Experten prognostizieren einen Milliarden-Markt

Facility Management – eine neue Aufgabe für Architekten

Die deutsche Bau- und Planungswirtschaft befindet sich nach elf Jahren der Rezession in einer schwierigen Phase. Selbst wenn tatsächlich gegenwärtig ein Aufschwung die Auftragslage der Planungs- und Architekturbüros in NRW leicht entspannen sollte, gilt weiterhin: Die gesamte Branche befindet sich in einem strukturellen Anpassungsprozess, der Architektinnen und Architekten dazu zwingt, neue Aufgabenfelder zu erschließen. Einer der größten und inhaltlich wie finanziell interessantesten Sektoren ist zweifellos der Bereich des Facility Managements.

13. März 2006von Hilmar Czerwinski

Die unerfreuliche Entwicklung des Baubereichs ist eindeutig: Neben dem Rückgang der Fertigstellungszahlen bei den Büro- und Einzelhandelsimmobilien ist auch bei Wohnimmobilien, die fast 60 % der Bauinvestitionen auf sich vereinen, mit einem weiteren Rückgang zu rechnen - u. a. aufgrund der Steuer- und Mietgesetzgebung. Eine verlässliche und stabilisierende Größe ist mit Sicherheit der Aufgabenbereich, den man mit „Bauen im Bestand“ - einschließlich der Nachfrage nach Energiesparmaßnahmen - bezeichnen kann. Beschäftigung werden Architekten auch im Aufgabenbereich des Stadtumbaus im Zusammenhang mit einer insgesamt rückläufigen Bevölkerungsentwicklung finden. Gefragt sind neue innerstädtische Wohnformen für Familien mit Kindern, für 1-Personen-Haushalte und besonders altengerechte Wohnformen.

Während an deutschen Universitäten und Hochschulen in der Regel noch immer der Architekt mit seinen „klassischen“ Planungsleistungen die Ausbildungsinhalte bestimmt, stellen sich Experten allerorts die Frage, wie sich ein ganzer Berufsstand neu ausrichten und aufstellen kann und wie die katastrophale Lage zu verbessern ist. Der Fokus sollte dabei nicht allein auf Deutschland gerichtet sein, sondern auch auf das europäische Umfeld.Auch das öffentliche Bild vom Architekten ist im Zuge der Restrukturierung des Berufsbildes zu überdenken. Es tut dringend Not, die „Alleinstellungsmerkmale“ des Architekten wieder in den Blick der Öffentlichkeit zu rücken. Die Nachfrager nach Dienstleistungen müssen erkennen, dass Architekten nicht nur Garanten für den „gestalterischen Mehrwert“ sind, sondern auch Garanten für Qualität und „ökonomischen Mehrwert“. Zudem muss die Bandbreite des Leistungsspektrum der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner dauerhaft öffentlich vermittelt werden.  

Lebenszyklus von Immobilien

Von Kritikern oftmals als „Hausmeistertätigkeit“ verunglimpft, stellt der Bereich des Facility Managements einen wachsenden und finanzstarken Markt dar, auf dem Architektinnen und Architekten aufgrund ihrer Ausbildung und praktischen Erfahrung als geborene Fachleute agieren sollten. Dass die Planung und Steuerung von Facilities (Gebäude, deren technische Anlagen, Einrichtungen und Außenanlagen) sowohl für Freischaffende als auch für angestellte Architekten zahlreiche, anspruchsvolle Aufgabenbereiche umfasst, ist inzwischen in Fachkreisen gesicherte Erkenntnis. Mit anderen Worten: Die Geschäftsfelder des Planens und Betreibens von Immobilien rund um den Lebenszyklus eröffnen vielfältige Verdienstmöglichkeiten auch außerhalb der HOAI.

Die Entwicklung der Nachfrage nach FM-Leistungen in der privaten Immobilienwirtschaft, bei der öffentlichen Hand, im Gesundheitswesen und in der Industrie ist überaus positiv. Die Optimierung von Kosten während der Bau- und Betriebsphase, die Verbesserung der Qualität von Arbeitsplätzen und die dauerhafte Verfügbarkeit von baulichen und technischen Anlagen spielt für professionelle Immobilienbetreiber eine immer größere Rolle  

Überzeugende Marktdaten

Im März 2004 hat die Akademie der Immobilienwirtschaft (ADI) die Ergebnisse ihrer Studie „Immobilienmanagement der öffentlichen Hand - Public Real Estate Management“ vorgestellt. Nach Selbsteinschätzung der Kommunen schlummern (ungenutzt oder falsch genutzt) in Deutschland 2,0 bis 2,3 Billionen Euro an Immobilienwerten. Der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf wird auf 1.350 bis 1.500 Millionen Euro geschätzt. Gleichzeitig wird das Einsparungspotential bei den Bewirtschaftungskosten mit 150 Milliarden Euro beziffert. Neben Finanzierungsproblemen ist die Feststellung der tatsächlichen Bewirtschaftungskosten, der Sanierungsbedarfe und die daraus zu entwickelnden Optimierungsstrategien besonders dringlich. 87% der befragten Gemeinden messen diesen Themen eine hohe Bedeutung bei.

Wichtige Erkenntnis dieser Studie ist, dass der „schlafende Riese“ öffentliche Hand nicht nur einen Markt mit hohem Wachstumspotential für FM-Leistungen darstellt, sondern dass sich in diesem Bereich auch ein Wandel vollzieht, der ein hohes Outsourcing-Potenzial beinhaltet und gleichzeitig als enorme Chance für Architekten und Architektinnen begriffen werden muss. Sich dem Wandel zu stellen und darin Chancen für den Berufsstand zu sehen, ist ein Gebot der Zeit.Der Bedarf an FM-Leistungen bei der öffentlichen Hand wurde bisher deutlich unterschätzt. Die Baufolgekosten (Nutzungskosten) sind oftmals deutlich höher als bei den Immobilien der Wirtschaft. In vielen Bereichen weisen die Gebäude einen enormen Sanierungs- und Instandhaltungsbedarf auf.  

Public Private Partnership (PPP)

Public Private Partnerships (PPP) haben sich inzwischen weltweit bei öffentlichen Bauaufgaben bzw. Immobilien etabliert. Statt selber Immobilien wie Schulen, Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser, Justizvollzugsanstalten im Rahmen des Lebenszyklusansatzes zu planen, zu bauen, zu finanzieren und über viele Jahre zu betreiben, übernehmen private Unternehmen die bisherigen Aufgaben des Staates. Für den Staat scheinen nicht zuletzt angesichts leerer Kassen diese Betreibermodelle vorteilhaft zu sein. Viele Vertreter der öffentlichen Hand reizt die Aussicht, dass private Unternehmen Investitionsrisiken übernehmen und dabei noch wirtschaftlicher sein wollen, als der Staat es kann.

Nachdem die Bundesregierung und die Länder Kompetenzzentren für die Beratung öffentlicher und privater Partnerschaften eingerichtet haben, sehen viele Fachleute hier in den kommenden Jahren einen enormen Bedarf an PPP-Beschaffungsprozessen. Unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus von Immobilien werden somit Dienstleistungen im Sinne eines ganzheitlichen integrierten Facility Managements nachgefragt. Insofern ist es zu kurz gedacht, wenn Architekten allein den Blick auf den einmaligen Planungsprozess richten. 

Beispiel: Caremanagement

Nach Meinung von Experten ist von der Umstrukturierung des deutschen Gesundheitsmarktes insbesondere der Akutklinikbereich betroffen. Mit rund 64 Mrd. Euro umfasst dieser Markt 3 % des Bruttoinlandproduktes. Durch die Einführung der Fallpauschalen werden die Gesundheitsanbieter massiv zur Kostenreduktion und Effizienzsteigerung gezwungen. Nach einer Konvergenzphase, die vermutlich 2008 beendet sein wird, werden einige kommunale Krankenhäuser aufgrund fehlender Zuschüsse in ihrer Existenz gefährdet sein. Private Träger werden kommunale Häuser übernehmen und mit innovativen Konzepten (z. B. Verzahnung von Akutklinik, ambulanter Versorgung, Reha und Pflege sowie Wellness-Angeboten) für frischen Wind sorgen. Um die neuen Ziele zu erreichen, müssen Betriebsabläufe optimiert und integrative Bewirtschaftungsmethoden eingeführt werden. Als Voraussetzung hierfür werden umfangreiche Umbauten, Erweiterungen und Ergänzungsneubauten erforderlich. Fachleute sehen im Bereich des Gesundheitswesens ein großes, bisher nur ansatzweise erschlossenes Potenzial.

Immobilienwirtschaft

Mit zunehmender Tendenz wächst der Markt für FM-Leistungen bei professionellen Immobilienbetreibern und bei Investoren. In dieser Gruppe ist in der Regel die konsequenteste Form der Verlagerung der FM-Verantwortung auf entsprechende Dienstleister zu finden. Kennzeichnend für diesen Markt sind die ausgeprägte Kundenorientierung und die durchgängige Planung über die gesamte Nutzungsdauer.Auch in Deutschland ändern sich gegenwärtig Finanzstandards; gleichzeitig professionalisiert sich die Immobilienwirtschaft. Damit wird es zu neuen Leistungsbildern und Aufgaben im Immobilien- und Gebäudemanagement kommen, die Architektinnen und Architekten rechtzeitig und mit dem Ausbau ihrer Qualifikation erschließen müssen.Informationen der AKNW 

Der Vorstand der Architektenkammer NRW hat sich wiederholt mit dem Thema Facility Management auseinander gesetzt und ein Informationspaket für die Mitglieder erstellen lassen. Eine Arbeitsgruppe von Architekten aus dem Kammerausschuss „Planen und Bauen“ entwickelte einen Leitfaden FM für Architektinnen und Architekten, der ab April 2006 allen Mitgliedern und am Thema Interessierten kostenlos zur Verfügung steht. Die Publikation versteht sich als Arbeitsheft für Architekten, die sich das Thema vertieft und umfassend erarbeiten möchten.  

Die Architektenkammer NRW bietet ihren Mitgliedern darüber hinaus über ihre Akademie eine umfassende, berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung zum Thema Facility Management an. Die Akademie der Architektenkammer NRW gGmbH stellt einführende Seminare, Grundlagenseminare (Basiswissen) und Seminare zu Kernthemen des FM bereit. Das Fortbildungsprogramm ist als „Baukastensystem“ konzipiert. Neben diversen Spezialthemen werden im Akademieprogramm 2006 für das Halbjahr von April – September u. a. folgende Seminare angeboten:

„Facility Management – eine Aufgabe des Architekten“ (Einführung)
"IT-gestütztes Bestandsmanagement“ (Basiswissen)
„Immobilienmanagement für Architekten“ (Basiswissen)
„Technisches Gebäudemanagement für Architekten“ (Basiswissen) 

Die Seminarangebote des kommenden Halbjahres sind ab sofort bei der Akademie abrufbar: www.akademie-aknw.de

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