Fachexkursion: Connecting Minds - EXPO 2020

Wie können wir gemeinsam das Zusammenleben auf unserem Planeten (besser) gestalten? Unter dieser Leitfrage findet noch bis zum 31. März in Dubai die Weltausstellung „EXPO 2020“ statt – mit einem Jahr pandemiebedingter Verspätung. Die Akademie der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen bietet in Kooperation mit dem Mainzer Spezialisten „Poppe Reisen“ spezielle Architektur-Fachexkursionen an. „Weltausstellungen waren immer schon Kristallisationspunkte ihrer Zeit“, sagte Dr. Thomas Schriefers, Architekt und EXPO-Kenner, in seinem Einführungsvortrag vor gut 20 Architektinnen und Architekten im Rahmen einer Fachreise Anfang Dezember 2021. Das Motto der EXPO 2020 sei angesichts der Herausforderungen des Klimaschutzes und der notwendigen internationalen Kooperationen gut gewählt: „Connecting minds – creating the future“.

14. Dezember 2021von Christof Rose

Werden wir in großem Maßstab Algen als Nahrungsmittel züchten, wie es im spanischen Pavillon eindrucksvoll dargestellt wird? Können vernakuläre Bauweisen mit Windkegeln, die der Klimatisierung von Gebäuden dienen, auch das Planen und Bauen in Europa beeinflussen, wie es Österreich mit einem reduzierten, aber ausdrucksstarken Pavillon vorschlägt? Und sind natürliche Baumaterialien wie Stampflehm auch für größere Baukörper in städtischenAgglomerationen geeignet, wie die Präsentation von Marokko es eindrucksvoll vorführt?

„Die inspirierende Kraft der Weltausstellungen lag seit ihrer Gründung 1851 mit dem Kristallpalast in London stets in der Vielfalt der Denkansätze und der Weitergabe neuen Wissens“, verwies Thomas Schriefers, der seit der Eröffnung der EXPO 2020 Anfang Oktober 2021 immer wieder Gruppen von Kammermitgliedern aus Nordrhein-Westfalen fachkundig über das EXPO-Gelände leitet, auf die Historie der Weltausstellungen. In Dubai sind aktuell Präsentationen von 192 Staaten zu erleben, die sich auf einem Stadterweiterungsareal in unterschiedlichster Weise vorstellen.

Thematisch und strukturell gliedert sich die EXPO 2020 in drei Themenfelder, die sich städtebaulich wie Blätter eines Kleeblatts um die „Al Wasl Plaza“ gruppieren: „Opportunity“, „Mobility“ und „Sustainability“. Die Länder-Pavillons werden jeweils einem dieser Sektoren zugeordnet, wobei die Qualitäten stark schwanken - von Showrooms zur Eigenwerbung bis zu anspruchsvollen Raumskulpturen.

„Campus Germany“

Mit 4800 Quadratmetern ist der deutsche Pavillon einer der größten - und beliebtesten - auf der EXPO 2020. Auf spielerisch-pädagogische Weise vermittelt Deutschland darin vielfältige Informationen und Anregungen zu einem umweltbewussten, nachhaltigen Lebensstil. In drei Aktionszonen, die jeweils in „Labs“ organisiert sind, können die Besucherinnen und Besucher sich zu den Themenfeldern Energie, Zukunft der Städte und Biodiversität informieren. Der von LAVA Architekten (Berlin/Stuttgart) mit den Kreativen von „facts and fiction“ (Köln) und NÜSSLI realisierte Bau folgt der Idee eines universitären Campus, der allerdings in die Vertikale gebaut wurde. Ein Atrium verbindet die Ebenen, wobei die durchdachte Besucherführung in einem Klimax gipfelt, bei dem die Besucher*innen namentlich angesprochen und zum aktiven Mitmachen angeregt werden.

Ähnlich faktenreich präsentiert die EXPO den zentralen „Mobility“-Pavillon von Foster + Partners (London), der eine dynamische Architektur mit einer Zeitreise durch die Geschichte der Mobilität aus arabischer Perspektive verbindet. „Weltausstellungen waren immer auch Geschichten vom Reisen und der Reisenden“, erläuterte Dr. Thomas Schriefers während seiner Führung durch die interessantesten Pavillons. Symbolisch, so der Kölner Architekt, Fachautor und Künstler, stehe die EXPO auch als „Grand Tour“, als Bildungsreise, die immer auch eine Reise des Lebens sei.

Geraffte Stadtentwicklung

Das Emirat Dubai, das im Jahr 2021 die 50-jährige Partnerschaft mit sechs weiteren Nachbarstaaten unter dem gemeinsamen Dach der „Vereinigten Arabischen Emirate“ (VAE) feierte, vollzog in diesen fünf Jahrzehnten eine Entwicklung, die selbst mit Blick auf das rasante industrielle Stadtwachstum in Europa kaum vorstellbar erscheint.

Bei der Gründung der VAE war Dubai eine kleine Siedlung von Perlenfischern an der Mündung eines Armes des Persischen Golfs, der in die Wüste ragte. Ausgehend von diesem „Creek“, der heute noch Einblicke in historische Stadtstrukturen und Märkte („Souks“) bietet, entwickelte sich entlang des insgesamt nur 72 Kilometer messenden Küstenstreifens eine ultramoderne Stadt, die für den Architekten Dominic Wanders „zu den aufregendsten der Welt“ gehört. Der deutsche Architekt, der aus Emmerich stammt, lebt und arbeitet seit mittlerweile 16 Jahren in Dubai. Er verwies darauf, dass Dubai schon in der Post-Öl-Phase angekommen sei: „Lediglich zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts hängen in Dubai noch mit dem Öl zusammen.“

Das heute rund 3,3 Millionen Einwohner zählende Emirat setze auf seine Funktion als Unternehmens- und Wirtschaftsdrehscheibe in der Region, wozu insbesondere der im Süden des Landes angelegte Wirtschaftshafen mit Freihandelszone sowie der große Flughafen zähle. Durch die zentrale Lage zwischen den Kontinenten Europa, Asien und Afrika seien bis zu 80 Prozent der bevölkerungsreichsten Regionen in wenigen Flugstunden von dem kleinen Emirat aus zu erreichen. „Das ist das Narrativ, das hielt zählt – nicht etwa ein Petro-Größenwahn, wie es in Europa oft falsch wahrgenommen wird“, meinte Dominic Wanders. Dazu komme die weiter wachsende Bedeutung Dubais als Touristikdestination mit seinen international bekannten Signalbauten wie dem Burj Al Arab-Hotel und dem Burj Khalifa, dem mit 828 Metern höchsten Wolkenkratzer der Welt – dessen elegantes, schlankes Design auch die Architektinnen und Architekten aus Nordrhein-Westfalen in seinen Bann zog.

Kultur und Nachhaltigkeit

Eine große Faszination übt auch der neue Louvre von Jean Nouvel in Abu Dhabi aus. Das größte Land der Vereinigten Arabischen Emirate grenzt südlich an Dubai, hat aber – wohl aufgrund seines Ölreichtums – eine im Vergleich zu Dubai verzögerte Entwicklung genommen. Als erstes (von insgesamt fünf) Projekten, die nun eine international bedeutsame Kulturmeile am Persischen Golf bilden sollen, wurde im November 2017 der Louvre Abu Dhabi eröffnet. Eine Gitterstruktur überwölbt wie ein Schildkrötenpanzer konsequent in weiß gekleidete Kuben, die hochrangige Kunstwerke aus allen Epochen und angrenzenden Kontinenten ausstellen. In Planung sind weitere Kulturgroßprojekte: So soll auf einem Nachbargrundstück ein neues Guggenheim-Museum“ von Frank O. Gehry entstehen; seit der Gründung ruht das Projekt allerdings.

Ein spannendes städtebaulich-technisches Experiment liegt nur wenige Kilometer entfernt: Der neue Stadtteil „Masdar City“. Nach einem Masterplan von Norman Foster entsteht auf einem Stadtentwicklungsareal am Rande der Wüste ein vollständig nachhaltig gedachtes Quartier, das einmal Wohnen, Arbeiten und vor allem Studieren in CO2-neutraler Lebensweise ermöglichen soll. „Leider zeigt sich hier wie an anderen Orten in dieser Region, dass die ausführenden Projektentwickler typischerweise eher auf kurzfristige merkantile Gewinne als auf langfristige Entwicklungsperspektiven setzen“, konzedierte Dominic Wanders. Wichtige Elemente seien bereits aufgegeben worden, etwa die autofreie Erschließung des Quartiers.

Kritisch diskutiert wurde im Kreise der Fachexkursion der Akademie der AKNW immer wieder die Frage der Menschenrechte und die Arbeitsbedingungen für die Wanderarbeiter, die das rasante bauliche Wachstum von Dubai und Abu Dhabi erst ermöglichen.

Im Frühjahr 2022 gibt es noch folgende Zusatztermine für die Fachreise „EXPO 2020 Dubai“: 09.03. - 13.03.22 und 16.03. - 20.03.22

Weitere Info zu Programm und Anmeldung

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