Internationale Kooperation:

Internationale Kooperation: Baustellen für eine nachhaltige Entwicklung

„Studenten bauen für Studenten“ - unter diesem Motto haben Studierende und Hochschulmitarbeiter der Universitäten Aachen und Siegen im vergangenen Jahr mit Unterstützung der Stiftung Deutscher Architekten zwei Häuser für die Universität de Kasayi in der demokratischen Republik Kongo erbaut. Ein Projekt, das von der Vision geleitet war, einen Beitrag zur wirtschaftlichen und soziokulturellen Stabilisierung einer bislang vernachlässigten Region im Herzen Afrikas zu leisten - und zugleich einen interkulturellen Austausch zwischen kongolesischen und deutschen Architekten und Studierenden anzuregen. Seit der Grundsteinlegung hat sich das Projekt kontinuierlich weiter entwickelt. Projektbeteiligte, die unter der Leitung von Prof. Rolf-Egon Westerheide (RWTH Aachen) vor Ort im Einsatz waren, berichten.

15. Oktober 2011von Prof. Dipl.-Ing. Rolf-E. Westerheide

„In nur einem Monat haben wir im Frühjahr 2010 das scheinbar Unmögliche vollbracht: Zwei Häuser für die Universität du Kasayi zu errichten. Stolz waren wir, als wir nur kurze Zeit später von Europa aus via Internet entdeckten, dass Google Earth unsere Arbeit bereits abgebildet hatte. Jeder konnte nun sehen, was wir geschafft haben!

Im vergangenen Jahr ist vor Ort im Kongo viel geschehen. Die ‚Homes‘ für die Studenten wurden bezogen. Und manches wurde weiter entwickelt. Unsere Idee, den schönen Maniokzementputz in Erdfarbe sichtbar zu lassen, wollten die kongolesischen Studenten und Professoren nicht akzeptieren. Sie strichen nach kurzer Absprache mit uns die Fassade hellblau. ‚Das schützt vor heftigen Witterungseinflüssen und bringt mehr Farbe auf den Campus‘, fanden unsere afrikanischen Partner.

Die architektonischen Auffassungen sind nach wie vor sehr unterschiedlich. Ein Zitat eines nun schon in einem Stuttgarter Büro arbeiteten ehemaligen Diplomanden bringt das auf den Punkt: ‚Unsere ästhetische Vorstellung zur architektonischen Gestalt steht oft einer eher auf den Nutzungsaspekt fokussierten Haltung der Kongolesen gegenüber.‘ Diese Herausforderungen müssen wir als externe Architekten und Stadtplaner annehmen: Schöne Architektur zu gestalten, die dann Identität schafft und gleichzeitig ein Höchstmaß an Dauerhaftigkeit und Funktionalität erfüllt. Und dieses entsprechend zu kommunizieren.

Im November 2010 hat uns der plötzliche Tod unseres langjährigen Freundes und Rektors der Universität du Kasyayi, Prof. Jean Nyeme Tese, tief getroffen. Tilman Stetter, einer unserer Absolventen, war direkt bei ihm zu Gast und überbrachte uns die schreckliche Nachricht. Er war von Oktober bis Februar 2011 in Kasayi, um dort einen von unserem Institut in Aachen und einem kongolesischen Ingenieur entworfenen Masterplan für die Universität in Tschumbe (einer der drei Unistandorte, die neu im Kasayi aufgebaut werden sollen) dem Gelände anzupassen. Die kongolesische Regierung will diesen Ausbau finanziell unterstützen. Die in diesem Jahr startende ‚Haute École de construction et d’architecture‘, deren Programm in enger Zusammenarbeit zwischen der kongolesischen Uni und der RWTH Aachen/Institut für Städtebau entwickelt wurde, soll helfen, mit curricularer und personeller Unterstützung aus Aachen die diversen ambitionierten Bau- und Entwicklungsvorhaben auf den Weg zu bringen. Nach dem Tod des Rektors besuchten Bischöfe, Ingenieure und Professoren aus dem Kongo Deutschland. Wir sind zuversichtlich, dass diese Partnerschaft im Bildungs- und Baubereich eine Schlüsselrolle im Aufbau eines noch stark unterentwickelten Landes spielt.

Die neue Studentengeneration aus dem Kasayi ist das eigentliche Kapital einer dem Menschen verpflichteten Entwicklung. Die Chance zum Aufbau dieser Bausteine sollten unsere Hochschulen, DAAD, Verbände und Institutionen auch zukünftig unterstützen.

Zur besonderen Rolle des neuen Campus‘ in Tschumbe muss gesagt werden, dass hier abseitig der blutigen Herrschaft unter Leopold II. Anfang des 20.Jahrhunderts hauptsächlich christliche Missionierung und ein Aufbau des Bildungswesens betrieben wurde. Die Missionare bauten Schulen mit einer überdurchschnittlichen Qualität. Der berühmte Befreier der Kongolesen, Patrice Lumumba, der das Kolonialregime beendete, wurde hier ausgebildet. Uns spornte diese Tradition an, um dort einen würdigen, heutigen Erfordernissen entsprechenden Unistandort mit Verpflichtung zur gesellschaftlichen Erneuerung zu begleiten.

Unser Masterplan und die einzelnen Baufelder sind so angelegt, dass um einen öffentlichen, ovalen Platz locker gruppierte, gut durchlüftete 1-2-geschossige Gebäudekomplexe eine neue Identität schaffen sollen. Dieser Masterplan wurde bis auf die Ebene des Wissenschaftsministeriums als Grundlage für zukünftige Bauprojekte angelegt.“ Lebendige Erfahrungen und starke Impulse für das Studium 

Persönliche Erfahrungen, die vor Ort im gemeinsamen Planen und Bauen gemacht wurden, haben bei den Projektbeteiligten eine nachhaltige Prägung hinterlassen.

  • Kathrin Hermanns, Masterstudentin aus Aachen:
    „Mit minimaler technischer Ausstattung, einem spärlichem Angebot an Baumaterialien und ohne Elektrizität mussten wir Kreativität beweisen, um die Aufgabe des Bauens zu bewältigen. Die Gruppendynamik und Teamarbeit unter extremen Bedingungen hat mir für mein Studium starke Impulse und gutes Rüstzeug für meinen Beruf gegeben.“ (Foto r.)
  • Veit Knickenberg, Absolvent Dipl.-Ing. aus Aachen: 
    „In Aachen ist es üblich, alles zunächst einmal zu kritisieren. Nichts ist gut genug. Veränderungen werden grundsätzlich erst mal verrissen. Die kongolesischen Studenten sind in diesem Punkt ganz anders. An der neuen Uni spürt man, dass die Denkweise stärker durch ethische, soziale und religiös-kulturelle Werte geprägt ist. Sie sind sehr stolz darauf, überhaupt studieren zu können. Insgesamt eine Erfahrung, die nachhaltig wirkt.“ (Foto l.)
  • Tilman Stetter, Dipl.-Ing. aus Aachen:
    „Neben den Arbeiten am Campus war ich als Planer Ansprechpartner für verschiedenste technische Fragen, wie z. B. die Positionierung eines Wasserturmes, das Aufmaß des Presbyteriums für eine amerikanische NGO, die sich um eine Sanierung des Gebäudes kümmern möchte, den Möglichkeiten zum Eindämmen von Erosionstrichtern, den Straßenbau und vieles mehr. All dies sind die Zeichen für den enormen Bedarf an (bau-)technischen Fachkräften, der durch die Ansiedlung einer Baufakultät behoben werden könnte.“

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