NRW wohnt: Bauen mit sozialem Anspruch
„Sozialer Wohnungsbau - da denken die meisten Menschen an unwirtliche Großsiedlungen, schwierige Mietergruppen, fehlende Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder.“ Anke Bruns, WDR-Journalistin und Moderatorin des Abends, ging in ihrer Einführung in das Thema „Teilhabe für alle - Wohnen mit sozialem Anspruch“ auf das Imageproblem ein, mit dem die öffentliche Wohnraumförderung noch immer zu kämpfen hat. Dass diese Vorurteile auf den jüngeren geförderten Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen nicht mehr zutreffen, belegte die Diskussionsveranstaltung der Architektenkammer NRW im Rahmen der Aktionsplattform „NRW wohnt“ sehr eindrucksvoll.
Rund 200 Architekten und Stadtplaner, aber auch an neuen Bauformen interessierte Bürgerinnen und Bürger kamen am 17. September in das Bürgerzentrum in Köln-Nippes, um sich über den aktuellen Stand des sozialen Wohnungsbaus in NRW zu informieren und um zu diskutieren.
Auch NRW-Bauminister Lutz Lienenkämper räumte in seiner Rede ein, dass die soziale Wohnraumförderung vermutlich „der am meisten unterschätzte Teil“ der Arbeit seines Ministeriums sei. Diese Einschätzung sei aber grundlegend falsch, da 50 - 60 Prozent der Haushalte in Nordrhein-Westfalen einen Anspruch auf Wohnraumförderung hätten. „Das Thema betrifft also nicht Randgruppen, sondern die Mitte der Gesellschaft.“ Aus diesem Grunde versprach der Bauminister des Landes NRW, dass die soziale Wohnraumförderung „in den kommenden Jahren bedarfsgerecht auf hohem Niveau fortgeführt“ werde. „Ich werde mich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass unsere Wohnraumförderung Qualitätsimpulse für zukunftsfähiges Wohnen setzt“, betonte Lienenkämper.Der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Hartmut Miksch, hob in seiner Rede die besondere gesellschaftliche Bedeutung des geförderten Wohnungsbaus hervor. „Die Öffentliche Hand hat in diesem Bereich nicht nur eine besondere sozialpolitische Aufgabe und Verantwortung, die in einem einwohnerstarken Land wie Nordrhein-Westfalen langfristig erhalten werden muss.“ Zudem stelle dieses Segment des Wohnungsmarktes auch aus städtebaulicher Sicht ein wichtiges Steuerungselement dar. „Immerhin hat der geförderte Wohnungsbau bei uns konstant einen Anteil von 20 % an den Wohnungsneubauten.“
Damit steht der geförderte Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen auf einem hohen Niveau. Bundesweit liegt der Durchschnitt bei etwa zehn Prozent, wie Dr. Marie-Therese Krings-Heckemeier, die Vorstandsvorsitzende des Bonner Empirica-Instituts, feststellte. „Es gibt in NRW eine stark ausgeprägte Tradition im sozialen Mietwohnungsbau.“ Gleichwohl müssten Politik und Architekten im Auge behalten, dass bei vielen geförderten Wohnungen die Mietbindungen in den nächsten Jahren ausliefen. Gegenwärtig seien noch etwa zehn Prozent des Bestandes preisgebunden, bis zum Jahr 2015 könne es aber in einigen Regionen zu einem Rückgang von bis zu 40 Prozent kommen. Als aktuelle Aufgaben beschrieb Dr. Krings-Heckemeier den barrierearmen Umbau des Bestands und insgesamt altengerechte Wohnformen. „Machen Sie sich bitte klar: In wenigen Jahren werden mehr als die Hälfte der Deutschen älter als 50 Jahre sein.“
Im zweiten Teil der NRW wohnt-Veranstaltung standen dann auch drei aktuelle Objektbeispiele, die zumindest teilweise mit öffentlicher Förderung realisiert wurden. In allen drei Fällen haben sich interessierte Mieterinnen und Mieter zusammen getan, um ein gemeinschaftsorientiertes Wohnprojekt für Jung und Alt, teilweise auch unter Integration von behinderten Menschen, zu realisieren.
Die Erfahrungsberichte der Mieterinnen und Mieter der drei vorgestellten Wohnprojekte zeigten, dass der Weg vom ersten Gedanken an eine gemeinschaftsorientiertes Wohnen bis hin zur Realisierung eines solchen Neubauvorhabens sich über Jahre hinziehen kann.
„Wir mussten lange suchen und durchhalten, bis wir endlich einen Investor gefunden haben“, erinnerte sich Annelie Appelmann vom Projekt Ledo in Köln-Niehl. Schließlich erklärte sich die GAG, eine Tochtergesellschaft der Stadt Köln, dazu bereit, das Wagnis einzugehen. „Als Wohnungsbaugesellschaft haben wir den Anspruch, auch innovative Ansätze zu erproben“, begründete Elmar Lieser von der GAG das Engagement. Insgesamt fünf solcher Projekte verfolge die GAG derzeit in der Domstadt. Die ersten Erfahrungen zeigten, dass der erhöhte Aufwand, den solche Prozesse in der Planungsphase auslösten, sich dadurch rechtfertige, dass später die Mieterzufriedenheit und die Mieterbindung sehr viel höher sei, als in den üblichen Wohnobjekten.
Das bestätigten auch Monika Nolte und Ute Harrsen. „Wir haben hier immer eine tolle Stimmung, selbst in unseren Routine-Sitzungen“, erzählte Ute Harrsen, die auf den Rollstuhl angewiesen ist und aus diesem Grund gezielt in das Ledo-Projekt eingestiegen ist.Ähnliche Erfahrungen schilderten auch Georg Potschka (Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Ehrenfeld) und Norbert Fürneisen (Wohnen für Jung und Alt e.V.). Auch ihr Hausbauprojekt zog sich über viele Jahre hin, bis die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Ehrenfeld die Baumaßnahme schließlich realisierte. „Wir haben eine lange Tradition mit alternativen Projekten“, erläuterte Georg Potschka. Wichtig bei dem Vorhaben Jakob-Schupp-Straße sei es von Anfang an gewesen, auch Pflegewohnungen für alte und behinderte Menschen zu integrieren. Heute umfasst das Haus 30 Wohneinheiten, davon sieben für Pflegebedürftige.
„Für ein Wohnungsunternehmen ist es hilfreich, eine neutrale dritte Person in das Verfahren einzubinden“, stellte Georg Potschka fest. Die Funktion eines Moderators und im Streitfall auch Mediators habe sich in der Praxis sehr bewährt.
Je ein Drittel der Wohnungen an der Jakob-Schupp-Straße sind über die Förderwege A und B bzw. frei finanziert worden. „Eine gute Mischung“, meinte Norbert Fürneisen. Die Wohnungen seien sehr begehrt, die Wartelisten entsprechend lang. „Wir helfen aber gerne auch anderen Gruppen, die ein ähnliches Projekt planen, und bieten regelmäßig Führungen durch unser Haus an.“Auch das Bonner Projekt „Amaryllis“ hatte eine lange Vorlaufzeit. „1992 haben sich sieben interessierte Männer und Frauen zusammen getan, um ein gemeinschaftsorientiertes Wohnhaus zu errichten“, erzählte Gela Krug von der Amaryllis eG. Von denen sei heute aber niemand mehr an Bord. Es fanden sich aber über die Jahre andere Interessierte, die einstiegen und schließlich mit den Architekten Birgit Siebenmorgen und Bodo Frömgen-Siebenmorgen die lang gehegten Pläne in die Tat umsetzen konnten. „Der Durchbruch kam, als die Architekten in das Projekt einstiegen“, betonte Gela Krug.
Die 30 Wohnungen in dem Gebäudekomplex wurden allesamt in enger Abstimmung mit den Bewohnern geplant, erläuterte Birgit Siebenmorgen. Keine Wohnung sei wie die andere, alle wurden individuell zugeschnitten. „Ein solcher partizipatorischer Prozess ist wirklich nicht leicht“, stellte Birgit Siebenmorgen fest. Als Architektin habe sie ständig eine heterogene Großgruppe führen und steuern müssen. „Der Vorteil ist aber, dass in dem Prozess diese Gruppe eng zusammengeschweißt wird, so dass eine sehr stabile und belastbare Nachbarschaft entsteht.“
Zwischen 15.000 und 40.000 Euro Genossenschaftsanteile mussten die Bauherren in ihr Projekt einbringen. Notwendig sei außerdem die Bereitschaft, sich stark einzubringen, hob Gela Krug hervor: „Die Selbstverwaltung unserer Objektes kostet viel Zeit und Kraft.“ Dennoch lohne sich der Aufwand, denn die Zufriedenheit alle Mieterinnen und Mieter in Amaryllis sei sehr hoch.Auf der Veranstaltung „NRW wohnt“ in Köln wurde abschließend die Frage diskutiert, inwieweit solche Projekte der Standard im sozialen Wohnungsbau werden könnten. Alle Beteiligten waren sich einig, dass die Nachfrage nach solchen die Generationen übergreifenden, auf gelebte Nachbarschaft ausgerichtete Wohnformen steige. „Wir werden vermehrt solche Objekte bauen - sie bleiben aber auf mittlere Sicht die Ausnahme“, so Elmar Lieser von der GAG.
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