusammen, nicht ohne zu ergänzen, dass die Impulse und die durch die Debatten erreichte Öffentlichkeit „uns wiederum die Arbeit erleichtern“. In Berlin befasst sich der Rat in seiner Politikberatung mit konkreten Projekten, die überörtliche Bedeutung haben. Zugleich diskutiert er Querschnittsthemen wie die Unterschutzstellung der Nachkriegsmoderne oder Konflikte der Denkmalpflege mit anderen Ansprüchen wie solchen aus dem Naturschutz, der Barrierefreiheit oder der angestrebten Energiewende.

Prof. Dr. Kerstin Wittmann-Englert, Vorsitzende des Berliner Landesdenkmalrates, berichtete über die rechtlichen Voraussetzungen des Berliner Denkmalrechtes und benannte Beispiele aus der Arbeit des dortigen Beirates, der sehr aktiv Einfluss auf einzelne Projekte nimmt. So ist in Berlin – anders als nach der unverbindlichen Formulierung in NRW - der Landesdenkmalrat „in allen Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung (…) zu hören“. Dabei scheut der Beirat nicht den Konflikt mit architektonischen Konzepten. Den nach einem Architektenwettbewerb geplanten Umbau der St. Hedwigs-Kathedrale, in der Hans Schwippert in den 1950 Jahren Ober- und Unterkirche zusammenfasste, betrachtet der Beirat als Teilzerstörung. Bei der von Siemens geplanten Überbauung des Gartens des Magnus-Hauses setzt sich der Beirat für den Erhalt des Freiraums ein, „weil das Haus ohne seinen freien Garten nicht verständlich ist“. Um solche Konflikte zu vermeiden, melden sich zwischenzeitlich Projektverantwortliche, um ihre Überlegungen frühzeitig dem Beirat vorzustellen. Dieses Engagement des Berliner Beirats, dem auch renommierte Architekten angehören, erfordert ein hohes Maß an Einsatz des ehrenamtlichen Gremiums und auch der Senatsverwaltung. „In einem Land der Größenordnung von NRW könnten auch zwei Denkmalräte eingerichtet werden, um die Arbeit zu verteilen“, so der Vorschlag von Wittmann-Englert.

Experten votieren für Einrichtung eines Denkmalbeirats in NRW

Die Experten diskutierten unter Moderation von Prof. Dr. Thorsten Scheer kontrovers. Einig war man sich darüber, dass ein Landesdenkmalrat ein wichtiger Schritt für den Schutz des baukulturellen Erbes in Nordrhein-Westfalen sei und die Arbeit der schon bestehenden Denkmalschutzinstitutionen wesentlich unterstützen könne. Einig war man sich auch darüber, dass die Unabhängigkeit eines solchen Gremiums eine unabdingbare Grundlage für eine wirkungsvolle Arbeit sei. Zu Zielen und Aufgaben bestanden dagegen unterschiedliche Auffassungen.

Kernaufgaben könnten vorrangig die Entlastung der bestehenden Institutionen durch unparteiische Mitarbeit, die Funktion als Ideengeber und Meinungsfilter sowie ein Gremiums des Interessenausgleichs sein. Praktikabel sei eine projektbezogene Einbindung in Fragen von landesweiter Relevanz.

Der Denkmalschutz hat sich bisher bewährt. Der Nutzen eines ehrenamtlichen und unabhängigen Denkmalrates zur Entlastung und in Ergänzung bestehender Institutionen wurde in der Gesprächsrunde von niemandem in Frage gestellt. Allerdings müssen die Ziele und Kernaufgaben eines Denkmalrates für NRW noch herausgearbeitet werden. „Der Berliner Vorschlag, zwei Denkmalräte zu installieren, wäre vor dem Hintergrund, dass es zwei Landschaftsverbände mit zwei Landeskonservatoren gibt, durchaus charmant“, so Prof. Scheer und fasste zusammen: „Sicher ist auch, dass durch einen Denkmalrat die Qualität in der Denkmaldiskussion gestärkt würde und die Belange des Denkmalschutzes in der Öffentlichkeit befördert würden.“

Mit einem positiven Fazit schloss Ernst Uhing die Gesprächsrunde: „Ich bin durchaus optimistisch, dass mindestens ein Denkmalrat in Nordrhein-Westfalen eingeführt wird, das hat ja mit den Gestaltungsbeiräten auch geklappt - und von denen haben wir mittlerweile schon 46 in Nordrhein-Westfalen.“

Vorträge zum Download

<link file:21724 download file>Ministerialrat Dr. Thomas Otten (Bauministerium NRW): Ein Landesdenkmalrat für NRW - Die Situation in Nordrhein-Westfalen

<link file:21732 download file>Dr. Holger Mertens (kommissarischer Landeskonservator Westfalen-Lippe): Landesdenkmalräte in Deutschland

<link file:21733 download file>Dr. Dagmar Tille (Senatsverwaltung Berlin): Der Landesdenkmalrat Berlin

<link file:21723 download file>Prof. Dr. Kerstin Wittmann-Englert (Vorsitzende des Berliner Landesdenkmalrats): Der Landesdenkmalrat Berlin (Praxisbeispiele)

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