Gestaltungsbeiräte: Kompetenz entfaltet Überzeugungskraft
„Wie gelingt es, die Arbeit der Gestaltungsbeiräte immer wieder mit den Zielen Transparenz, Vertrauen und Wirksamkeit zu verbinden?“ Mit dieser Frage stieg Prof. Rolf-Egon Westerheide in den jüngsten Austausch der nordrhein-westfälischen Gestaltungsbeiräte ein. 2003 gab es 17 Gestaltungsbeiräte in NRW, heute sind es 61. „Es positives Signal für die städtebaulichen Diskurse im Lande, und ein wichtiger Beitrag zur Baukultur in Nordrhein-Westfalen“, betonte AKNW-Vizepräsidentin Susanne Crayen in ihrer Einführung in die Veranstaltung, zu der auf Einladung der AKNW am 7. Juli rund 40 Mitglieder von Gestaltungsbeiräten und Verantwortliche für Beiräte im „Haus der Evangelischen Kirche“ in Bonn zusammenkamen.
Eine Leitfrage des Treffens war, wie auch in kleineren Kommunen das Konzept und Angebot von Gestaltungsbeiräten operativ umgesetzt werden könnte.
Bonn: 8 Mitglieder, 12 Jahre, 140 Projekte
Helmut Wiesner, Stadtbaurat und Beigeordneter für Planung, Umwelt und Verkehr der Bundesstadt Bonn, engagiert sich seit knapp zehn Jahren im Gestaltungsbeirat der Bundesstadt Bonn. Laut der vom Rat im September 2013 beschlossenen Geschäftsordnung werden hier die Mitglieder jeweils für zwei Jahre bestellt, wobei die Mitgliedschaft auf drei Perioden begrenzt ist. Etwa 140 Projekte seien seitdem durch den Bonner Gestaltungsbeirat begleitet worden. Das Gremium berät Verwaltung und Politik gleichermaßen und tagt dreimal im Jahr in nicht-öffentlicher Sitzung, zudem einmal öffentlich. „Der Beirat hat breite Akzeptanz in Bonn gewonnen“, resümierte Stadtbaurat Helmut Wiesner. Ausschlaggebend dafür sei die große Expertise der Mitglieder des Gestaltungsbeirats und die Haltung, hauptsächlich städtebaulich prägende Projekte zu begleiten. „Wir achten strikt darauf, politische Fragen aus den Beratungen herauszuhalten“, unterstrich Helmut Wiesner. Wichtig sei zudem, die Themen möglichst frühzeitig in dem Gremium zu besprechen, bevor die politisch-mediale Debatte zu Vorfestlegungen im öffentlichen Diskurs führe.
Aus der praktischen Arbeit des Gestaltungsbeirats Bonn berichtete Prof. Eva-Maria Pape. Die Architektin ist seit sechs Jahren Mitglied des Gremiums und leitet den Gestaltungsbeirat aktuell. Zu den satzungsgemäßen Zielen gehöre die Förderung eines qualitätvollen und zukunftsfähigen Städtebaus. „Ich halte es für richtig, dass in Bonn viele wichtige Verfahren über klassische Wettbewerbe abgewickelt werden“, so Prof. Pape. Der Beirat befasse sich mit grundlegenden städtebaulichen Fragen, Masterplänen und Strategien und kommentiere auch große, stadtbildprägende Einzelbauwerke, führte Pape aus. Der Beirat sei interdisziplinär, fachlich hochrangig besetzt, was zu lebhaften, aber stets konstruktiven Diskussionen führe. „Fachlicher Disput gehört dazu, das ist für uns alle fruchtbar“, so Eva-Maria Pape. Um eine schnelle Rückkoppelung in die Politik zu gewährleisten, trifft sich der Bonner Gestaltungsbeirat in der Regel am Tag, an dem abends der Stadtplanungsausschuss tagt.
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Eine zentrale Fragestellung des Erfahrungsaustauschs war die Frage, inwieweit die Sitzungen der Gestaltungsbeiräte öffentlich stattfinden. In Soest etwa tagt der vierköpfige Gestaltungsbeirat grundsätzlich öffentlich, nachdem zuvor intern ein Meinungsbild der Gremienmitglieder erstellt wurde. Prof. Rolf-Egon Westerheide, der dort den Vorsitz hat, verwies auf die „besondere Debattenkultur“, die in Soest vorherrsche. Grundsätzlich herrschte in der Austausch-Runde Skepsis, ob öffentliche Sitzungen konstruktive Diskurse ermöglichen können – oder diese gerade verhindern. „Unsere Wirksamkeit ergibt sich aus der Fachkompetenz und der öffentlichen Kommunikation“, meinte Rolf Westerheide. Das Gremium müsse es schaffen, im Vortrag vor dem Planungs- bzw. Bauausschuss sowie ggf. in der öffentlichen Vermittlung Überzeugungskraft zu entfalten.
Gestaltung der Tagesordnung
Eine absolute Ausnahme ist es, dass ein Beirat selbst Projekte auf seine Tagesordnung setzt. „Mir ist auch keine Satzung bekannt, in der diese Möglichkeit stehen würde“, so Prof. Rolf Westerheide. In der Regel gibt die Verwaltung die Themen vor. „Das ist im Beirat der Stadt Moers auch so, denn die Mitglieder kommen allesamt nicht aus der Stadt und kennen die virulenten Projekte überhaupt nicht“, berichtete AKNW-Vorstandsmitglied Matthias Pfeifer aus der Stadt am Niederrhein.
Für den Gestaltungsbeirat Siegen erläuterte der Vorsitzende Thomas Knüvener, dass alle Projekte mindestens eine Woche vor der Sitzung eingereicht werden müssten und sich das Gremium dann in der Regel vormittags (vor der Sitzung) die Gegebenheiten vor Ort anschaue. „Dabei können wir uns auch schon informell austauschen und ein Meinungsbild erstellen.“
Der jüngste Gestaltungsbeirat wurde in diesem Jahr in Paderborn gegründet. „Zuvor hatten wir nur projektbezogene Beiräte einberufen“, berichtete die technische Beigeordnete Claudia Warnecke. Der Beirat, der mit externen Fachleuten besetzt ist, habe allerdings noch nicht getagt. „Ich wünsche mir, dass die Objekte freiwillig von den Bauherren zur Beratung eingebracht werden“, so Warnecke. Noch sei „das Eis sehr dünn“, sodass sich das Gremium im praktischen Doing schnell bewähren müsse.
Herausforderungen für die Beiräte
In der Diskussion wurden als die größten praktischen Herausforderungen für die Arbeit der Gestaltungsbeiräte in NRW folgende Punkte benannt: frühzeitige Beteiligung, Kommunikation und Akzeptanz.
Mehrere Vorsitzende von Gestaltungsbeiräten in NRW bedauerten in der Diskussion in Bonn die „Beratungsresistenz“ der Betroffenen. „Wir müssen allerdings bedenken, dass die Kolleginnen und Kollegen keine Erfahrung mit der Beiratsarbeit haben und teilweise jahrzehntelange Berufserfahrung aufweisen“, erinnerte Eckehard Wienstroer, stellvertretender Vorsitzender des Beirats in Kevelaer und viele Jahre Vorsitzender in Haan.
AKNW-Vorstandsmitglied Friedhelm Terfrüchte verwies auf die Bedeutung einer aktiven Kommunikation. Sein Gestaltungsbeirat in Xanten biete Presse- und Medienspaziergänge an, mit denen gute Projekte und die Beratungsergebnisse des Beirats öffentlich vermittelt werden könnten. „Das trägt dazu bei, Baukultur auch als Prozess zu vermitteln“, ergänzte Torsten Schneider von der Stadt Xanten.
In Aachen hat der Gestaltungsbeirat eigens die Veranstaltungsreihe „stadt.gestalten“ entwickelt, die zweimal im Jahr durchgeführt wird. „Wir tagen nicht-öffentlich und können auf diesem Weg ausgewählte Projekte aus der Arbeit des Gestaltungsbeirats darstellen“, erläuterte Jana Elsner, Referentin von Stadtbaurätin Frauke Burgdorff, das Konzept.
Während zwischen Beiräten und Verwaltungen insgesamt kaum Konflikte geschildert wurden, sahen die Teilnehmer*innen des Erfahrungsaustausches doch erhebliche Konfliktlinien zwischen ihrem Gestaltungsbeirat und der Investorenseite. Als Themen, die noch stärker in die Arbeit der Beiräte integriert werden sollten, nannten die Teilnehmenden Umbau/Weiterbau im Bestand, Gestaltung des öffentlichen Raumes, Klimaanpassung und Nachhaltigkeit sowie Beratung zu Qualifikationsverfahren (Wettbewerbe, Phase 0).
Boris Biskamp vom Gestaltungsbeirat Siegen, der auch Mitglied des AKNW-Ausschusses „Wettbewerb und Vergabe“ ist, unterstrich die Bedeutung von Wettbewerben für die Baukultur. „Wir müssen unseren Einfluss in den Beiräten nutzen, um vor Ort in den Kommunen für Wettbewerbe und qualitätssichernde Verfahren zu werben“, appellierte Biskamp an die Runde.
AKNW-Vizepräsidentin Susanne Crayen hob abschließend hervor, dass NRW mit unterdessen 61 Gestaltungsbeiräten bundesweit eine Vorreiterrolle einnehme. „Die durchweg positiven Berichte zeigen, dass wir diesen Weg weitergehen und ausbauen sollten.“
Gestaltungsbeiräte in NRW
Nicht aus konkurrierenden Verfahren wie etwa dem seit mehr als hundert Jahren bewährten Architektenwettbewerb, sondern aus Planungen von Investoren entstehen heute die meisten Bauprojekte. Da solche Vorhaben oftmals aufgrund ihrer Größe oder Bedeutung das Stadtbild prägen, stehen Kommunen regelmäßig vor der Herausforderung, auch in Fragen der Alltagsarchitektur zu einer anspruchsvollen Architekturqualität zu kommen.
In solchen Fällen kann das Instrument des Gestaltungsbeirats – vielfach auch Planungs- oder Stadtgestaltungsbeirat genannt – helfen, Politik und Verwaltung in architektonischer und städtebaulicher Hinsicht kompetent zu beraten; und damit indirekt auch die beteiligten die Planer*innen und Investor*innen. Auf diese Weise können Gestaltungsbeiräte zur Bewusstseinsbildung für anspruchsvolle Architektur, für städtebauliche Qualitäten und somit für eine lebenswerte Umwelt beitragen.
Nordrhein-Westfalen verfügt mit derzeit 61 aktiven Beiräten über eine im bundesweiten Vergleich hohe Dichte entsprechender Gremien– Tendenz steigend. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen organisiert seit 2003 regelmäßig Austauschformate und Netzwerktreffen für die Gestaltungs- und Planungsbeiräte in NRW, um den fachlichen Dialog unter den Akteurinnen und Akteuren sowie die Weiterentwicklung der Gremien insgesamt zu fördern.
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