
Lösungen zur Anwendung bringen!
„Wir haben für alles Lösungen! -wir wenden sie nur nicht an!“ Mit diesem Satz appellierte Dr. Thomas Henningsen von Greenpeace (Geschäftsführer der ORCA Organization for Rapid Climate Action) am 18. September in Dortmund an die Teilnehmenden der Veranstaltung „Planen und Bauen neu denken #Nachhaltigkeit“ für mehr Mut zum konkreten Handeln. Die ausgebuchte Veranstaltung im Baukunstarchiv NRW spannte den Bogen von den Ursachen des Klimawandels über seine deutlich spürbaren Auswirkungen bis hin zu wirkungsvollen Maßnahmen des Bausektors, die an praktischen Beispielen aufgezeigt wurden.
Die Architektur sei einer der größten potenziellen Verbündeten, um den Klimawandel genügend Einhalt zu gebieten, betonte Thomas Henningsen. Er führte den Teilnehmenden mit eindrucksvollen Bildern die Auswirkungen des weltweiten Fehlverhaltens vor Augen: ein Plastikmüllstrom im Nordpazifik, der viermal so groß wie Deutschland ist; die Vernichtung von Waldflächen in der Größe eines Fußballfeldes alle zwei Sekunden; die Überfischung der Meere.
Spiel mit den Lebensgrundlagen
„Wir spielen mit unseren Lebensgrundlagen“, warnte Dr. Henningsen und forderte mehr Respekt vor unserer Natur und unserer Umwelt. Der Biologe und Kampagnenleiter von Greenpeace verdeutlichte die Bedeutung unserer natürlichen Lebensgrundlagen mit einer Wirtschaftsbilanz: Die Leistungsbilanz unseres Ökosystems betrage 125 Billionen Euro, während die der Weltwirtschaft sich „nur“ 65 Billionen Euro belaufe.
Auch der Präsident der Architektenkammer NRW, Ernst Uhing, verwies auf die große Verantwortung, die der Berufsstand der Planerinnen und Planer gerecht werden müsse. „Bis 2030 wollen wir eine CO2-Reduktion um 65 % im Vergleich zu 1990 erreichen“, führte Uhing aus, und resümierte: „Wir müssen weiterbauen -aber anders!“
Bestand multifunktional weiterentwickeln
Wie der Bausektor etwas tun kann, zeigten die anschließenden Vorträge anhand praktischer Beispiele auf. Eine besondere Herausforderung für den Wohnungsmarkt sah Prof. Andreas Krys (Maas & Partner Architekten) im Erhalt des Bestands: „Wir müssen Gebäude bauen, die sich umbauen lassen!“. An Beispielen der Umnutzung ehemaliger Galeria-Kaufhof-Standorte zeigte er Möglichkeiten auf, Wohnen und Arbeiten unter einem Dach zu vereinen. Investitionen in den Wohnungsmarkt müssten sich auch ohne Förderungen lohnen können. Um den Gebäudebestand im großen Stil umnutzen zu können, müsse sich auch das Planungsrecht ändern, forderte Prof. Krys.
Gebäude als Rohstoff-Tank
Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, als Eigentümer und Verantwortlicher fast aller Liegenschaften des Landes NRW und einer der größten Immobiliendienstleister Europas, betrachte seine Immobilien über den gesamten Lebenszyklus, erläuterte Gabriele Willems. Die Architektin und Geschäftsführerin des BLB NRW machte deutlich, dass „jede Immobilie ein Rohstoff-Tank ist“. Ausgebaute Materialien sollten möglichst drittverwendungsfähig aufgearbeitet und auf einer Bauteilbörse angeboten werden. Ziel aller Planungen müsse es heute sein, multifunktionale Nutzungen zu ermöglichen und damit auch Flächen zu reduzieren. „Die Digitalisierung unterstützt dabei wesentlich die Optimierung der technischen Regelungen“, so Gabriele Willems. Bestehende und neue Dachflächen würden durch den BLB NRW im großen Maßstab zur Solarenergiegewinnung genutzt.
Grün statt grau!
„Grün statt grau“ - so lautete die Forderung des Landschaftsarchitekten René Rheims von „Kraft.Raum“ aus Düsseldorf. Er zeigte an gebauten Beispielen, wie Flächen entsiegelt und mit dem sozialen Raum verbunden werden können. „Der Mensch muss als Teil des Ökosystems verstanden werden“, so sein Leitmotiv. Wichtig sei es, mit dem Wasser zu planen, um Starkregenereignisse auffangen zu können; aber auch, um eine möglichst autarke Wasserinfrastruktur in unsere gebaute Umwelt zu integrieren. „Ohne blau kein grün“, resümierte René Rheims. „Wir brauchen kein fertiges Werk zu schaffen. Wir müssen Impulse geben, damit sich die Natur entwickeln kann.“ Diese dynamischen Prozesse seien nahezu überall an Fassaden, auf Dächern und auf Freiflächen möglich. Sie könnten für die Entwicklung der Artenvielfalt neue Räume bieten, um der größten Krise der Menschheit, der Biodiversitätskrise, entgegenzustehen.
KI zur grünen Optimierung?
Die Nutzung von „Künstlicher Intelligenz“ bei der Umsetzung nachhaltiger Architektur zeigte Architekt und Tenure-Track Professor Dr. Thomas Wortmann (Universität Stuttgart) auf. In der Planung seien Kubaturoptimierungen im Hinblick auf Tageslicht- und Windflussoptimierung möglich. Mit Hilfe KI-unterstützter Programme könne heute prognostiziert werden, wie Gebäude auf sich ändernde Anforderungen hin ausgerichtet werden können. Das gelte für den optimalen Einsatz natürlicher Materialien und für eine deutliche Prozess-Optimierung. „Das exponentielle Wachstum von Daten ist linear geworden. Somit kann die KI nicht mehr wahnsinnig viel lernen“, gab Prof. Dr. Wortmann allerdings zu bedenken. Ebenso könne die Künstliche Intelligenz nicht zwischen gut und schlecht unterscheiden, da sie nur Muster aus dem Datennetzwerk nutze.
Im der abschließenden Podiumsdiskussion fragte Moderatorin Susanne Wieseler, ob mit KI das Ende des Gestaltens erreicht sei. Hierbei zeigten sich jedoch alle Experten einig in der Einschätzung, dass KI nur Möglichkeiten zur Optimierung biete, aber keine Lösung sei. Um nachhaltig, klimagerecht und klimaangepasst zu bauen, bedürfe es keiner KI, sondern einfacher Methoden wie z.B. Grünflächen anzulegen und Bäume am Straßenrand zu pflanzen, meinte Prof. Andreas Krys. Eine Versöhnung von Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit wünschte sich René Rheims. Dem schloss sich Thomas Henningsen an und betonte, dass das eine das andere nicht ausschließe: „Wir müssen bauen und können gleichzeitig Maßnahmen ergreifen. Aber wir müssen es auch einfach machen!“
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