Hinweisgeberschutzgesetz: Auch für Architekturbüros von Relevanz

Das Hinweisgeberschutzgesetz ist im Bundesgesetzblatt verkündet worden und tritt am 2. Juli 2023 in Kraft.

28. August 2023von Dr. jur. Volker Steves

Nun ist es so weit. Das Hinweisgeberschutzgesetz (=HinSchG) ist am 2. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und tritt am 2. Juli 2023 in Kraft. Der deutsche Gesetzgeber hat damit die sog. „EU-Whistleblower-Richtlinie“ (Richtlinie (EU) 2019/1937) umgesetzt. Nachdem der ursprüngliche Entwurf im Februar 2023 im Bundesrat gescheitert war, konnten sich Bund und Länder im Vermittlungsausschuss nunmehr auf eine geänderte Fassung des Gesetzes verständigen.Anders als noch der ursprüngliche Entwurf sieht das Gesetz in der jetzigen Fassung keine Verpflichtung der Meldestelle mehr vor, auch anonymen Meldungen nachzugehen. Das Gesetz hat auch Relevanz für Architekturbüros – je nach Größe des Büros in unterschiedlicher Intensität.

Das Gesetz dient vornehmlich dem Schutz von natürlichen Personen, welche im Zusammenhang mit ihren beruflichen Tätigkeiten Informationen über Verstöße erlangt haben und diese den im Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Fällt die Meldung in den Schutzbereich des Gesetzes, dann sind jegliche Repressalien gegen die hinweisgebende Person (=sog. Whistleblower) verboten. Unternehmen – ab einer gewissen Größe - und Behörden sind verpflichtet, sichere Kanäle für die Meldung von Verstößen einzurichten.

Der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes ist in § 2 geregelt. Dort werden die Vorschriften aufgeführt, bei deren Verstoß der Schutzbereich des Gesetzes eröffnet ist. Zu nennen sind hier vornehmlich Verstöße gegen sämtliche Strafvorschriften (§ 2 I Nr. 1) sowie solche Bußgeldvorschriften, welche dem Schutz von Leben, Leid oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen (§ 2 I Nr. 2). Letztgenannte Regelung ist weit zu verstehen. Zu den „einschlägigen“ Bußgeldvorschriften gehören z.B. alle Bußgeldvorschriften des individuellen oder kollektiven Arbeitsrechts.

Dass die hinweisgebende Person gem. § 1 I ihre Kenntnis vom Verstoß „im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit“ erlangt haben muss, schränkt den Anwendungsbereich des Gesetzes nur insoweit ein, als dass „die Meldung oder Offenlegungen von Informationen über privates Fehlverhalten, von dem die hinweisgebende Person im beruflichen Zusammenhang erfährt, das aber keinen Bezug zur beruflichen Tätigkeit hat“, nicht geschützt wird (BT-Drucks. 20/3442, S. 57).

Hat die hinweisgebende Person den Verstoß gegen eine in § 2 aufgeführte Vorschrift an eine der im Gesetz vorgesehenen Meldestellen gemeldet oder den Verstoß unter Berücksichtigung der in § 32 genannten Voraussetzungen offengelegt, dann sind jegliche Repressalien – also jegliche „Vergeltungsmaßnahmen“ für die Meldung oder Offenlegung – gem. § 36 I verboten.

Das Verbot von Repressalien gilt gem. § 33 II Nr.2 auch dann, wenn sich die gemeldete oder offengelegte Information als unwahr herausstellt, die hinweisgebende Person aber zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen. „Nachlässigkeit“ kann die hinweisgebende Person hier teuer zu stehen kommen. Sie ist gem. § 38 zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen entsteht.  

Der Schutz vor Repressalien wäre nur unvollkommen, wenn man das Verbot nicht durch eine Beweislastregelung zugunsten der Hinweisgebers flankieren würde. Schließlich kann der Arbeitgeber etwa im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens immer behaupten, dass die Kündigung in keinem Zusammenhang mit dem Hinweis des Beschäftigten steht und daher keine Repressalie darstellt. Würde man jetzt dem Beschäftigten die Beweislast für das Vorliegen einer Repressalie auferlegen, dann bliebe er vermutlich in vielen Fällen beweisfällig. In der Praxis bereitet der Nachweis eines Zusammenhanges zwischen der Kündigung und dem Hinweis erfahrungsgemäß Schwierigkeiten.

§ 36 belässt es daher auch nicht bei dem Verbot von Repressalien, sondern sieht darüber hinaus in Abs. 2 vor, dass zugunsten des Hinweisgebers vermutet wird, dass es sich bei einer „Benachteiligung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit“ um eine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung der Information handelt. Wenn der Hinweisgeber das Vorliegen einer Repressalie behauptet, dann muss die den Hinweisgeber benachteiligende Person – z. B. der Arbeitgeber im Fall einer Kündigung - beweisen, dass die Benachteiligung „auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte“.

Welche Meldestellen stehen der hinweisgebenden Person zur Verfügung?

Das Gesetz sieht grundsätzlich zwei Meldestellen vor – eine externe Meldestelle gem. §§ 19 f. und und – sofern das private Unternehmen eine bestimmte Größe aufweist - eine interne Meldestelle gem. §§ 12 f..

Der Gesetzgeber verpflichtet in § 19 I das Bundesamt für Justiz, eine Stelle für externe Meldungen einzurichten. Die externe Meldestelle des Bundes ist gem. § 19 IV für jeden Hinweis im Sinne des Gesetzes zuständig, sofern nicht gem. §§ 20 – 23 die besondere Zuständigkeit einer anderen externen Meldestelle angeordnet wird. Gem. § 24 III müssen die externen Meldestellen in „einem gesonderten, leicht erkennbaren und leicht zugänglichen Abschnitt ihres Internetauftritts“ die Voraussetzungen für den Schutz nach Maßgabe des Hinweisgeberschutzgesetzes und u.a.  auch ihre Erreichbarkeit veröffentlichen. Die externen Meldestellen können gem. § 29 I nach pflichtgemäßem Ermessen Auskünfte von den betroffenen natürlichen Personen, von dem betroffenen Beschäftigungsgeber, von Dritten sowie von Behörden verlangen.

Als weitere Folgemaßnahmen kommen gem. § 29 II u.a. noch in Betracht,

  • die hinweisgebende Person an andere zuständige Stellen zu verweisen,
  • das Verfahren aus Mangel an Beweisen abzuschließen oder
  • das Verfahren an eine zuständige Behörde zwecks weiterer Untersuchungen abzugeben.  

Beschäftigungsgeber mit jeweils in der Regel mindestens 50 Beschäftigten haben gem. § 12 I die Pflicht, eine Stelle für interne Meldungen einzurichten und zu betreiben, an die sich Beschäftigte wenden können. Diese interne Meldestelle steht dem Hinweisgeber dann zusätzlich zur externen Meldestelle zur Verfügung.

Gem. § 7 I kann die hinweisgebende Person wählen, an welche Stelle sie sich wenden möchte.

Interne Meldestellen müssen gem. § 16 Meldungen in mündlicher oder in Textform – z.B. schriftlich oder per E-Mail – ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auf Wunsch der hinweisgebenden Person muss es auch möglich sein, innerhalb eines angemessenen Zeitraums Hinweise in einem persönlichen Treffen zu besprechen.  Mit Einwilligung der hinweisgebenden Person kann die Zusammenkunft auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

Gem. § 16 I sollte – nicht: muss - die interne Meldestelle auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Es besteht keine Verpflichtung, die Meldekanäle so auszugestalten, dass die Abgabe anonymer Meldungen möglich ist.  

§ 17 sieht bei internen Meldungen das folgende Verfahren vor:

  • Bestätigung – gegenüber der hinweisgebenden Person - des Einganges der Meldung spätestens nach 7 Tagen
  • Prüfung, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich nach § 2 fällt
  • Aufrechterhaltung des Kontaktes mit der hinweisgebenden Person
  • Prüfung der Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung
  • Sofern erforderlich: Ersuchen der hinweisgebenden Person um weitere Informationen
  • Rückmeldung innerhalb von drei Monaten nach Bestätigung des Eingangs der Meldung: Mitteilung geplanter oder bereits ergriffener Folgemaßnahmen

Als Folgemaßnahmen kann die interne Meldestelle gem. § 18 insbesondere ergreifen:

  • Interne Untersuchungen bei dem Beschäftigungsgeber
  • Verweis der hinweisgebenden Person an andere zuständige Stelle
  • Abschluss des Verfahrens aus Mangel an Beweisen
  • Abgabe des Verfahrens zwecks weiterer Untersuchungen an eine zuständige Behörde

Besondere Bedeutung beim „Umgang“ mit den Meldungen kommt dem „Vertraulichkeitsgebot“ gem. § 8 zu. Sowohl die internen als auch die externen Meldestellen haben die Anonymität der hinweisgebenden Person, der Personen, welche Gegenstand einer Meldung sind, sowie der sonstigen in der Meldung genannten Personen zu wahren. Die Identität der v.g. Personen darf ausschließlich den Personen bekannt sein, welche für die Entgegennahme von Meldungen oder für das Ergreifen von Folgemaßnahmen zuständig sind. Das „Vertraulichkeitsgebot“ erfordert somit die Einführung einer entsprechenden personellen Struktur im „Umgang“ mit einer Meldung sowie regelmäßig auch die Einrichtung einer digitalen Struktur, bei welcher sichergestellt ist, dass nur die in § 8 aufgeführten Personen Zugriff auf den Inhalt von eingehenden Meldungen haben. Eine im Betrieb von vielen Personen einsehbare E-Mail-Adresse (z.B. info@architekturbüro.de) genügt diesen Anforderungen nicht.

Fazit

Das Hinweisgeberschutzgesetz ist für sämtliche Mitglieder des Berufsstandes von Relevanz. Auch kleine und mittelständische Architekturbüros – mit weniger als 50 Beschäftigten – sind vom ihm betroffen. Zwar müssen diese keine interne Meldestelle einrichten, jedoch können sie jederzeit mit den beschriebenen Maßnahmen der externen Meldestelle konfrontiert werden. Darüber hinaus gelten die „Kernregelungen“ des Hinweisgeberschutzgesetzes – das Verbot von Repressalien und die Beweislastumkehr gem. § 36 sowie die Regelungen zum Schadenersatz gem. §§ 37, 38 – für sämtliche Beschäftigungsgeber - unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten.

Sind für das Büro in der Regel mindestens 50 Beschäftigte tätig, dann muss das Büro bzw. der Beschäftigungsgeber eine „interne“ Meldestelle einrichten. Zu den „Beschäftigten“ gehören gem. § 3 VIII neben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern u.a. auch die „zur ihrer Berufsausbildung Beschäftigten“ sowie „Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen“ sind. Es lässt sich bereits jetzt absehen, dass es vor allem wegen der mangelnden Präzision der Umschreibung des zuletzt genannten Personenkreises („arbeitnehmerähnliche Personen“) in vielen Fällen zu Unsicherheit kommen wird, ob ein Beschäftigungsgeber zur Einrichtung einer internen Meldestelle verpflichtet ist oder nicht.

Erleichterung bringt § 14: Mit der Einrichtung einer internen Meldestelle kann ein „Dritter“ beauftragt werden. Der Beschäftigungsgeber kann somit die Aufgaben der Meldestelle auf externe Anbieter „auslagern“. Mehrere private Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten dürfen für die Entgegennahme von Meldungen und für die weiteren in dem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen auch eine gemeinsame interne Meldestelle einrichten.

Dass man die Vorgaben des Gesetzes ernstnehmen sollte, zeigt sich in der Bußgeldregelung des § 40.

Dort werden u.a. Verstöße gegen das Verbot von Repressalien sowie die Nicht-Einrichtung einer internen Meldestelle als eine Ordnungswidrigkeit klassifiziert, welche mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro bzw. 20.000 Euro geahndet werden kann.

Erfreulicherweise sieht das Gesetz Übergangsregelungen vor: Obgleich das Hinweisgeberschutzgesetz bereits am 2. Juli 2023 in Kraft tritt, müssen gem. § 42 I private Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten ihre internen Meldestellen erst ab dem 17. Dezember 2023 einrichten.

Für jene Beschäftigungsgeber, welche nicht unter die v.g. Privilegierung fallen, sieht § 42 II immerhin vor, dass die Regelung zur Bußgeldpflichtigkeit der Nicht-Einrichtung einer internen Bußgeldstelle erst ab dem 1. Dezember 2023 anzuwenden ist.

Für weitere Hinweise im Umgang mit den Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes wird verwiesen auf  www.ihk.de

Teilen via