Josef Franke (1876-1944), Architekt in Gelsenkirchen

Josef Franke (1876-1944): Gebaute Wegmarken

Die Revitalisierung der Bochumer Straße in Gelsenkirchen-Ückendorf ist ein Förderprojekt im Programm „Soziale Stadt“ und erhält besonderes Gewicht durch den Komplex um die katholische Heilig-Kreuz-Kirche mit Pfarrhaus und Kindergarten. Dieses den Stadtraum prägende Signal setzte der Architekt Josef Franke vor 75 Jahren - und es wirkt fort über die Dauer der Funktion als Ort der Liturgie hinaus, denn Mitte 2007 erlischt hier das Gemeindeleben. 1996 mit dem Preis Europa Nostra ausgezeichnet zählt Heilig-Kreuz zu jenen 14 Kirchen, für die im Rahmen der Initiative StadtBauKultur Machbarkeitsstudien erarbeitet werden sollen. - Ein Beitrag in unserer Reihe „Retrospektive“.

18. Januar 2007von Gudrun Escher

Der aus Wattenscheid gebürtige Sohn eines Bauunternehmers Josef Franke zählt zu der Generation freier Architekten, die diesen Berufsstand erst mit Inhalt füllten. Ausgebildet an der ältesten deutschen Baugewerkschule in Höxter und der Technischen Universität Charlottenburg, erwarb er sich erste Praxiserfahrung bei dem Kirchenbauer Carl Anton Meckel in Freiburg im Breisgau. Sein selbstständiges Architekturbüro begründete er in der rasch wachsenden Industriestadt Gelsenkirchen, die ihm vierzig Jahre lang ein vielfältiges Aufgabenfeld bot: vom Privathaus mit Arztpraxis über Wohnanlagen bis zu Geschäftshäusern wie dem Ringeck (1927-29) zwischen zwei spitz zulaufenden Straßen, dessen Lage Franke für eine expressive Staffelung nutzte.

Einer der umfangreichsten Aufträge war der Gelsenkirchener Straßenbahnbetriebshof (1925-26). Hier konnte Josef Franke eine Architektursprache ausformulieren, die, fußend auf Alfred Fischer und Peter Behrens, als Backsteinexpressionismus das Bauen im Ruhrgebiet in den 1920er Jahren prägte. Erstmals nach der Zeit pluralistischer, historisierender Stiladaptationen erlaubte die Ziegelbauweise eine Homogenisierung der verschiedenen Gebäudetypen einschließlich des Industriebaus, im Falle der BOGESTRA in ein und demselben Bauensemble. Das Bochumer Pendant entwarf übrigens Heinrich Schmiedeknecht (vgl. DAB 1 2006 S. 18).

Zeitgleich mit dem Bau des ersten eigenen Wohn- und Bürohauses 1904 in Gelsenkirchen gewann Franke den Wettbewerb für das Gymnasium Dionysianum in Rheine (1908-09), dessen schlossartiger Komplex noch ganz den historischen Vorbildern verhaftet ist. Der Kontakt zu dem dortigen Direktor Anton Führer ebnete den Weg für weitere Aufträge in Rheine, darunter die Gymnasialkirche St. Peter 1910-11. Sie war der vierte Kirchenneubau Frankes, und Kirchenbauwerke blieben mit seinem Namen auf besondere Weise verbunden, obgleich die meisten später baulich verändert wurden. Dies gilt auch für die Christus-König-Kirche in Gladbeck-Schultendorf (1927-28). Mit ihrem gedrungenen Turm reflektiert sie einen zentralen Gedanken jener Zeichnung, die Franke 1923 als Idealtypus für das Buch „Christozentrische Kirchenkunst“ von Johannes van Acken entworfen hatte. Gemäß der Liturgiereform von Papst Pius X. rückt hier das Geschehen am Altar und die Teilhabe der Gemeinde an der Liturgie in den Mittelpunkt, was sich architektonisch im Einheitsraum und der Hinführung auf den Altar niederschlagen sollte. Christus-König ist damals in einer der wachsenden Randgemeinden als Filialkirche errichtet worden und ist heute - wie Heilig-Kreuz - von der Schließung betroffen.

Die zeitgleich entstandene Heilig-Kreuz-Kirche (1927-29) ist ungleich prominenter. Sie fand sogar den Weg in den Mathematikunterricht als Beispiel für die Parabelberechnung, denn dem Rechteckkörper, der von Chor- und Fassadenaufbau eingefasst wird, ist eine hohe durchlaufende Paraboltonne einbeschrieben, die im Fensterausschnitt der Fassade anklingt und im Triumphbogen über dem Altar mündet. Da sie auf Bodenniveau ansetzt und da auch die Stichkappen um die seitlichen Fenster sowie zwei Reihen Blendarkaden an der Chorwand parabelförmig sind, ist die resultierende geometrische Figur das beherrschende Motiv.

Den Einheitsraum umläuft als Variante des barocken Wandpfeilersystems ein Prozessionsweg mit trapezförmigen Durchgängen. Ende der 1930er Jahre erlahmte die Bautätigkeit im Revier. Die letzten Arbeiten im Werkverzeichnis Josef Frankes sind 1941-44 Luftschutzbunker und Splittergräben. 

Objekte von Josef Franke auf baukunst-nrw:
Straßenbahndepot in Gelsenkirchen
Wohn- und Geschäftshaus in Gelsenkirchen
Heilig-Kreuz-Kirche in Gelsenkirchen
Haus Nuphaus in Bottrop
Herz-Jesu-Kirche in Bottrop
St. Ludgerus in Bottrop

Dr. Gudrun Escher ist freie Architekturjournalistin in Mülheim/Ruhr.

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