AKNW und NRW-Schulministerium thematisieren die Bedeutung hoher baulicher Qualität von Schulgebäuden für den Unterricht

Kongress: Schulraum als Lebensraum ernst nehmen!

„Der Unterricht hat sich gewandelt, die Menschen haben sich in ihren Erwartungen und Ansprüchen verändert, Schule wird immer stärker zum Lebensort. Deshalb müssen auch unsere Schulgebäude endlich den neuen Anforderungen angepasst werden.“ Barbara Sommer, Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, ließ an ihrer Entschlossenheit keinen Zweifel aufkommen. Mit ihrer Eröffnungsrede betonte Frau Somer die Bereitschaft der Landesregierung, sich dem Thema „Schulbau und Schulumbau“ offensiv zu stellen. Sie erhielt dafür zustimmenden Applaus der über 600 interessierten Architektinnen und Architekten, Lehrer und Verantwortlichen aus Schulpolitik und -verwaltung, die am 22. März zum Kongress „Schulraum - Lebensraum!“ der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und des NRW-Schulministeriums in die Düsseldorfer Rheinterrassen gekommen waren.

18. April 2007von ros

Ministerin Sommer verwies in ihrer Rede auf die aktuellen Anlässe, welche die Diskussion über eine Anpassung des Schulbestandes an neue Lehrkonzepte und geänderte Rahmenbedingungen überfällig mache: So habe die PISA-Studie zu einer erhöhten Sensibilität bei Lehrern, Eltern und Politikern geführt; die Einführung der Ganztagsgrundschule und der erweiterten Ganztagshauptschule erzeuge einen konkreten Planungs- und Baubedarf, der mit Bundesmitteln in Höhe von 914 Millionen Euro bedient werde; auch die „Schulpauschale“ in Höhe von 460 Mio. € im Jahr ermögliche es Kommunen als Schulträgern, nach Schwerpunkten eigenverantwortlich tätig zu werden, um die Bausubstanz ihrer Schulgebäude zu verbessern. „Das Thema liegt in der Luft“, folgerte Sommer. 

Sanierungsstau positiv auflösen
Der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Hartmut Miksch, verwies ergänzend auf den Sanierungsstau, der seit Jahren an den Schulen in NRW bestehe. „Unser Kongressthema ist auch deshalb so wichtig, weil die unumgängliche Modernisierung unserer Schulgebäude eine große Chance darstellt, das bauphysikalisch Notwendige mit dem pädagogisch Sinnvollen zu verbinden“, hob Miksch hervor. Auch Aspekte wie das Schrumpfen einiger Großschulen aufgrund der rückläufigen Schülerzahlen könne eine gute Gelegenheit darstellen, Raum zu gewinnen, um Schulen mit den heute notwendigen Küchen- und Speiseräumen, Aufenthalts- und Pausenräumen sowie mit Raumangeboten für Gruppenarbeitsplätze zu versorgen. „Die meisten unserer Schulen sind baulich noch allein für den Halbtags-Frontalunterricht ausgelegt“, stellte Miksch fest. In vielen Schulen sei die Unterrichtsrealität heute aber eine andere.Schule als Kommunikationsort
Eine Behauptung, die Klaus Hebborn, Beigeordneter des Städtetages NRW, bestätigen konnte. „Der Sanierungsstau allein in NRW wird immer noch auf etwa 5 Milliarden € geschätzt“, teilte er mit. Zwar habe sich in den vergangenen Jahren schon einiges gebessert, es „bleibt aber eine große Aufgabe und Herausforderung, pädagogische Konzepte und Architektur wieder in Gleichklang zu bringen“. Nicht übersehen werden dürfe dabei auch, dass Schulgebäude noch immer in vielen Kommunen und Stadtteilen wichtige Institutionen des sozialen Lebens, der Begegnung und des bürgerschaftlichen Engagements seien.  

Praxisbeispiel: KKS in Leverkusen
Einen „Alptraum“ habe er vorgefunden, als er die Leitung der Käthe-Kollwitz-Schule (KKS) in Leverkusen-Rheindorf übernommen habe, berichtete Schulleiter Guido Sattler aus der Praxis. Das Großgebäude liege in einem schwierigen Stadtteil, sei PCB-verseucht gewesen und habe zudem unter Vandalismus und starker Verschmutzung gelitten. „Was dann folgte, waren die härtesten vier Jahre meines Lebens“, berichtete Sattler. Die Sanierung des Waschbetonbaus verband der neue Schulleiter mit zahlreichen pädagogischen Maßnahmen, mittels derer die Schülerinnen und Schüler in den Umbau der Schule verantwortlich mit einbezogen wurden. Es wurden Schüler-AGs für verschiedene Bereiche gegründet - von den sanitären Anlagen über einzelne Flurabschnitte bis hin zur Pflege des Schulteiches. Durch Umbauten wurde Licht in das Gebäude gebracht, durch Grünstreifen die neue Außenhülle des Bauwerks geschützt. „Vor allem ist es uns gelungen, ein ‚Wir‘-Gefühl zu schaffen“, so Sattler. Mit dem Leverkusener Architekturbüro Wirtz + Kölsch habe ihm ein starker, einfühlsamer Partner zur Seite gestanden, dem es gelungen sei, überzeugende Konzepte unter Mitwirkung aller Beteiligten vor Ort zu entwickeln und umzusetzen.Breites Themenspektrum
Der Kongress befasste sich im weiteren Tagesverlauf mit einer breiten Themenpalette, welche die Frage nach dem Einfluss von Architektur auf das Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler und auf das Wohlbefinden all derer, die tagtäglich in Schulgebäuden leben, untersuchten. Frauke Burgdorff und Karl-Heinz Imhäuser von der Montag Stiftung in Bonn stellten ihre Konzepte für eine „Pädagogische Architektur“ vor, die bereits an mehreren Schulen in Nordrhein-Westfalen erfolgreich umgesetzt werden konnte. Prof. Frank Hausmann von der Fachhochschule Aachen berichtete über das Forschungsprojekt „Das offene Klassenzimmer“, in dem der Frage nachgegangen wird, welchen Raumzuschnitt moderne didaktische Konzepte erforderlich machen. Auch

Ralph Glaubitt, Architekt beim Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverband, beleuchtete in seinem Vortrag am Beispiel der Sicherheit von Turnhallen an Kölner Schulen die Frage, mit welchen baulichen Maßnahmen im Gebäudebestand auf neue Anforderungen nach gesunden, sicheren Schulen geantwortet werden kann.

Beiträge mit regionalen Praxisbeispielen rundeten das Programm ab. So berichtete Regine Möllenbeck von der Stadt Essen über die Strategien, mit denen ihre Kommune auf den deutlichen Rückgang der Schülerzahlen reagiere. Mit großen Interesse wurde ihr Appell aufgenommen, demografische Prognosen mit großer Genauigkeit zu analysieren: „Es gibt viele Schulen in Essen, die noch wachsen. Zumeist liegen diese in unseren Stadtvierteln, die von sozialer Schieflage gekennzeichnet sind.“

Aus der Stadt Herford wusste Schulamtsleiter Rainer Schweppe Erfreulicheres zu berichten. Dort wurde eine Offene Ganztagsschule in ambitionierter Konzeptarchitektur errichtet, die in Kürze fertig gestellt sein wird. Das polygone Bauwerk zeichnet sich durch eine große Flexibilität der Räume aus, die vielfach zueinander geschaltet werden können und damit vielfältige Nutzungen ermöglichen. 

Finanzierungsragen: PPP
Abschließend befasste sich eine Diskussionsrunde auf dem Podium mit der Frage, wie die notwendigen Schulbauprojekte für die Schulträger zu finanzieren seien. In der Diskussion mit Dr. Frank Littwin (PPP Task Force NRW), Holger Schoen (Hochtief) und Dr. Franz-Josef Schulte (Beigeordneter a. D. Stadt Köln) betonte Architekt Norbert Wörner, dass PPP auch für mittelgroße Architekturbüros offen bleiben müssten und zudem Architektenwettbewerbe vorgeschaltet werden sollten.

Auszeichnung vorbildlicher Schulbauten in Nordrhein-Westfalen
Dass gute Beispiele ebenso überzeugen wie anregen können, wurde auf dem Kongress anschaulich verdeutlicht. Das NRW-Schulministerium und die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen werden deshalb in Kürze die „Auszeichnung vorbildlicher Schulbauten in NRW“ ausloben, mit der hervorragende Beispiele für moderne, zukunftsweisende Schularchitektur gewürdigt und öffentlich präsentiert werden soll. (Details folgen.)

 

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