Wie sich die Polizei und das Land NRW verstärkt darum bemühen, kriminalpräventive Aspekte in den Städtebau zu integrieren

Kriminalprävention: „Polizei will nicht Architekt spielen!“

„Kriminalprävention hilft dabei, Innenstädte, Wohn- und Gewerbegebiete sicherer zu machen und die Lebensqualität der Anwohner und der dort arbeitenden Menschen zu erhöhen.“ Mit dieser Aussage bekräftigte der nordrhein-westfälische Innenminister Dr. Ingo Wolf am 9. Mai auf einer Fachtagung in Bonn die aus Sicht der Landesregierung wachsende Bedeutung kriminalpräventiver Aspekte für den Städtebau. In zahlreichen Gemeinden unseres Bundeslandes haben die Polizeibehörden mittlerweile spezielle Dienststellen innerhalb ihrer Präventions-Kommissariate gebildet, die Architekten und Stadtplaner beraten. Ziel: städtische Quartiere sollen so ausgebildet werden, dass kriminelle Akte erschwert und damit von vornherein verhindert werden.

12. Juli 2007von Christof Rose

Kriminalkommissar Ernst Wauer ist einer der Pioniere der Kriminalprävention in der Stadtplanung. Zwar ist das Thema spätestens seit Mitte der 1990er Jahre in dem meisten Polizeibehörden virulent, wurde aber doch innerhalb der Prävention- und Vorbeugungsdienststellen als Randthema gesehen. Ernst Wauer war vor vier Jahren einer der ersten Polizeibeamten in Nordrhein-Westfalen, die eigens für diesen Aufgabenbereich eingestellt wurden. Der Kriminalkommissar arbeitet seitdem im Essener Polizeipräsidium vor allem an Konzepten, wie die Erkenntnisse und Ziele der Verbrechensverhütung durch städtebauliche Maßnahmen bei Architekten und Stadtplanern, Investoren und Bauträgern bekannt gemacht werden können.

Im Kern, so Wauer, gehe es der Polizei in ihrer städtebaulichen Kriminalprävention um handfeste Details: eine durchgehende und funktionstüchtige Straßenbeleuchtung; die Einsehbarkeit von Hauseingängen und Parkplätzen; eine zentrale Lage für Spielplätze; Vermeidung von monostrukturierten Siedlungen, die in der werktäglichen Arbeitszeit nahezu menschenleer zurückbleiben. „Viele der Argumente, die wir vorbringen und die in Untersuchungen mittlerweile belegt wurden, sind in der kriminalistischen Analyse ebenso leicht nachzuvollziehen wie aus Sicht der Stadtplanung. Dennoch wurden sie – zumindest bisher – nur in Ausnahmefällen in städtebauliche Konzepte gezielt einbezogen.“ Nachbarschaftliche soziale Kontrolle

Ein augenfälliges Beispiel aus vergangenen Jahrzehnten sind die Großsiedlungen der 1960er und –70er Jahre. In vielen Quartieren in NRW lassen sich die von Ernst Wauer genannten Merkmale in einer negativen Ausprägung feststellen: Große, schlecht beleuchtete Freiflächen zwischen den Gebäuden, die nachts menschenleer sind; kleine, eher versteckt anmutende Hauseingänge, die jeder sozialen Kontrolle entzogen sind; Massenwohnungsbau, dem es nicht gelingt, Zonen für nachbarschaftliche Begegnung und damit ein Verantwortungsgefühl für den Mitbewohner nebenan entstehen zu lassen.  

Sanierung und Modernisierung nutzen

Die nordrhein-westfälische Kriminalpolizei kann ihre Statistiken ins Feld führen, um diese Behauptung zu belegen. Zugleich zeigen aktuelle Projekte, dass im Rahmen der gegenwärtig überall im Lande laufenden Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen solcher Quartiere mit einfachen Mitteln eine deutliche Reduzierung des Gefährdungspotenzials erreicht werden kann.

Beispiel Bonn-Dransdorf. In den 1960er und -70er Jahren wurden hier großflächig Wohngebiete ausgewiesen, in denen weitläufige, dreigeschossige Zeilenbebauung, ein- und zweigeschossige Einfamilienhäuser und eine Siedlung im Geschosswohnungsbau realisiert wurden. Schon zu Beginn der 80er Jahre litt die Siedlung unter Verwahrlosungserscheinungen, einer problematischen Bewohnerstruktur, hohem Konfliktpotenzial. Eine umfassende Sanierung der Gebäude, begleitet von einem integrierten Handlungskonzept, welches das Miteinander der Bewohner und die Gestaltung von Gemeinschaftszonen in der Sieldung unterstützte, führte dazu, dass Dransdorf heute den Bewohnern eine Identifikationsmöglichkeit bietet, ein echtes „Zuhause“ darstellt.

Es wäre falsch, so Kriminalkommissar Wauer, diese Beispiele einfach als städtebauliche Fehler der Vergangenheit abzuhaken. „Wir finden solche Strukturen im Kern auch in zahlreichen Reihenhaussiedlungen, die in den 1980er und -90er Jahren am Stadtrand entstanden sind.“ Überhaupt sei das Thema Kriminalprävention im Städtebau von wachsender Relevanz. Kooperationsvereinbarung in Köln

Das sieht auch die Polizei in Köln so. Otmar Finkler, der Leiter des Kriminalkommissariats Vorbeugung, bekräftigt, dass man die Bedeutung des Themas erkannt und entsprechend reagiert habe. „Es handelt sich für uns noch um ein relativ junges Aufgabenfeld, um das wir uns seit etwa einem Jahr sehr intensiv kümmern.“ Zwei Sachbearbeiter sind in Köln ausschließlich im Bereich der Prävention für das Thema Städtebau zuständig.

Als ersten Erfolg wertet Otmar Finkler eine Kooperationsvereinbarung, die in diesem Sommer zwischen dem Polizeipräsidenten und dem Oberbürgermeister der Stadt Köln geschlossen wird. Darin wird vereinbart, dass Polizei und Stadt im Bereich der städtebaulichen Kriminalprävention eng zusammenarbeiten wollen und dass die Polizei grundsätzlich in Planungsverfahren der Stadt zu einem frühen Zeitpunkt einbezogen wird. „Unsere Hinweise können erst dann ihre Wirkung entfalten, wenn wir schon in der Entwurfsphase bzw. der städtebaulichen Grundkonzeption in die Planungsprozesse eingebunden werden.“  

Strukturelle Einbindung in Verwaltung

Um die strukturelle Einbindung der polizeilichen Präventionsarbeit in die kommunalen Verwaltungsstrukturen hat sich schon vor über zehn Jahren die Düsseldorfer Polizei bemüht. Kurt Schnabel, Dienststellenleiter „Prävention“ im Polizeipräsidium Düsseldorf, war einer der ersten Polizisten in NRW, der sich mit einem großen Umfang seiner Zeit den Zusammenhängen von Kriminalprävention und Städtebau widmen konnte. Die Landeshauptstadt richtete schon 1993/94 den „Kriminalpräventiven Rat“ ein, in dem Fachleute der verschiedensten Disziplinen über Kriminalitätsverhinderung nachdachten. Kurt Schnabel übernahm die Fachgruppe „präventiver Städtebau“ - ein Fachgebiet, das ihn bis heute fasziniert.

„Wir haben über die Jahre enge Kontakte zu vielen Abteilungen der Stadtverwaltung Düsseldorf aufgebaut“, schildert Schnabel sein Vorgehen bei der Durchsetzung der Anliegen der Polizei. Im Jahr 2001 bestätigte ein Beschluss der Verwaltungskonferenz der Landeshauptstadt, dass Düsseldorf „in diesem Bereich eine bundesweite Vorreiterrolle übernehmen“ wolle, weil städtebauliche Kriminalprävention nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern zugute komme, sondern „auch wirtschaftlich sinnvoll“ sei. Umgesetzt wird dieses Abkommen, indem das Amt für Verkehrsmanagement heute alle großen Bauprojekte mit der Präventionsstelle der Polizei abstimmt. Kurt Schnabel bekommt außerdem alle Bauanträge zur Kenntnis; sämtliche städtebaulichen Verträge, die die Stadt abschließt, enthalten die Festlegung, dass ein Gespräch mit den Präventionsfachleuten der Polizei zu führen sei.

Die Empfehlungen der Polizei seien für Stadtplaner und Architekten in der Regel sicherlich nicht neu, erklärt Schnabel. Er beobachte allerdings oft, dass bestimmte kriminologisch relevante Aspekte in der Planungspraxis übergangen würden, weil andere Aspekte stärker im Vordergrund stünden. Er könne nur mahnen und immer wieder auf die Erfahrungen und Erkenntnisse der Polizei hinweisen, so Schnabel. Er verstehe sich als Partner der Planer: „Polizei will nicht Architekt spielen.“ 

Geringe Akzeptanz unter Stadtplanern

Auch für den Essener Kriminalkommissar Ernst Wauer ist die Kooperationsbereitschaft von Architekten und Stadtplanern ein zentrales Thema. „Ein Problem für uns Polizisten bleibt die noch zögernde Akzeptanz unserer Arbeit bei den planenden Berufen“, resümiert Wauer nüchtern. Als Quereinsteiger in städtebauliche Fachfragen kämpften die Kriminal- und Verwaltungsfachleute mit dem Vorurteil, lediglich Details zu analysieren und das Gesamtsystem städtebaulicher Konzepte nicht umfassend berücksichtigen zu können. „Ich maße mir nicht an, als Stadtplaner aufzutreten“, betont Wauer. „Mir geht es um eine reine Beratungsleistung: Ich kann Städtebauer auf bestimmte Aspekte aufmerksam machen, die für das Funktionieren einer Siedlung oder eines Quartiers aus kriminalpräventiver Sicht entscheidend seien können.“

Dort, wo Unsicherheit herrsche, setze sich schnell eine Abwärtsspirale in Gang, in der die unterschiedlichsten Faktoren zusammen kämen. „Die Menschen können vieles ertragen“, meint Wauer, „aber nicht das Gefühl der Bedrohung und der Angst.“ Insofern stehe die städtebauliche Kriminalprävention – vor allem mit Blick auf eine alternde Gesellschaft – noch am Anfang einer langen Entwicklung. 

Teilen via