Kommentar: "Gefragt: Echtes Teambuilding"

Die neue Landesregierung muss die Themen Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung, Verkehr und Wirtschaft eng verzahnen. - Kommentar von AKNW-Vizepräsidentin S. Crayen.

14. Juni 2022
Portrait Susanne Crayen
Dipl.-Ing. Architektin BDA Susanne Crayen - Foto: Markus Luigs

Liebe Kollegin,
lieber Kollege!

Nach den Plänen von Ministerpräsident Hendrick Wüst soll die neue Landesregierung Ende dieses Monats stehen. Jetzt, Mitte Juni, scheinen die Koalitionspartner von CDU und Grünen in ihren Verhandlungen erfolgreich voranzuschreiten. Eines zeichnete sich dabei schon ab: Die Ressortbildung in den Ministerien wird inhaltlich verbundene Themenbereiche wie Wirtschaft, Verkehr, Umwelt und Bauen auf verschiedene Ministerien aufteilen. Nachvollziehbarerweise, denn alles zusammen in einem Haus wäre kaum zu steuern.

Gleichwohl stellt diese organisatorische Trennung von inhaltlich so eng verbundenen Themenfeldern ein strukturelles Problem dar. Denn meine Erfahrung aus vielen Jahren berufspolitischer Arbeit zeigt mir, dass die Zusammenarbeit zwischen Ministerien (und oft auch zwischen Ressorts eines Hauses) zwar zu Beginn der Legislaturperiode beschworen wird, in der Arbeitspraxis aber schnell verloren geht. Umso mehr, wenn die Häuser auch noch von Führungspersonen unterschiedlicher politischer Couleur geleitet werden.
Dabei wäre es so wichtig, dass wir Bauen, Wohnen, Stadt- und Landesentwicklung mit den Bereichen Verkehr und Wirtschaft eng verzahnen, um die von uns immer wieder geforderte „Dreifache Innenentwicklung“ der Großstädte und Agglomerationen in NRW zu erreichen. Die Klimaschutzziele, deren Umsetzung alle seriösen Parteien im Landtagswahlkampf versprochen haben, können nur in einer engen Verbindung der genannten Ressorts mit einem Klima- oder Umweltschutzministerium erreicht werden.

Es wird also eine zentrale Aufgabe des bisherigen und wohl auch künftigen Regierungschefs unseres großen Bundeslandes sein, sein Regierungsteam zu einem echten Miteinander zu motivieren. Was in der Personalführungstheorie als gut zu beschreitender Weg erscheint, erweist sich in der politischen Praxis allerdings immer wieder als Strecke voller Stolpersteine. Und seien wir ehrlich: Das Phänomen des „Ressortdenkens“ kennen wir aus vielen Bereichen unseres menschlichen Miteinanders – von der sprichwörtlichen „Kirchturmpolitik“ der Kommunen bis zum Streit im Vereinsvorstand.
Auch in den deutschen Architektenkammern wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob alle vier vertretenen Fachrichtungen angemessen und zielführend miteinander umgehen und sich konstruktiv ergänzen. Was in den Gremien der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen reibungslos funktioniert, nämlich ein lebendiges Miteinander der Fachrichtungen, stellt sich in der Arbeitspraxis nicht allzu selten als ein Nebeneinander dar. Der Vorstand der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat deshalb Anfang Juni beschlossen, dass wir künftig regelmäßig spezielle Veranstaltungen auflegen werden, die auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Fachrichtungen fokussieren – so wie etwa bei gut auslobten Wettbewerben die Zusammenarbeit von Architektinnen und Architekten mit ihren Kolleginnen und Kollegen der Innenarchitektur, der Landschaftsarchitektur oder der Stadtplanung eingefordert wird.

Echtes Teambuilding ist gefragt. Nicht, weil es politisch opportun erscheint, sondern weil unsere immer komplexere gesellschaftliche Realität im Alleingang nicht mehr zu bewältigen ist. Diversität ist deshalb ein Gewinn – sei es in der Mischung der Geschlechter, der Generationen (die ersten Junior-Architektinnen und -Architekten konnten wir im Frühjahr aufnehmen!), mit Blick auf die Herkunft von Menschen oder ihre spezifischen fachlichen Schwerpunkte.
Echtes Teambuilding erfordert Offenheit und Mut. Es bringt aber immer einen Mehrwert.

Stärken wir die interdisziplinäre, fachrichtungsübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der Planungsbranche. Und fordern wir von der neuen Landesregierung ein Team-Play, das im Bereich des Planens und Bauens ressortübergreifend agiert und fachliche Expertise offensiv einbindet. Das wünscht sich, Sie herzlich grüßend,

Ihre Susanne Crayen

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