Ela und die Folgen: Wie Parkanlagen wieder in Wert gesetzt werden

Pfingst-Sturm „Ela“ hat im Jahr 2014 in einem Bereich zwischen Aachen und Münster schwerste Schäden verursacht und insbesondere viele Grünanlagen verheerend getroffen. In Düsseldorf wurden im Schlosspark Benrath, einem Denkmal und Naturschutzgebiet, 226 Bäume vernichtet, darunter auch eine symbolträchtige Trauerweide auf der Insel im Schlossweiher. Im Zuge der Aufräumarbeiten kam insbesondere in historischen Gärten und Parkanlagen die Frage auf, inwieweit die Beseitigung der Sturmschäden genutzt werden könne, um ursprüngliche, denkmalpflegerisch hinterlegte Entwurfszustände wiederherzustellen, die im Laufe von Jahrzehnten oder Jahrhunderten verloren gegangen waren. „Es gibt viele Parkanlagen in Nordrhein-Westfalen, die ihre hohen Qualitäten durch ein ungesteuertes Wachstum der Natur eingebüßt haben“, stellte Ehm Eike Ehrig fest. Der Bielefelder Landschaftsarchitekt befasst sich intensiv mit der Restauration und Weiterentwicklung historischer Gartenanlagen. „Eine Situation wie die, vor der wir nach dem Ela-Sturm stehen, bietet die Chance, diese grünen Schätze wieder zu heben.“

14. Januar 2016von C. Rose

Gärten sind empfindliche Kulturleistungen, denen ein Element der Unberechenbarkeit innewohnt. Das Wachsen und Absterben der Pflanzen, die Einflüsse von Wetter und Fauna sowie die Intensität und Ausrichtung der Gartenpflege sind Faktoren, die für die Entwicklung eines einmal angelegten Parks entscheidende Bedeutung tragen. Auf einer Fachtagung des Rheinischen Verbandes für Denkmalpflege und Landschaftsschutz RVDL im Oktober 2015 in Düsseldorf stellte Ehm Eike Ehrig u. a. die Inwertsetzung des historischen Parks auf dem Johannisberg in Bielefeld vor. Knapp 50 Prozent des Gehölzbestandes mussten dort entfernt werden, um Raumbezüge wiederherzustellen, die historische Substanz sichtbar werden zu lassen, wertvollen Baumarten Luft zu geben und um die soziale Kontrolle in der Parkanlage zu verbessern.

„Parkpflegewerk“ - Wiederherstellung von historischen Parkanlagen

Parkanlagen wie der Johannisberg, die über Jahrhunderte genutzt und immer wieder weiterentwickelt wurden, werfen die interessante Frage auf, welche Zeitschicht denn aus heutiger Rückschau die wichtigste sei, an der sich eine Wiederherstellung oder Parksanierung orientieren könnte. „Wir müssen in solchen Fällen eine aufwändige Recherche betreiben und oftmals detektivischen Spürsinn entwickeln, um die notwendigen historischen Dokumente zu finden“, berichtete Tobias Lauterbach, Gartendenkmalpfleger im Grünflächenamt der Landeshauptstadt Düsseldorf, auf der RVDL-Tagung in Düsseldorf. Zentrales Arbeitselement ist das „Parkpflegewerk“, das sich seit den 1960er Jahren in der Landschaftsarchitektur etablierte. Es umfasst eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Anlagengeschichte sowie eine Analyse des bestehenden Gartens, um daraus ein Leitbild zu entwickeln. Auf dieser Basis können dann Restaurierungs- und Pflegemaßnahmen abgeleitet werden.

Düsseldorfer Hofgarten - Starke Zuerstörung durch Pfingststurm "Ela" 2014

Beispiel Hofgarten. Die Geschichte der größten innerstädtischen Grünanlage der Landeshauptstadt reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert. Der damals außerhalb der Stadtmauern liegende, fürstliche Hofgarten wurde im 18. Jahrhundert zur öffentlichen Promenade, dem alten Hofgarten, umgestaltet und erhielt Anfang des 19. Jahrhunderts durch Maximilian Friedrich Weyhe als neuer Hofgarten seine im Wesentlichen bis heute erhaltene Form. Im 20. Jahrhundert, vor allem nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, wurden durch städtebauliche Maßnahmen letztmals größere Veränderungen am Gartengelände vorgenommen.

Der Sturm Ela verstörte fast 50 Prozent der Bäume im Hofgarten. Da die Parkanlage nur eine von 30 denkmalgeschützten Grünanlagen in der Landeshauptstadt ist, wartete auf Doris Törkel und ihr Team vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt Düsseldorf eine Mammutaufgabe. „Wir haben vier Schadenskategorien gebildet und werden unsere historischen Parkanlagen nun sukzessive sanieren“, erläuterte die Amtsleiterin das Management der Sturmfolgen. Für den Hofgarten wurde das Hamburger Landschaftsarchitekturbüro Dittloff + Paschburg beauftragt, das Parkpflegewerk fortzuschreiben. Der Kostenrahmen für die Sanierung der wichtigen historischen Anlage liegt bei 6,9 Mio. €.

Gärten und Parks sind Generationenverträge

Dass die Beseitigung der Ela-Folgen auch eine Chance zur Wiederentdeckung alter Werte sein kann, unterstrich auch die Krefelder Landschaftsarchitektin Almut Spelberg. Sie zeichnet bei der Stadt Krefeld verantwortlich für die Planung von städtischen Außenanlagen und ist zudem Gebietsreferentin im Arbeitskreis „Historische Gärten“ bei der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur. „Jeder Garten hat seinen ganz eigenen Charakter.“ Entsprechend bedürfe es spezifischer Parkpflegewerke und einer kontinuierlichen Parkpflege. „Die Bedeutung des Grüns in den Städten wächst“, beobachtete Almut Spelberg. Sie erinnerte daran, dass historische Freiräume wie Gärten, Parks, Friedhöfe und Plätze seit 1980 als Teil unseres erhaltenswerten Kulturgutes gelten und als solche unter dem Schutz der Denkmalgesetze stehen. „Gärten und Parks sind Generationenverträge, d.h. wir erleben heute einen Park in einem reifen Zustand, den unsere Vorfahren vor vielleicht drei oder sechs Generationen angelegt haben.“

„ELA und die Folgen“: Unter diesem Titel führte der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL) bereits zwei Symposien durch. Am 20.10.15 diskutierten Landschaftsarchitekten, Denkmalpfleger und Kunsthistoriker mit Fachleuten aus der Verwaltung im Museum für Europäische Gartenkunst auf Schloss Benrath darüber, wie eine Revitalisierung kunsthistorisch empfehlenswert, landschaftsarchitektonisch wünschenswert und organisatorisch machbar umgesetzt werden kann. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen unterstützte die Veranstaltung als Kooperationspartner, ihr Pressesprecher Christof Rose moderierte die lebendige Diskussion.

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Interview mit Prof. Dr. Stefan Schweizer

Er ist wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Schloss und Park Benrath. Der unter Denkmalschutz stehende Schlosspark Benrath umfasst mehr als 61 ha, von denen rund 45 ha als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind. Der älteste Bereich des Gartens geht bis in das 17. Jahrhundert zurück. Markant ist vor allem der barocke „Kurfürstengarten“, den herausragende Gartenkünstler wie Maximilian Friedrich Weyhe und Peter Joseph Lenné im 19. Jahrhundert anlegten. Der an den Rhein grenzende Park ist öffentlich zugänglich und kann auch in kunsthistorischen sowie botanischen und ornithologischen Führungen der Stiftung Schloss und Park Benrath besichtigt werden.

„Gartendenkmäler brauchen Schutz!“ - Herr Prof. Schweizer, was macht den Schlosspark Benrath so einzigartig im Verbund des European Garden Heritage Network?
Der Schlosspark Benrath ist sowohl künstlerisch von hoher Qualität als auch kultur- und naturgeschichtlich von großer Bedeutung für die Geschichte der Gartenkunst. Seine besondere Bedeutung erwächst aus seiner doppelten Schutzbedürftigkeit als Denkmal und Naturschutzgebiet. Diese Kombination und seine Funktion als großstädtisches Erholungsgebiet sind weithin einmalig.

Wie groß waren die Schäden, die der Sturm Ela hier angerichtet hat?
Erheblich! Allerdings gehören der Verfall und das erneute Wachsen zu einer Parkanlage einfach dazu. Ich denke schon, dass hier ein reinigender Prozess stattgefunden hat -der allerdings hoffentlich eine Ausnahme bleibt. Immerhin sprechen gegenwärtig so viele Menschen über unseren Schlosspark und andere Anlagen, wie schon lange nicht mehr. Sie haben die Aufgabe, diese einmalige Anlage zu erhalten und zu schützen - und zugleich eine touristisch attraktive Destination zu bewerben, die möglichst viele Menschen anlockt.
Der Schlosspark Benrath ist sicherlich eines der attraktivsten Ziele im Verbund des europäischen Gartenerbe-Netzwerks. Es kommen sehr viele Menschen in unsere Anlage - Touristen und Einheimische. Um den Wert des Parks dauerhaft erhalten zu können, sind bestimmte Maßnahmen notwendig. Ich spreche hier von einer „geregelten Öffentlichkeit“. Wichtig ist mir, dass die Besucher sich der Parkanlage angemessen verhalten. Wir hatten schon Gäste, die Trinkgelage veranstaltet haben oder die mit dem Auto in den Park gefahren sind.

Ist die Forderung nach einem kultivierten Verhalten in historischen Parkanlagen nicht elitär?

Doch, natürlich. Ich denke, dazu muss man stehen, wenn man den Schutz solcher Anlagen ernst nimmt. Elitär im selben Sinne wie Museen, Opernhäuser und große Baudenkmäler elitär sind. Überall gibt es bestimmte Einlassbeschränkungen und Verhaltenskodizes, die selbstverständlich beachtet werden müssen.

Was schlagen Sie konkret vor, um historische Grünanlagen für die Zukunft zu entwickeln?

Wer historische Garten- und Parkanlagen als Denkmäler schützen will, muss sie anders behandeln als zeitgenössische Stadtparks. Dies bedeutet zwingend eine Einschränkung der Nutzungsvielfalt.
Optimal wäre die Einschränkung von Alltagspraktiken wie Radfahren, Ausführen freilaufender Hunde, Betreten des Parks nach Einbruch der Dunkelheit. Dies ist internationaler Standard und sollte in ein umfassendes Informationsdesign eingebunden werden. 

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