Kinetische Kunst, die zur Ruhe einlädt

Wie Mobiles bewegen sich die kinetischen Plastiken von Jörg Wiele im Außenraum mit dem Wind - oder im Innenraum durch sanfte Berührungen. Modelle und Entstehungsprozesse zu den großformatigen und doch federleicht wirkenden Skulpturen des Düsseldorfer Bildhauers zeigt das Baukunstarchiv NRW in Kooperation mit der Kulturstiftung Dortmund noch bis zum 15. August. Im Juni wurden Künstler und Werk der Öffentlichkeit in einer Online-Vernissage vorgestellt.

29. Juni 2021von Christof Rose

Jörg Wiele hat an der Kunstakademie Düsseldorf studiert und in zahlreichen Museen ausgestellt. Viele seiner Werke stehen im öffentlichen Raum und treten in einen Dialog mit den umliegenden Gebäuden, den Kräften der Natur und den wahrnehmenden Betrachtern. Für das Baukunstarchiv NRW hat der Künstler eine eigene Werkschau von Zeichnungen, Modellen und Skulpturen zusammengestellt.
René Scheer, der Vorsitzende des Vorstands der Kulturstiftung Dortmund, bezeichnete die Ausstellung als „außergewöhnlich“. Die kinetischen Plastiken Wieles seien „eine explizite Ansprache des Ästhetischen an Konstruktion, Methodik und Zweckmäßigkeit“. Jörg Wiele stelle sich mit seinen Plastiken der Öffentlichkeit und der öffentlichen Kritik. „Die Kunst zu erfahren und besser zu verstehen, diese Möglichkeit wird der interessierten Öffentlichkeit hier im Baukunstarchiv NRW geboten“, betonte René Scheer. Kunst als Prozess, als Ausformung von Phantasie und Kreativität nachvollziehbar zu machen, sei ein wichtiges Anliegen der Sponsoren und Unterstützer. Ein ausdrucksstarkes Beispiel dafür sei das „Scheibenmandala mit neun Formen“, welches als Schenkung der Kulturstiftung Dortmund das Foyer des Baukunstarchivs NRW seit 2019 bereichere und stets die Blicke der Besucher*innen auf sich ziehe.

Der Präsident der Architektenkammer NRW, Ernst Uhing, verwies in seiner Ansprache auf die zweifache Wirkung der kinetischen Kunst Jörg Wieles: „Seine Arbeiten prägen die Räume, in denen sie zu erleben sind; und sie führen den Betrachter oder die Betrachterin auf sich selber zurück, laden zur Kontemplation und Ruhe ein.“ Uhing bedauerte, dass die Zahl der „Kunst am Bau“-Projekte in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren rückläufig war. Hoffnungsfroh stimme aber, dass die Landesregierung nun zugesagt habe, wieder eine feste „Kunst und Bau“-Quote für Landesbauten einzuführen. „Das drückt Anerkennung aus, für die Kunst genauso wie für die Baukultur“, unterstrich Uhing.
Jörg Wiele absolvierte nach der Schule zunächst eine Ausbildung zum Feinmechaniker. „Das war eine wichtige Grundlage für mein späteres Studium an der Kunstakademie Düsseldorf“, erläuterte Wiele im Rahmen der Vernissage im Gespräch mit Markus Lehrmann, dem Geschäftsführer des Baukunstarchivs und Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer NRW. Gleichwohl gehe er bei der Entwicklung seiner Plastiken empirisch vor. „Ich probiere einfach aus - eine Berechnung würde den kreativen Prozess zerstören.“

Sein zentrales Anliegen sei es, mit seinen Werke Freude beim Betrachtenden zu wecken und den umgebenden Raum zu akzentuieren. Als Buddhist gehe es ihm darum, Liebe in die Welt zu bringen. „Ich hoffe, dass diese Grundhaltung aus meiner Kunst spricht.“ Am Beispiel der Skulptur „Flying Buddha“ erläuterte Wiele, dass seine Kunst zur inneren Ruhe einladen und führen soll. Die Buddha-Skulptur ruht fest in sich, solange keine äußeren Einflüsse – etwa Wind – interferieren. „Dann wird es chaotisch.“
Viele Beispiele für die Arbeiten, die der heute 70jährige Künstler seit seinen Studienzeiten geschaffen hat, können in der Ausstelung im Baukunstarchiv NRW besichtigt werden - in maßstabsgerechten, oft funktionsfähigen Modellen bis hin zum Maßstab 1 : 1. Wie auf einem Zeitstrahl kann der Betrachter bzw. die Besucherin an Arbeiten aus allen Schaffensphasen des Künstlers Jörg Wiele entlanggehen, die während der Studienjahre noch mit Strom, Kerzenwärme und anderen Energiequellen experimentierten.
Natürlich habe es im Laufe der Jahre auch viele Arbeiten gegeben, die am Ende einer intensiven Erarbeitung nicht realisiert werden konnten: „Jede einzelne Arbeit hat aber als Prozess eine Bereicherung für meine künstlerische Entwicklung dargestellt.“
Ein sehr großes, realisiertes Kunstwerk ist die kinetische Skulptur für das Treppenhaus der Wilo-Foundation in Dortmund, die in der warmen Jahreszeit durch thermische Aufwinde in Bewegung versetzt wird. Die zwölf Meter hohe Skulptur ist gegenwärtig heimatlos, nachdem das alte Firmengebäude abgerissen wurde. „Ich bin aber zuversichtlich, dass meine Skulptur auch im Neubau eine passende Heimat finden wird.“

Öffnungszeiten Di. - So.: 14.00 - 17.00 Uhr; Do. 14.00 - 20.00 Uhr. www.baukunstarchiv.nrw

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