6. Internationaler Architektur-Kongress im Rahmen der DEUBAU zum Thema „Neues Bauen mit Stahl“

Internationaler Architektur-Kongress "Neues Bauen mit Stahl": Spannweiten, Strukturen, Visionen

„Unser Stahlbaukongress findet seit zehn Jahren parallel zur DEUBAU-Messe statt und ist längst ein Markenzeichen geworden.“ Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, griff in seiner Begrüßung zum 6. Internationalen Architektur-Kongress in Essen nicht zu hoch. Denn nicht nur die rund 1.000 Kongressteilnehmer bestätigten das große Interesse an der Thematik „Neues Bauen mit Stahl“; auch die Bereitschaft renommierter Architekten aus verschiedenen europäischen Ländern, im Rahmen des Fachkongresses der Architektenkammer NRW, des Stahl-Informations-Zentrums und des Industrieverbandes Feuerverzinken über neue Bauten und Konzepte zu referieren, war ein eindrucksvoller Beleg für das Renommee, das der Veranstaltung mittlerweile zugesprochen wird.

19. Januar 2012von Christof Rose

„Stahl ist ein wertvoller Baustoff, der innovative Planungskonzepte ermöglicht und bei der Entwicklung zukunftsweisender, Ressourcen schonender Bauweisen eine wichtige Rolle spielt“, hob AKNW-Präsident Hartmut Miksch in seiner Begrüßung hervor. Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, betonte in seinem Eröffnungsstatement, dass in  vielen Stahlkonstruktionen heute schon höherfeste Stähle eingesetzt würden: „Die Erhöhung der Tragfähigkeit reduziert den Materialverbrauch deutlich, ermöglicht größere Spannweiten und damit wirtschaftlichere Lösungen.“

Aspekte, die auch die Wiener Architektin Hemma Fasch in ihrem Vortrag herausstellte. Der neue Schiffsanleger, den das Büro fasch&fuchs am Donauufer in Wien gebaut hat, hätte überhaupt nur realisiert werden können, weil das Stahltragwerk in großen Einheiten vorgefertigt werden konnte. „Nach unserem Verständnis muss die Konstruktion den gestellten Anforderungen gerecht werden, flexibel sein und sich aus den Notwendigkeiten entwickeln“, erläuterte Henna Fasch. Eine Sichtweise, die auch Florian Kohlbecker (Kohlbecker Architekten und Ingenieure, Gaggenau) teilte. „Rationalisierung, Automatisierung, Mechanisierung - das sind die Ansprüche, denen wir mit unseren Industriebauwerken gerecht werden müssen.“ Produktionsstätten für große Kfz-Hersteller, ein Design Center für BMW und ähnliche Aufgabenstellungen seien durch die große Tragfähigkeit von Stahlkonstruktionen erst möglich geworden.

„Stahl hat eine unheimliche Kraft - wir haben im Messehallenbau Spannweiten von bis zu 227 Metern realisiert“, berichtete auch Peter Ackermann. Der Münchener Architekt hob die Leichtigkeit und Eleganz des Werkstoffs Stahl hervor und zeigte Beispiele aus dem Brückenbau und der Industriearchitektur. Einen großen Carport überdachten Ackermann und Partner Architekten mithilfe eines Druck-Zug-Systems aus Stahlgestänge, das statt einer geschlossenen Dachfläche eine luftige Membrankonstruktion trägt. „Wir verstehen uns als Architekturwerkstatt und entwickeln viele individuelle Anwendungen in Kooperation mit Ingenieuren selbst“, erklärte Peter Ackermann.Als „Visionär der globalen Architektur“ stelle Moderatorin Beate Kowollik den Pariser Architekten Paul Andreu vor. Nicht zu Unrecht, wie sein Werkbericht zeigte. Viele seiner Bauten setzen auf der Prinzip der Wiederholung, welches sich in Stahlkonstruktionen schnell, einfach und ästhetisch ansprechend umsetzen ließe. „Ich suche das Klare, Reduzierte, Einfache - da gibt es im Stahlbau vielfältige Möglichkeiten, die wir mit findigen Unternehmern selbst entwickeln.“ Andreu belegte dieses Konzept eindrucksvoll mit Arbeitsbeispielen wie dem neuen Großen Chinesischen Nationaltheater in Peking, dem Osaka Maritime Museum oder dem Pudong Airport.

Große Spannweiten und viel gestalterische Freiheit waren die zentralen Eigenschaften des Stahls, die Chris Wilkinson schon vor 20 Jahren dazu brachten, in seinem Buch „Supersheds“ über große Hallenkonstruktionen nachzudenken. „Wir haben uns als eines der ersten Architekturbüros überhaupt für Brückenbauwerke interessiert“, konstatierte der Londoner Architekt und zeigte Beispiele wie die Gateshead Millenium Bridge in Newcastle, deren spektakulärer Bogen mit einer Länge von 105 Metern sich vertikal kippen lässt, damit Schiffe passieren können; oder auch eine leichte Hängebrücke in Amsterdam, die komplett vorfabriziert wurde und innerhalb eines Wochenendes vor Ort installiert werden konnte.

Die „Liebe zum Detail“ stellte Dietmar Feichtinger in dem Mittelpunkt seiner Erörterungen. „Was macht ein Bauwerk zu Architektur? Es muss etwas Überraschendes bieten, Etwas, das über das Notwendige hinausgeht“, postulierte der Architekt, der ein Büro in Paris betreibt. Bauten wie die Zentrale für Voestalpine in Linz etwa nutzen die Stabilität des Stahl und kragen weit aus. „Das Ziel muss immer sein, material-gerecht zu bauen“, meinte Dietmar Feichtinger.

Den Abschluss eines inhaltlich reichen und vielfältigen Kongresstages machte Mels Crouwel von Benthem Crouwel Architekten aus Amsterdam. Seine „Visionen einer urbanen Kultur“ illustrierte er mit vier Bahnhofsumbauten, die sein Büro gegenwärtig in den Niederlanden und Belgien realisiert. Zentraler Entwurfsgedanke ist dabei jeweils die bessere Anbindung der Bahnhofsgebäude an die Stadt, die Sichtbarmachung von Schienen und Zügen sowie die Gewinnung neuer Stadtplätze und qualitätvoller Aufenthaltsräume im verdichteten urbanen Umfeld. Neben weit greifenden, leichten und markanten Dachkonstruktionen stellte Crouwel auch mit einem Augenzwinkern einen Aufenthaltsraum für Busfahrer am Hauptbahnhof Amsterdam Centraal vor: Es besteht aus einem Stück Rohr, das ausgekleidet und aufgeständert wurde. Crouwel: „So einfach und effektiv kann das Bauen mit Stahl sein!“

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