Investitionen rund um die Sportstätten im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft

Kommentar: Boom der Freizeitarchitektur auf dem Höhepunkt?

Die Freizeitbauten, die uns heute beschäftigen, scheinen zunächst nur einem Zweck zu dienen: der Unterhaltung. Vergnügungsparks, Infotainmentcenter, Kinokomplexe, Sportbauten aller Art - der Boom der Freizeitarchitektur hält an und hat vielleicht mit der Fertigstellung der Umbau-, Ausbau- und Neubaumaßnahmen rund um die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland einen ersten Höhepunkt erreicht.

16. März 2006von Christian Schramm

Liebe Kollegin,
lieber Kollege! 

„Der Plan des Rundbaus, den ich hier vorstelle, ist darauf abgestellt, moralischen und politischen Gesichtspunkten zu genügen...“ - Das schrieb der französische Architekt Etienne Louis Boullée zu Beginn der französischen Revolution über seinen Entwurf für eine große Arena, die er noch in den Zeiten der Königsherrschaft konzipiert hatte.  

Die Freizeitbauten, die uns heute beschäftigen, scheinen zunächst nur einem Zweck zu dienen: der Unterhaltung. Vergnügungsparks, Infotainmentcenter, Kinokomplexe, Sportbauten aller Art - der Boom der Freizeitarchitektur hält an und hat vielleicht mit der Fertigstellung der Umbau-, Ausbau- und Neubaumaßnahmen rund um die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland einen ersten Höhepunkt erreicht. 

Wer sich als Architekt und Stadtplaner näher mit Großinvestitionen der Freizeitindustrie befasst, dem wird schnell klar, dass das Vergnügen der Einen das Geschäft der Anderen ist. Das Angebot kann in diesem Bereich durchaus Nachfrage provozieren. Einige der neuen Edutainment-Center und Sporthallen in NRW dürfen sich über großen Publikumszuspruch freuen und werden zum Teil bereits wenige Jahre nach der Fertigstellung erweitert. 

Diese Beispiele und natürlich die aktuellen Diskussionen um die Sicherheit der Austragungsstätten der Fußball-WM machen deutlich, dass Bauwerke für die moderne Freizeitgesellschaft auch heute durchaus eine politische Dimension haben. Die Fußball-Weltmeisterschaft ist eben nicht nur ein sportliches Großereignis, sondern auch ein politischer und wirtschaftlicher Faktor: Die Wirtschaft hofft auf einen Boom, der durch erhöhte Ausgabebereitschaft der einheimischen Fans und den Zufluss externer Mittel durch die internationalen Besucher ausgelöst werden soll. Mehrere 10.000 Arbeitsplätze, so war zu lesen, können durch die WM - zumindest kurzfristig - neu geschaffen werden. Die Politik hofft auf eine gute Stimmung im Lande. Welche langfristigen Effekte der sportliche Wettkampf für die (Bau-)Wirtschaft zeitigen kann, ist derzeit nicht absehbar. 

Aus Sicht der Architekten und Stadtplaner ist damit eine der zentralen Fragen berührt. Im Rahmen der Vorbereitungen auf die WM in Deutschland wurden gewaltige Investitionen getätigt, um die Infrastruktur zu verbessern und die notwendigen logistischen Prozesse zu ermöglichen.  

In der Ausstellung „Fußball-WM 2006 - Architektur der Arenen“ präsentiert die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen in diesem und dem nächsten Monat alle zwölf Spielstätten der Fußball-Weltmeisterschaft. Die drei Stadien, die bei uns in NRW als Austragungsorte ausgewählt wurden, sind in den vergangenen Monaten umfassend saniert (RheinEnergieStadion Köln, „Signal Iduna Park“/Westfalenstadion Dortmund) bzw. in jüngster Zeit neu errichtet worden (Veltins-Arena AufSchalke). Ergänzungsbauten, Mannschaftsquartiere, Gastronomie und Straßen werden derzeit weiter ausgebaut und aufgewertet.  

Wie nachhaltig sind solche Projekte, wie sinnvoll sind Investitionen, die auf ein zeitlich eng begrenztes Großereignis ausgerichtet werden? - Wenn man heute die Investitionen und Maßnahmen des letzten Großereignisses dieser Art, der EXPO 2000 in Hannover, evaluiert, kommt man zu durchaus gemischten Ergebnissen. 

Die Stadien und Arenen in Nordrhein-Westfalen haben allerdings alle einen enormen Standortvorteil: Sie liegen - anders als etwa die neue Arena in München - in innerstädtischer Lage. Investitionen in das bauliche Umfeld kommen deshalb in der Regel der Stadt insgesamt zugute.  

Ob die neuen „Rundbauten“ im Sinne von Etienne Louis Boullée also „moralischen und politischen Gesichtspunkten genügen“, sei dahingestellt. Als Architekt, Stadtplaner und Fußballfan freue ich mich auf eine spannende und in vielerlei Hinsicht anregende Fußball-WM 2006!        

Es grüßt Sie
Ihr  

Dr. Christian Schramm
Vizepräsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
schramm@aknw.de 

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