Veranstaltungshalle mit Theke und Sitzbereich
Kulturforum Kampnagel in Hamburg: Inspirierender Ort für den ersten bundesweiten Gipfel der Kreativwirtschaft - Foto: Christof Rose/Architektenkammer NRW

Kreativwirtschaft in Deutschland will politisch mitmischen

Mit 175 Milliarden Euro Umsatz ist die Kreativwirtschaft eine treibende Wirtschaftskraft in Deutschland. „Wir wollen deutlich machen, dass die Kreativwirtschaft mit ihre 1,2 Millionen Beschäftigten einer der ertragsstärksten Wirtschaftszweige ist“, unterstrich Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg, zur Begrüßung der Teilnehmer*innen des ersten bundesweiten „German Creative Economy Summit“, der am 6. und 7. März im Kulturzentrum Kampnagel in Hamburg stattfand. „Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz der Kreativwirtschaft und ihre Bereitschaft, sich konstruktiv gestaltend den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen, macht sie zu einer Leitbranche der Zukunft.“ Veranstaltet wurde der Kongress von der Hamburg Kreativ Gesellschaft, unterstützt von der „Koalition Kultur- und Kreativwirtschaft Deutschland“ (k3d), in der die Bundesarchitektenkammer Mitglied ist.

19. März 2024von Christof Rose

Zu den Zielen des Kreativkongresses gehörten:
- Die Zukunft der Kreativwirtschaft miteinander gestalten
- Die Identität der Branchen stärken
- Kreative Arbeit zum anerkannten Wirtschaftsmotor machen
- Innovationen der Kreativwirtschaft vorantreiben
- Gemeinsamkeiten schaffen und Synergien nutzen

Der Summit bot eine Vielzahl inspirierender Momente, darunter spannende Keynotes, interessante Diskussionen und praxisnahe Workshops. 

Architektur im Eröffnungspanel

Im Eröffnungspanel stand die Frage im Mittelpunkt, welchen Einfluss die Künstliche Intelligenz auf die unterschiedlichen Bereiche der Kreativwirtschaft habe. Architekt Matthias Latzke (HPP) erläuterte, wie KI im Bereich des Entwurfs, vor allem der Präsentation und Kommunikation neue Möglichkeiten eröffne. „Unsere Branche muss daran arbeiten, die objektbezogene Wertschöpfung um Beratungsleistungen in den Bereichen Nachhaltigkeit, ESG und Klimafolgenanpassung zu ergänzen“, meinte Latzke im Gespräch mit Christiane Arp (ehem. Chefredakteurin „Vogue“), Julia Pfiffer (Gaming-Industrie) und Werbefachfrau Stefanie Kuhnen, die darauf verwies, dass gerade die Werbebranche von einer kreativen Vernetzung mit der Architekturbranche profitieren könne. Svetlana Jakel, Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur Kombinatrotweiss mit Schwerpunkt auf Illustration und Animation, sah ihr Arbeitsfeld durch Künstliche Intelligenz in erheblichem Maße beeinflusst. KI könne Grafiken und Bildsequenzen viel schneller gestalten, als das händisch bzw. mit herkömmlichen Programmen möglich ist. Gleichwohl, so ihre Botschaft, könne eine geschulte Illustratorin weiterhin in einem Bild, einer Karikatur, einer illustrativen Grafik viele Inhalte zusammenführen, ggf. auch mit Witz oder Ironie versehen, und dabei noch eine persönliche Handschrift hinterlassen: „Power to the Pencil!“, so lautete ihr Schlachtruf.

Die Frage der umweltgerechten Gestaltung unserer Lebenswelten nahm im Folgenden eine wichtige Stellung in der Debatte ein. Der Wunsch, die Branche eng einzubinden, war von allen Seiten sehr ausgeprägt.

Christiane Arp hob hervor, dass die Erreichung der EU-Nachhaltigkeitsziele nur mit Unterstützung der Kreativen Branchen erfolgen könne. „Die Gesellschaft braucht dazu die ‚Generation Alpha‘, und die erreichen wir über Musik, Video, Games und die gebaute Umwelt.“ Die Frage der umweltgerechten Gestaltung unserer Lebenswelten nahm im Folgenden eine wichtige Stellung in der Debatte ein. Der Wunsch, die Branche eng einzubinden, war von allen Seiten sehr ausgeprägt.

Roth: KI-Act der Europäischen Union wichtiger Schritt

Mehr Vernetzung und Austausch innerhalb und mit der Kreativbranche wünschte sich auch Bundeskulturministerin Claudia Roth. In ihrer Videobotschaft zum Kongress wies sie auf die „doppelte Leistung der Branche“ hin, nämlich zugleich starker Wirtschaftszweig und wichtiger Inspirationsmotor für die gesellschaftliche Entwicklung zu sein. „Die Kreativbranche macht sichtbar, wie unsere Kultur europaweit verbunden ist“, unterstrich Claudia Roth. „Jede Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft ist deshalb eine Förderung des europäischen Kulturraums.“ Die europäische KI-Verordnung, die im März 2024 durch das EU-Parlament verabschiedet wurde, sei ein wichtiger, erster Schritt zum Schutz des Wertes kreativer Leistungen. 

EIT: Förderprogramme in die Fläche bringen

Bernd Fesel, Geschäftsführer von EIT Culture&Creativity, sprach von einer „neuen Phase der Förderung der Kreativbranche in Europa“. Der frühere stellvertretende Geschäftsführer der Kulturhauptstadt RUHR 2010 erläuterte auf dem Kreativgipfel in Hamburg, wie die Branche mit EIT weiter gestärkt und Einzelunternehmer ermutigt werden sollen. Die dreifache Transformation sei grün, digital und sozial. „Wir wollen das voran treiben durch Technologie, Kunst, Kreativität, Forschung“, sagte Fesel. Insgesamt stünden 70 Mio. Euro für die ersten zwei Jahre für Bildung, Innovation und Start-Ups zur Verfügung. „Gefördert werden sollen insbesondere Produkte und Geschäftsideen, die auf Dauer und Skalierung angelegt sind.“ Er gehe davon aus, dass mit EIT-Mitteln bis zu 200 Unternehmen gefördert werden könnten. Die Auslobung des ersten Calls werde voraussichtlich im Mai 2024 erfolgen.

Zukunft der Innenstadt

Zu den stark besuchten Veranstaltungen des Kongresses, der insgesamt 90 Einzelangebote umfasste, gehörte ein Diskussionspanel zur „Zukunft der Innenstädte“. Karin Loosen, Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer, beschrieb ihre Vision der klimagerechten, grünen und lebendigen Stadt. Die Einbindung der kreativen Szene könne Keimzellen schaffen und Attraktivitäten steigern. Sie warb dafür, prozessbegleitende Fachleute in den Behörden zu etablieren.

Unter der Moderation von Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, warb Zukunftsforscherin Theresa Schleicher dafür, die Lebensqualität in den Stadtzentren zu erhöhen und dabei nicht allein auf den Handel zu setzen. „Vor allem müssen wir auf die Alterung der Bevölkerung auch baulich reagieren“, war Schleicher. „Dritte Orte“ könnten etwa Buchhandlungen sein, die zu Erlebnisorten werden wollen, so Peter Kraus vom Cleff. Der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins wies darauf hin, dass allein im laufenden Jahr wohl 5000 Einzelhändler in Deutschland schließen würden. „Notwendig ist eine Quersubventionierung von attraktiven Spezialangeboten durch renditeträchtige Handelsketten“, lautete seine Empfehlung.

Kritik kam aus dem Publikum: Es sollte Stadt wirklich neu gedacht werden, nicht immer an dem Dreiklang Gastro, Erlebnis, Wohnen hängen bleiben. Wie wichtig Beiträge der verschiedenen Säulen der Kreativwirtschaft für die Entwicklung der Innenstädte sein könnten, zeigten Beispiele für das „Jupiter“-Kreativhaus in Hamburg (früheres Karstadt-Sport-Gebäude, heute als Kreativplanet „Jupiter“ mit Kunst, Musik, Design und Aktionen bespielt) oder das „Unperfekthaus“ in Essen.

Kunst und KI

Dass „KI“ keine neue Erfindung sei, sondern schon über Jahrzehnte entwickelt wurde, betonte Klaas Wilhelm Bollhoefer. Der KI-Spezialist und Cloud-Computing-Experte berät Klienten unterschiedlichster Provenienz zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz – unter anderem Künstler. Im Dialog mit dem Maler Roman Lipski zeigte er auf, wie KI zur künstlerischen Inspiration genutzt werden kann. Was KI zu leisten vermöge, könne auf den ersten Blick sehr beeindrucken. „Man muss ein vorbereiteter Geist sein, um sich nicht einfach überwältigen zu lassen“, betonte Roman Lipski. In der Mensch-Maschine-Kollaboration müsse man darauf achten, AI als Instrument für die eigene Kreativität zu nutzen. Nicht zuletzt sei er auf diesem Weg über seine eigentliche Blase hinausgetreten.

Lichtkünstler Christopher Bauder erläuterte mit eindrucksvollen optischen Werkbeispielen, wie er immersive Erlebnisse mit Lichtausstellungen kreiert, die auch in eigenen Shows präsentiert werden – unter Einsatz von KI.
Desinteressiert an Künstlicher Intelligenz zeigte sich allein in einem assoziativen Monolog der Künstler Jonathan Meese: „Jeder Mensch hat seine eigene Intelligenz, hoffentlich.“

Netzwerk und politische Aktivitäten

Mit 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus ganz Deutschland war der erste „German Creative Economy Summit“ ein lebendiges Forum für die Kreativbranche in unserem Land. In vielen Gesprächen wurde deutlich, dass die jeweiligen Akteure der elf Säulen der deutschen Kreativwirtschaft zwar innerhalb ihrer Disziplin lebendige Netzwerke pflegen, die Vernetzung untereinander aber deutlich ausgebaut werden könne – und müsse. 

Aus Nordrhein-Westfalen waren Akteur*innen der Kreativwirtschaft aus Kommunen und Initiativen sowie der Landesagentur Creative.NRW angereist. Auch die Architektenkammer NRW nahm teil mit dem Ziel, die Einbindung der Architektenschaft in die Kreativwirtschaft zu vertiefen.

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