HOAI: Berlin zieht Entwurf zur Novellierung zurück
Die eindringlichen und umfassenden Protestaktionen der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und ihrer Mitglieder sowie der Kammern und Verbände bundesweit gegen die geplante Novellierung der HOAI waren von Erfolg gekrönt: Wie der nordrhein-westfälische Bauminister Oliver Wittke am 29. Mai auf dem NRW-Architektentag in Düsseldorf bekannt gab, ist man im Bundeswirtschaftsministerium dazu bereit, den vorliegenden Entwurf zur Novellierung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure zurückzuziehen. Stattdessen soll eine grundlegende Überarbeitung zu einem neuen Entwurf führen, der vor Kabinettsbefassung mit den Repräsentanten des Berufstandes erörtert werden soll. „Wir haben mit unseren Protestaktivitäten, an denen sich viele Mitglieder beteiligt haben, einen beachtlichen Teilerfolg erzielt“, urteilte AKNW-Präsident Hartmut Miksch in seiner Rede vor dem NRW-Architektentag in der Düsseldorfer Rheinterrasse. „Was jetzt kommt, ist aber ebenso wichtig!“
Über 500 Architektinnen und Architekten aus ganz Nordrhein-Westfalen kamen am 29. Mai nach Düsseldorf, um gegenüber der nordrhein-westfälischen Landespolitik ihre Empörung über den Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums vom Februar 2008 zum Ausdruck zu bringen und um ein deutliches Signal des Protestes von Düsseldorf aus nach Berlin zu senden.
„Wir fordern eine zukunftsfähige Honorarordnung, die sicher stellt, dass über Planungsleistungen in Deutschland auch weiterhin nach Qualität und nicht allein über den Preis entschieden wird“, betonte Hartmut Miksch, der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Auch nach dem „Rückzieher“ aus Berlin dürfe jetzt nicht der Druck aus dem Kessel gelassen werden: „Wir werden darauf drängen, dass bei der Erarbeitung eines neuen Novellierungskonzeptes diesmal wirklich die Fachkenntnis der Architekten und Ingenieure eingebunden wird.“ Miksch: Einbindung der Architektinnen und Architekten unverzichtbar!
Der erste Entwurf habe deutlich gezeigt, dass im Bundeswirtschaftsministerium die Fachkenntnis von der täglichen Arbeit der planenden Berufe in Deutschland gefehlt habe. Miksch hob hervor, dass ein solches Vorgehen in Nordrhein-Westfalen undenkbar wäre. "Ich bin sehr froh, dass wir uns in NRW stets gut und intensiv mit der Landesregierung und vor allem mit unserem Bauminister austauschen können."
Auch NRW-Bauminister Oliver Wittke unterstrich die Bedeutung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure.
Vor den 500 Teilnehmern des Architektentages machte Wittke deutlich, dass er vor allem darüber enttäuscht gewesen sei, dass die Autoren des Referentenentwurfs aus Berlin „noch nicht einmal den Versuch unternommen haben, mit den Betroffenen ernsthaft zu sprechen“. Für den neuen Anlauf müsse nun gelten: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Hartmut Schauerte, der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, habe angekündigt, den neuen Novellierungsentwurf noch vor der Sommerpause abstimmen zu wollen. Dies sei ein kaum zu realisierender Zeitplan, meinte der nordrhein-westfälische Minister für Bauen und Verkehr. Wittke: Anpassung der Honorare mehr als überfällig
Oliver Wittke betonte, im Zuge der Novellierung der HOAI müssten nun dringend die Honorare angepasst. werden. „Ich kenne keine andere Berufsgruppe, deren Vergütung seit 12 oder 13 Jahren nicht mehr gestiegen ist“, erklärte Wittke. Als Vorsitzender der Bundesbauministerkonferenz könne er zudem erklären, dass auch dieses Gremium hinter den Forderungen der deutschen Architektenschaft stehe. Alle NRW-Parteien unterstützen die Forderungen der AKNW
Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hatte zu ihrem Architektentag auch Spitzenpolitiker der nordrhein-westfälischen Landtagsfraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen eingeladen. In einer Podiumsdiskussion, die der WDR-Moderator Tom Hegermann leitete, wurde schnell deutlich, dass sich alle Parteien grundsätzlich den Forderungen der NRW-Architektenschaft nach einer zukunftsfähigen Novellierung der HOAI anschlossen.
"Unsere Architekten und Ingenieure genießen für ihre Leistungen weltweites Renommee", hob Bernd Schulte, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU hervor. "Es gibt keinen Grund, das auf dem Altar der internationalen Nivellierung zu opfern." Für die SPD machte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Rainer Schmeltzer deutlich: "Wir wollen eine echte Honorarerhöhung für unsere Architekten und Ingenieure."
Sylvia Löhrmann, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im NRW-Landtag, betonte, der Bereich der Planungsleistungen und der Qualitätssicherung der Ausführung dürfe nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden. „Es ist richtig, dass die Gesellschaft über den Staat hier steuernd eingreift, um Bauqualität und Baukultur zu ermöglichen und zu sichern.“ Für die FDP erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christof Rasche, es müssten sich nun alle Beteiligten an einen Tisch setzen. "Die HOAI-Novelle muss jetzt kommen, und zwar möglichst schnell!" Düsseldorfer Signal nach Berlin
Der NRW-Architektentag sandte ein deutliches Signal von Düsseldorf nach Berlin: In einer Resolution forderten die Architektinnen und Architekten, dass nun zeitnah ein neuer Novellierungsentwurf durch das Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet werden müsse, der die Interessen der Architekten und Bauherren gleichermaßen berücksichtigen, eine Anpassung der Honorare vorsehen und im europarechtlichen Zusammenhang langfristig Bestand haben müsse.
Der lang anhaltende, akklamatorische Applaus und die hohe Teilnehmerzahl am NRW-Architektentag bestätigten noch einmal eindrucksvoll, dass die Novellierung der HOAI eine Frage von existenzieller Bedeutung für die Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner in NRW und in Deutschland ist.150 NRW-Architekten im Landtag
Schon am Mittag des 29. Mai hatten sich rund 150 Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftarchitekten und Stadtplaner auf den Weg nach Düsseldorf gemacht, um an der öffentlichen Sitzung des Landtagsausschusses für Bauen und Verkehr teilzunehmen. Sie verdeutlichten auch hier gegenüber den politischen Repräsentanten die fundamentale Bedeutung, die sie einer angemessenen Novellierung ihrer Honorarordnung beimessen.Werte in der Marktwirtschaft
Der nordrhein-westfälische Architektentag befasste sich nicht nur mit der tagesaktuellen Diskussion um die HOAI, sondern auch mit grundsätzlichen Fragen zur Bedeutung der Honorarordnung für die Architekten und für die Gesellschaft. In einem viel beachteten Beitrag reflektierte Prof. Dr. Ferdinand Rohrhirsch von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt über die ethischen Grundfragen einer Wirtschaft im Wandel.
Die Beschleunigung der Marktprozesse, der Kommunikation und der Warenproduktion sei eines der markantesten Kennzeichnen der gegenwärtigen Wandlungsprozesse. „Man kann tatsächlich vieles schneller leisten“, so Prof. Rohrhirsch, „doch die wesentlichen Dinge des Lebens gehören nicht dazu.“ Man könne weder schneller denken, lieben noch wohnen. Den Menschen Wohnungen zu geben, sei eben nicht zu verwechseln mit der Aufgabe eines Brötchenproduzenten - „sonst behandeln wir die Menschen nicht als Wohnende, sondern eher als Insassen einer standardisierten Behausungseinheit.“
Rohrhirsch definierte den Markt als einen besonderen Raum innerhalb der Gesellschaft, der Austausch in vielerlei Hinsicht ermögliche: Waren würden hier ebenso gehandelt wie Gedanken. „Wo Menschen aber mit- und aneinander handeln, kann es keinen ethikfreien Raum geben.“ Architekten und Politiker hätten in gleicher Weise die Aufgabe, ethisch orientierte Räume zu gestalten - seien es nun Wohnungen oder Märkte.
Statistiken zeigen: Honorarerhöhung ein wirtschaftliches Muss
Den Markt für Architekten analysierte in seinem Vortrag Dr. Willi Oberlander vom Institut für Freie Berufe (IFB) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er konzentrierte sich auf die Frage, wie sich die wirtschaftliche Realität für die rund 30.000 Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner in Nordrhein-Westfalen darstellt. „Viele der nordrhein-westfälischen Architekturbüros arbeiten am Rande oder unterhalb der Wirtschaftlichkeitsgrenze“, stellte Oberlander fest.
So sei die Zahl der freischaffenden Architekten von 1996 bis 2006 von 8.744 auf 11.555 gestiegen; zugleich habe die Zahl der steuerpflichtig beschäftigten Architektinnen und Architekten signifikant abgenommen. „Die Mehrzahl der neuen Freischaffenden hat sich wohl nicht auf freiem Entschluss in die Selbstständigkeit begeben, sondern aus einer Notlage heraus“, vermutete der Chef des IFB. Diese These werde auch durch die Zahl der Insolvenzen gestützt, die allein für das Jahr 2004 in Nordrhein-Westfalen bei 300 gelegen habe.
Eine signifikante Zahl auch der „steuerbare Umsatz“ der Architekturbüros in NRW in Euro: Lag diese 1996 noch bei 2,05 Mrd. Euro, so sank der Wert bis 2006 auf 1,54 Mrd. Euro. Die Überschüsse in Architekturbüros mit bis zu vier Beschäftigten lagen 2006 in NRW pro Inhaber bei rund 35.000 € - bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 54 Stunden. Diese und weitere statistische Zahlen führten Dr. Willi Oberlander zu der Aussage: „Die Auswertung der Kostenermittlungen zeigen, dass eine Anhebung der Honorartafeln dringend notwendig wird.“
HOAI: Sicherheit für private Bauherren
Einen dritten Ansatzpunkt für die Einschätzung der Bedeutung der HOAI führte der Vorsitzende des Verbandes Privater Bauherren, Dipl.-Ing. Thomas Penningh, in die Diskussion ein. Unter dem Titel „Verbraucher schützen - HOAI wahren“ legte er dar, warum gerade der „kleine Bauherr“, der vielleicht nur einmal im Leben ein Planungs- und Bauprojekt durchführt, auf den Schutz der Honorarordnung angewiesen sei.
„Transparenz und Sicherheit werden heute für Verbraucher immer wichtiger“, meinte Penningh. Die Skandale der jüngsten Zeit um Gammelfleisch, verseuchtes Spielzeug und gefälschte Kleidung hätten die Verbraucher in gleicher Weise verunsichert und sensibilisiert. „Im Planungs- und Baubereich ist die Honorarsicherheit ein hohes Vertrauensgut“, urteilte der Vorsitzende des Verbandes Privater Bauherren. „Die HOAI bietet Sicherheit über die Kosten der Planungsleistungen.“
Auch Thomas Penningh sprach sich für eine Vereinfachung der Honorarordnung aus, die für Laien verständlicher werden müsse. „Auch als Vertreter privater Bauherren muss ich feststellen: Die Honorare müssen angehoben werden“, erklärte der Vorsitzende des VPB. Eine „billige Planung“ sei eben auch eine schlechtere Planung, die im Zweifelsfall zu Bauschäden und Mängeln führe. Diese Gefahr sei umso größer, wenn die Bauleitung nicht durch kompetente Fachleute durchgeführt werde. „Die Leistungsphasen 6 - 9 sind für die Qualität von ganz großer Bedeutung - für die Sicherstellung der Qualität der Ausführung ebenso wie für die Einhaltung von Zeit- und Kostenplänen.“
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