Gastbeitrag von Minister Groschek: Eckpfeiler einer sozial orientierten Wohnungsbaupolitik in NRW

Das Thema „Wohnen“ ist auf die politische Agenda zurückgekehrt - nicht zuletzt befeuert durch die wiederholten Appelle der Architektenkammer NRW und des Aktionsbündnis „Impulse für den Wohnungsbau in NRW“. Den nordrhein-westfälischen Bauminister Michael Groschek beschäftigt das Thema des bezahlbaren Wohnraums in den Wachstumsstädten schon seit langem. Der Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW eröffnet mit dem folgenden Text eine Reihe von Gastbeiträgen im Deutschen Architektenblatt, mit denen die Architektenkammer NRW in loser Folge die für die Architektenschaft in Nordrhein-Westfalen relevanten Ministerien um Stellungnahmen zu aktuellen Fragestellungen bitten wird.

12. Dezember 2012

„Ein zentrales Element für bezahlbaren Wohnraum und sozial stabile und lebenswerte Wohnquartiere war und ist für Nordrhein-Westfalen die soziale Wohnraumförderung. Sie hat in NRW den Wohnungsbau insgesamt und die Entwicklung unserer Städte in mehr als sechs Dekaden maßgeblich mitgeprägt. Sie hat dazu beigetragen, dass wir über einen Mietwohnungs-bestand verfügen, der bundesweit und auch international einmalig ist und breite Schichten der Bevölkerung mit gutem Wohnraum zu bezahlbaren Preisen versorgt. Sie hat dafür gesorgt, dass städtisches Wohnen und Leben für Bürger aller Einkommensschichten möglich ist und dass die soziale Stabilität in unseren Städten und Wohnquartieren in der Balance bleibt.

Diese Balance ist heute an manchen Standorten gefährdet. Hintergrund ist, dass sich die Wohnungsmärkte in den letzten Jahren sehr unterschiedlich entwickelt haben. Wir haben Wachstumsregionen, in denen sich ein zum Teil eklatanter Mangel an bezahlbaren Wohnungen abzeichnet. Gleichzeitig haben wir Regionen mit stagnierenden oder schrumpfenden Wohnungsmärkten mit Wohnungsangeboten, die nicht mehr gebraucht werden und/oder nicht mehr zukunftsfähig sind. Sie müssen vorrangig ertüchtigt bzw. durch neue Wohnangebote ersetzt werden, um zeitgemäßen energetischen und barrierefreien Standards zu genügen.

Differenzierte wohnungswirtschaftliche Investitionsstrategien

Vor allem in den Wachstumsregionen und den Universitätsstädten in NRW ist es für viele Menschen mit begrenzten Einkommen und kleinen Renten zum Problem geworden, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Gleichzeitig sinkt die Anzahl an Sozialwohnungen drastisch. Gerade in Großstädten mit hohen Marktmieten fehlt preiswerter Wohnraum, denn aktuell findet Wohnungsbau fast nur noch im oberen Preissegment statt, und die frei finanzierte Sanierung von Beständen führt zur weiteren Verknappung preiswerten Wohnraums. Selbst Normalverdiener haben hier zunehmend Schwierigkeiten, angemessenen und bezahlbaren Wohnraum zu finden. Wohnen in der Stadt wird so zum Luxusgut, und diejenigen, die sich das nicht mehr leisten können, werden an den Stadtrand gedrängt. Die soziale Mischung gerät gerade in den Wachstumsregionen und Boomstädten in Schieflage.

Wir brauchen vor allem in den Wachstumsregionen mehr bezahlbaren Wohnungsbau, den wir durch den quantitativen Ausbau von Sozialwohnungen erreichen können. Aber unsere Möglichkeiten, mit zinsgünstigen Darlehen Investitionsentscheidungen zu beeinflussen, sind geringer geworden, weil die Marktzinsen so niedrig sind wie nie zuvor. Gerade dort, wo die Mieten steigen und preiswerter Wohnraum besonders benötigt wird, wird es immer schwieriger, mit zinsgünstigen Darlehen den Einnahmeausfall durch die geringeren Mieteinnahmen bei preisgebundenen Wohnungen auszugleichen.

Wir richten unser Wohnungsbauprogramm 2013 gezielt darauf aus, vorrangig dort zu fördern, wo es besonders nötig ist. Das heißt: Wir räumen dem Mietwohnungsbau auf angespannten Märkten förderpolitisch den Vorrang ein. Hier liegt unser klarer wohnungs- und sozialpolitischer Schwerpunkt. Wir verstärken deshalb die Förderintensität für den Mietwohnungsbau – die Förderkonditionen werden deutlich verbessert: Die Förderpauschalen werden erhöht, die Darlehenskonditionen verbessert und die Bewilligungsmieten erhöht. Ein zusätzlicher neuer Schwerpunkt wird der „Studentische Wohnungsbau“ sein, den wir angesichts der zunehmenden Studentenzahlen und dem Mangel an Wohnraum für Studierende in den nächsten Jahren brauchen.

Die Eigentumsförderung mit der Gießkanne wird eingestellt. Sie wird konzentriert auf Kommunen mit hohem und überdurchschnittlichem Bedarfsniveau und kommt darüber hinaus nur für Härtefälle wie kinderreiche Familien oder als Instrument der Quartiersentwicklung in Frage. Wir werden auch zukünftig dafür sorgen, dass der Wohnungsbestand mit technischem und sozialem Augenmaß weiter entwickelt wird, und dies mit Fördermitteln der investiven Bestandsförderung unterstützen. In die über 8,5 Mio. gebauten Wohnungen in NRW muss – je nach Standort, Baualter und Zielgruppe - mit passgenauen effizienten Maßnahmen und möglichst sozial verträglich investiert werden. Denn in ihnen liegt das größte Potenzial zur klimapolitisch dringend gebotenen Verbesserung der Energieeffizienz und ein großer Bedarf an Modernisierungen, die eine barrierearme Nutzung und ein langes Verbleiben in der Wohnung auch im Alter ermöglichen. Wir werden deshalb solche baulichen Investitionen unterstützen und verbinden damit ein zentrales Ziel der Wohnraumförderung in NRW: Trotz Modernisierung bezahlbare Mieten für die Haushalte erhalten, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Bezahlbare Mieten -  das bedeutet, sowohl die Kaltmieten als auch die Warmmieten im Blick zu behalten und darauf zu achten, dass die Gesamtmieten sozial tragbar bleiben.

Wohnraumförderung in der Quartiersentwicklung ausbauen

Geförderter Wohnungsbau ist jedoch mehr als ein „Stück bezahlbarer Wohnung“ für Menschen mit kleinem Einkommen. Wir werden zukünftig das gesamte Quartier stärker in den Blick nehmen und die Wohnraumförderung als Instrument der Quartiersentwicklung ausbauen.

Wenn wir die soziale Spaltung der Städte verhindern wollen, brauchen wir für die Quartiere im Land je nach Problemlage und Handlungsbedarf unterschiedliche Maßnahmen zur Verbesserung der Angebote an bedarfsgerechtem, bezahlbarem Wohnraum. In den Wachstumsregionen brauchen wir zusätzliche Wohnungen durch den Bau neuer, sozial gemischter Wohnanlagen und Wohnquartiere. Auf den eher schrumpfenden Märkten werden wir Investitionsstrategien unterstützen, die Verbesserungen im Wohnungsbestand mit Blick auf die Quartiersentwicklung insgesamt entwickeln. Dazu gehören zukunftsfähige altersgerechte Wohnqualitäten, die eine hohe Versorgungssicherheit im Alter bieten, ebenso wie ein attraktives und sicheres Wohnumfeld, die Versorgung mit Angeboten an sozialer Infrastruktur, Einkaufsmöglichkeiten und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr zur Sicherung der Mobilität in allen Lebenslagen. Auch hier leistet die soziale Wohnraumförderung einen Beitrag dazu, dass die Mieten auch nach der Modernisierung bezahlbar bleiben können, um eine ausgewogenen soziale Mischung zu erhalten.

Auch Kommunen müssen ihren Beitrag leisten

Die wohnungs- und sozialpolitisch dringend gebotene Stärkung des sozialen Wohnungsbaus vor allem in den Wachstumsregionen werden wir aber nicht allein mit Landesfördermitteln beleben können. Auch die Kommunen müssen ihren Beitrag leisten, indem sie die Schaffung bezahlbaren Wohnraums als wichtiges stadtentwicklungspolitisches Ziel in ihren Planungen berücksichtigen. Mit anderen Worten: auch die Kommunen müssen sich zu klaren wohnungs- und sozialpolitischen Zielen bekennen und dafür sorgen, dass nicht nur Wohnungsbau im Hochpreissegment, sondern Wohnraum für alle sozialen Schichten und alle Einkommensgruppen entstehen kann.

Das ist nicht nur ein wichtiger Beitrag, um die soziale Mischung und den sozialen Frieden in unseren Städten zu sichern, sondern auch ein Gebot der Wirtschaftlichkeit. Die Kämmerer, die Grundstücke nur meistbietend verkaufen, um ihre Einnahmeetats zu erhöhen, oder die Stadtplanungs- und Bauämter, die Baurecht ohne Engagement für einen Anteil an bezahlbarem Wohnraum schaffen, treffen Entscheidungen, die nur für einen kurzen Moment „wirken“ und die eine nachhaltige Stadtentwicklung außer Acht lassen. Die erforderliche Alternative wäre, dass diese kurzfristigen Entscheidungen zukünftig verstärkt mit den Auswirkungen auf die Sozialetats in den Kommunen abgeglichen werden. Teure Wohnungen ziehen nur begrenzt Mieter mit hohen Einkommen an. Sie erhöhen jedoch in jedem Fall die Sozialetats, weil diese die Unterkunftskosten von Transfereinkommensbeziehern erhöhen. Die Alternative, dass diese bei ggf. zu hohen Wohnkosten ihre Wohnorte und Quartiere in Richtung Stadtrand oder in Nachbarstädte verlassen müssen, kann und darf keine wohnungs- und sozialpolitisch verantwortungsvolle Stadtentwicklungsstrategie sein.

Gemeinsame Ziele von Kommunen, Wohnungswirtschaft, Planern und Land für bezahlbaren Wohnraum sind wichtig

Wir brauchen zur Stärkung einer sozial orientierten Wohnungsbaupolitik und Quartiersentwicklung die vereinten Kräfte aller Beteiligten. Angesichts der erkennbaren begrenzten Einkommensentwicklung und zukünftig geringeren Renten wird der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum nicht abnehmen.

Wenn wir den Anspruch ernst nehmen, dass Alt und Jung, Arm und Reich in unseren Städten friedlich miteinander leben und wohnen können sollen, dann bedeutet das auch, dass wir alle daran arbeiten müssen, dies umzusetzen. Dazu gehören die Bereitstellung der notwendigen Wohnbaulandflächen ebenso wie sozial verantwortlich agierende Investoren und Wohnungsunternehmen, die Bereitstellung von Landesfördermittel und – last but not least – Planer und Planerinnen, die gute bauliche und soziale Wohnungsbauqualitäten zu bezahlbaren Kosten umsetzen.“

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW

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