Heinz-Günther Schulten (1930 - 2014): In der Tradition wurzelnde Avantgarde
Münster, Stadtgarten an der Clemenskirche: Ein von Lindenbäumen gerahmter hortus conclusus, Rasenflächen, die von niedrigen Hecken eingefasst sind, Beete mit Wechselbepflanzung. Mittig darin ein Rondell mit einem zentral gesetzten Kugelbrunnen, das mit zwei Reihen geschnittener Eiben und als Abschluss einem acht Meter hohen Obelisken aus Edelstahl eine zentrale Achse bildet. Der ruhige Stadtgarten in der kriegszerstörten Münsteraner Altstadt ist Reminiszenz traditioneller Gartenkunst und eine Neuinterpretation barocker Figuren zugleich. Geschaffen hat ihn Ende der 1980er Jahre der Landschaftsarchitekt Heinz-Günther Schulten, dessen Werk über Münster und Westfalen hinaus über Jahrzehnte hinweg wichtige Akzente gesetzt hat. Im November 2014 ist Heinz-Günther Schulten im Alter von 84 Jahren in einem Münsteraner Altenheim verstorben.
Zu den zentralen Werken von Heinz-Günther Schulten gehören auch die Freiraumanlagen des Märkischen Viertels in Berlin aus den 1960er Jahren. In den 1980er Jahren sorgten die Anlagen rund um die Frankfurter Messehallen, später der Garten der Indischen Botschaft in der Berliner Tiergartenstraße für Aufmerksamkeit. Zahlreiche exklusive Privatgärten, Freiraumanlagen gerade von Schulgebäuden, unter anderem in Düsseldorf, Münster, in Siegen (Gesamthochschule) und immer wieder in Berlin, wo Schulten über mehrere Jahre ein Büroniederlassung unterhielt, gehören zu einem Lebenswerk, das heute zu Unrecht in Vergessenheit zu geraten droht.
Heinz-Günther Schulten: „Ich baue Gärten, damit Gott sie von oben sehen kann“
1930 in Münster geboren, hatte Schulten zunächst eine Gärtnerlehre absolviert, bevor er in Hannover Landschaftsarchitektur studierte. Schulten arbeitete aber in jungen Jahren auch im Hochbau und war in der Architektenkammer auch als Architekt eingetragen. 1960 gründete er gemeinsam mit Heinz Esser, Ludwig Tiepelmann und Andreas Brandt das interdisziplinäre Planungsbüro SAL (Stadtplanung, Architektur, Landschaftsplanung), das bis heute besteht. Überblickt man die mehr als 40-jährige Tätigkeit, die zu einer Zusammenarbeit, manchmal auch Freundschaft mit Architekten wie Konrad Wohlhage, O.M. Ungers, Max Dudler oder Ulrich Findeisen führte, so zeigen die landschaftsarchitektonischen Arbeiten meist eine streng formale Handschrift, die den Kontrast der Materialien betonte, vielfach Betonelemente zum Einsatz brachte, aber auch auf das pflanzliche Material detaillierten Wert legte. Eine avantgardistische und intellektuelle Ausrichtung, das ließe sich vielleicht resümieren, hat in seinem Fall einer traditionellen, am Kunstcharakter des Gartens festhaltenden Haltung nicht widersprochen. „Ich baue Gärten, damit Gott sie von oben sehen kann“, hat Schulten einmal über seine Arbeit gesagt.
Vom Abstandsgrün zur Freiraumanlage
Die Freianlagen im Märkischen Viertel, mit denen Schulten bekannt wurde, waren im Gegensatz zum damals vorherrschenden Abstandsgrün in hohem Maße innovativ: Heckenstrukturen, auch Großbäume und ein differenziertes Bodenrelief schufen eine Vielzahl kleinerer Freiräume, die die Voraussetzung für eine mit den Jahren zunehmend geschätzte Aufenthaltsqualität bildeten. Die Teppichsiedlung in Münster (Architekt O. Rave), eine der ersten Siedlungen in Deutschland, die auf gemeinschaftlich genutzten Freiraum besonderen Wert legte, war nicht zuletzt durch den Einsatz von Betonfertigteilen auf der Höhe der Zeit. Im Fall der Außenanlage der indischen Botschaft (1999/2000) schuf Schulten ein Bild, das vom Kontrast der kugelförmig abgerundeten Eibenfiguren, dem Kies und den rötlichen Mauern des Botschaftsgebäudes lebt. Nicht zu vergessen sind auch die großen Anlagen der Schulanlagen des Oberstufenzentrums Hellersdorf, Hohenschönhausen und die der Gesamtschule am Kikweg in Düsseldorf-Eller.
Lehrauftrag am Lehrstuhl für Städtebau der TU Dortmund
Bis Ende der 1990er Jahre war Schulten als Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Städtebau der TU Dortmund tätig. In 2004, dem Jahr, in dem Schulten einen Schlaganfall erlitt, hat schließlich Stephan Bracht, seit 2001 Büropartner von Schulten, dessen Nachfolge bei der SAL übernommen. Er führt als Landschaftsarchitekt das mittlerweile nur noch in Münster ansässige Büro ausschließlich als reines Landschaftsarchitekturbüro bis heute erfolgreich weiter.
Teilen via