Fachforum „Architektur und Farbe“ der AKNW auf der Messe „Farbe2007“ in Köln

Fachforum auf der Farbe 2007: Bunt für Kinder - grau für Alte?

„Farbe bringt Emotionen - allein deshalb schrecken vermutlich viele Architekten vor dem Einsatz von Farbe zurück.“ Prof. Falk Jaeger, Architekturhistoriker und Fachautor aus Berlin, scheute sich nicht, das Publikum des Fachforums „Architektur und Farbe - Älter, bunter, besser?“ mit provokativen Thesen zum Widerspruch zu reizen. Rund 270 interessierte Architekten und Innenarchitekten waren der Einladung der Architektenkammer NRW zu der Fachveranstaltung gefolgt, die am 20. April im Rahmen der Messe „Farbe - Ausbau & Fassade 2007“ stattfand.

25. April 2007von Christof Rose / Anne Menrath

Das Fachforum konzentrierte sich im Kern auf die Frage, welche Funktion und Bedeutung der Farbe bei der Konzeption und Realisierung von Bauwerken zukommen kann, die insbesondere von älteren und alten Menschen genutzt werden. „Ist es tatsächlich so, dass Farbe oft mit ‚bunt‘ gleichgesetzt wird und deshalb in erster Linie in der Architektur für Kinder zum Einsatz kommt“, fragte AKNW-Vorstandsmitglied Martin Müller in seiner Begrüßung zu der Veranstaltung.Falk Jaeger jedenfalls bestätigte diese Vermutung. In einem detaillierten Überblick über Bauwerke der jüngeren Vergangenheit stellte der Architekturhistoriker Kindergärten und Altenwohnungen einander gegenüber. Dabei wurde deutlich, dass im Sektor des „Bauens für Alte“ mit Farbe sehr zurückhaltend umgegangen wird. „Damit wird die Bedeutung von Farbe klar unterschätzt“, betonte Jaeger. Farbe könne hervorragend als architektonisch-räumliches Gliederungselement, als pointierendes und künstlerisches Element sowie als Ordnungs- und Orientierungselement eingesetzt werden. „Architekten vergessen dabei leider noch zu oft die Wirkung von Farbe als Träger von Atmosphäre und Stimmungen“, bedauerte Jaeger.Wahrnehmung von Farbe im Alter

Die Referenten wiesen immer wieder darauf hin, dass Menschen Farben unterschiedlich wahrnehmen und empfinden. Insofern sei es immer schwierig, mit besonders kräftigen, leuchtenden, pointierten Farben in Räumen zu arbeiten, die dauerhaft oder von sehr unterschiedlichen Zielgruppen genutzt werden.

Der Arzt Alexander Wunsch, der sich als Fachautor intensiv mit der Farb- und Lichttherapie befasst, betonte, dass die sensorischen Fähigkeiten des Menschen sich mit dem Alterungsprozess deutlich veränderten und die visuelle Haptik deutlich nachlasse. In Kulturen, in denen Menschen sich zu 95 Prozent ihrer Zeit in geschlossenen Räumen aufhielten oder etwa an Bildschirmarbeitsplätzen tätig sind, werde dieser natürliche „Verlust“ ungewollt begünstigt, so Wunsch. Jüngste Untersuchungen hätten ergeben, dass die spektrale Zusammensetzung von Fluoreszenzlicht und die Verwendung von blauen Pigmenten nicht nur generell die Sehschärfe verringern und das Sehen des Altersauges erschweren, sondern sogar das Entstehen von altersbedingten Augenerkrankungen wie Grauem Star und AMD fördern. Für die moderne altersorientierte Raumgestaltung müsse das in der Konsequenz heißen: Bevorzugter Einsatz von Glühlampen in Verbindung mit der Integration von Tageslichtsystemen. Den Anwesenden gab Alexander Wunsch mit auf den Weg, dass sich aus medizinischer Sicht unbedingt der Einsatz von warmen Licht- und Raumfarben empfehle, die ja auch dem natürlichen Wohlfühlfaktor entsprächen. „Ich spüre was, was du nicht siehst“ 

Claudius Lazzeroni, Professor für Interfacedesign an der Universität Duisburg/Essen, griff die medizinische Beleuchtung des Themas „Architektur und Farbe“ auf und räumte unmittelbar ein, dass die technischen und gestalterischen Spielarten seines Metiers nicht unbedingt gute Beispiele für die vom Vorredner formulierten Empfehlungen seien. Aber auch er betonte das dringende Anliegen, verantwortungsvoll mit dem enormen Potenzial der neuen Technik umzugehen. In einem mitreißenden Vortrag verstand er es, Yves Kleins Zitat „Der Mensch befindet sich im Exil - weit entfernt von seiner Farbseele“ zu veranschaulichen und dem Publikum eine Vorstellung zu geben von der „Farbe an sich“, einer unverfälschten, nicht von Gegenstand und Form charakterisierten Farbwahrnehmung.

Dass Farbe im Auge des Betrachters entsteht und somit ein subjektives Element ist, war zuvor biologisch erörtert worden. In einer durch den Fortschritt veränderten Umgebung, so schloss Lazzeroni an, bedürfe es bei der Gestaltung der Umwelt eines grundlegenden Verständnisses menschlicher Wahrnehmungsformen. Der Designer appellierte an die Architekten und Innenarchitekten, in ihrer Arbeit stets das individuelle und sich ändernde Farbempfinden einer jeden Altersgruppe zu berücksichtigen. 

Info:
"Veränderung der sensorischen Fähigkeiten - Der Einfluss des Alters auf die visuelle und haptische Wahrnehmung" Audiovisueller Vortrag von Alexander Wunsch auf DVD, ca. 45 Minuten.Die DVD kann zum Preis von 24.- EUR inkl. MwSt. und Versand einfach per e-Mail bestellt werden bei bestellung@gesundeslicht.info  

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