Vielfältige Impulse zum Entwicklungsstand von KI (v. r.): Florian von Schreitter, Martin Müller, Prof. Dr. Teena Chakkalayil Hassan, Shahin Farahzadi, Timo Schroeder und Moderator Christof Rose; nicht auf dem Bild sind die Referenten Matthias Zühlke und Prof. Dr. Markus König. – Foto: Architektenkammer NRW

Mehr Raum für die menschliche Intelligenz

Das Interesse der AKNW-Mitglieder an dem Themenfeld „Digitalisierung und KI“ ist enorm: Mit über 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer war die vierte „Regionalkonferenz Digitalisierung“ eine der am stärksten besuchten Veranstaltungen der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen im Jahr 2023. „Wir alle spüren, wie Künstliche Intelligenz unseren Alltag und unsere Arbeit durchdringt“, stellte AKNW-Präsident Ernst Uhing in seiner Einführung fest. „Als Kammer beschäftigt uns dabei auch die Frage, wie sich das Berufsbild insgesamt durch KI ändern wird.“ Uhing verwies auf ein neues Positionspapier zum Berufsbild und zur Rolle der Architektenschaft im Zeitalter Künstlicher Intelligenz, das der AKNW-Vorstand erst wenige Tage zuvor beschlossen hatte

20. Dezember 2023von Bendix Loevenich/Simon Adenauer

Das Leistungs- und Qualitätsversprechen, Fachverstand und Gefühl für Baukultur zeichneten die Architektenschaft aus, so Ernst Uhing weiter. „Wir sollten uns aber bewusst sein, dass wir die Chancen neuer Technologien gezielt nutzen müssen, um die Rolle als Systemführer auch weiterhin zu behalten.“

Prof. Dr. Teena Chakkalayil Hassan von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) verschaffte dem Zoom-Auditorium zunächst einen systematischen Überblick über die Welt der Künstlichen Intelligenz. Der Fokus liege derzeit auf generative KIs, die durch datenbasiertes Lernen dazu befähigt werden sollen, Inhalte zu erzeugen, die menschlichem Schaffen ähneln. „Daraus ergeben sich auch ethische Fragestellungen, die zeitnah geklärt werden müssen“, warnte Prof. Hassan. Die rasante Entwicklung Künstlicher Intelligenz in den vergangenen Monaten sei vor allem auf günstiger gewordene Hardware zurückzuführen - also sinkende Kosten für große Speicher- und Rechenkapazitäten. „Um eine regulierte Nutzung von Künstlicher Intelligenz zu ermöglichen, muss zunächst ein breites Verständnis in der Bevölkerung geschaffen werden“, postulierte Prof. Teena Hassan als aktuelle Herausforderung.

Bedeutung der Ausgangsdaten

Prof. Dr. Markus König von der Ruhr-Universität Bochum verdeutlichte, dass Künstliche Intelligenzen auf das Einspeisen sehr spezifischer Daten angewiesen sind. Dies gelte für KI, die Planerinnen und Planer bei ihren Aufgaben unterstützen sollen, in besonderer Weise. „Die KI ist bislang nur so klug, wie die Daten, auf die sie zugreifen kann“, betonte König. Erfolgreich genutzt würden künstliche Intelligenzen in diesem Bereich bereits bei Bestandsmodellierungen. Prof. König stellte einen „Brandschutz-Algorithmus“ vor, der automatisiert innerhalb eines Kamerabildes brandschutzspezifische Komponenten wie Feuerlöscher, Sprinkleranlagen und Rettungswegeschilder erkennt. Markus König warb bei der weiteren Entwicklung für eine stärkere Kooperation zwischen Forschung und Wirtschaft.

KI schafft Freiräume

Den Bogen zur Wirtschaft spannte Florian Schreitter Ritter von Schwarzenfeld, der als Executive Vice President der Thomsen Group Unternehmen bei technologischen Herausforderungen berät. Er verwies auf Studien, die prognostizierten, dass durch Künstliche Intelligenz etwa ein Drittel aller Jobs der Architektenschaft ersetzt werden könnten. Das sei eine gute Botschaft, so von Schreitter, weil dadurch dem Fachkräftemangel begegnet werden könne und stereotype Aufgaben entfielen. „Der Mensch mit seiner humanen Intelligenz und Herzensbildung ist für das Gelingen eines Projektes unverzichtbar. Die Grundvoraussetzung hierfür ist eindeutig die Bildung“, unterstrich Florian von Schreitter die soziale Komponente. Viele große Unternehmen hätten dies bereits erkannt. Im internationalen Vergleich sah der Unternehmensberater von Schreitter Deutschland allerdings bei der Entwicklung und Implementierung von KI nicht auf einem Spitzenplatz. „Wir müssen dringend aufholen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.“

Grundstücksscharfe Immobilienanalysen

Praktische Anwendungen von KI im Planungsbereich präsentierten zwei Start-Up-Unternehmen. Der Münsteraner Architekt Matthias Zühlke hatte mit einem Partner im Jahr 2021 das Start-up „syte“ gegründet, das mithilfe Künstlicher Intelligenz das Baupotenzial von Grundstücken bundesweit abrufbar macht und mit vielen weiteren, grundstücksscharfen Ergänzungsdaten verknüpft. Zühlke machte in seiner Live-Online-Präsentation deutlich, dass „syte“ insbesondere im Hinblick auf eine Nachverdichtung und auf eine nachhaltige Stadtentwicklung ein gutes Werkzeug sein könne, um ungenutzte Potenziale zu heben. Das Publikum war sichtlich begeistert. So sorgte die plötzlich hohe Zahl von Zugriffen auf „syte“ nach dem Beitrag von Matthias Zühlke sogar kurzzeitig für ausgefallene Server bei dem jungen Unternehmen.

Automatisierung von Planungsabläufen

Auch Shahin Farahzadi und Timo Schroeder vom Kölner Start-up „Rehub Forge“ stellten ihre Software im Livestream vor. Ihrer Auffassung kann KI vor allem wiederkehrende Arbeiten - wie das Abmessen von Abstandsflächen oder die Einhaltung von Stellplatzschlüsseln - automatisieren. „Damit können wir uns als Planer wichtigeren Aufgaben stellen, etwa im Bereich der Nachhaltigkeit“, so Timo Schroeder.  Den Beruf der Architektin und des Architekten sahen die beiden Jungunternehmen entsprechend nicht in Gefahr, betonen jedoch, dass nach ihrer Überzeugung nur Unternehmen eine Zukunft haben würden, die sich mit der neuen Technologie auseinandersetzen und diese perspektivisch nutzen. Mit „Rehub Forge“ entwickelten Farahzadi und Schroeder bereits mehrere Algorithmen für verschiedene Anwendungszwecke. So können mit einer Anwendung Energiepotenzialanalysen vorgenommen werden; eine andere kann Grundrisse automatisch generieren. „Stereotype Planungsschritte werden dadurch viel schneller und einfacher durchgeführt“, erläuterte Shahin Farahzadi. Auch ließen sich hierdurch Lebenszykluskostenanalysen bereits im Vorentwurf realisieren.

Auch AKNW-Vorstandsmitglied Martin Müller, Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer, warb in seinem Resümee unter die vierte „Regionalkonferenz Digitalisierung“ für eine technologie-offene Haltung der Architektenschaft. „KI steht sicherlich noch am Anfang der Entwicklung und hat großes Potential, um repetitive und informationsbasierte Aufgaben zu erleichtern“, erklärte Müller. Aufgabe der Kammern sei es, nun „die relevanten Stellschrauben zu erkennen und mit unserem Wissen für eine gute Baukultur zu besetzen“.

Weiterführung in den „digitalMondays“

Der Moderator der Regionalkonferenz und Abteilungsleiter „Medien + Kommunikation“ der Architektenkammer NRW, Christof Rose, verabschiedete die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Hinweis auf die nächste Staffel der „digitalMondays“. An den ersten drei Montagen im März 2024 um jeweils 18.30 Uhr wird das Thema KI erneut - dann jeweils mit einem Schwerpunktvortrag - aufgegriffen.

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