Podiumsdiskussion zum Thema „Bauen im Bestand“

Podiumsdiskussion: "Bauen im Bestand - Sanierung oder Abriss?"

„Deutschland ist schon gebaut.“ Was allerdings heißt das für Architekten? - Mit dieser Frage beschäftigte sich die Podiumsdiskussion „Bauen im Bestand - Sanierung versus Abriss?“, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe „architekturimpulse“ der Energieagentur NRW in Kooperation mit der Architektenkammer NRW stattfand. In einem der schönsten Beispiele für eine gelungene Sanierung in Nordrhein-Westfalen, der ehemaligen Zeche Nordstern in Gelsenkirchen, diskutierten am 30. November Experten aus Architektur, Städtebau, Wohnungswirtschaft und Gebäudetechnik über die „Lust“ und die „Last“ mit Sanierungsobjekten.

08. Dezember 2006von Natalie Masche

Für Prof. Petzinka, den Geschäftsführer der TreuHandStelle (THS) und damit Hausherrn in der Zeche Nordstern, ist Sanierung „eher Lust als Last". Viele Architekten und Ingenieure sehen jedoch das Bauen im Bestand mehr als notwendiges Übel, als das „Schwarzbrot" der täglichen Arbeit. „Junge Architekten wollen eine neue Welt bauen", fasste Architekt Klaus Beck als Moderator die Stimmung zusammen.

Hartmut Miksch, Präsident der Architektenkammer widersprach dem deutlich: "Es gibt kein Schwarzbrot." Für den Präsidenten der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen geht es in der Architektur nicht um die Frage „Neubau" oder „Bestand", sondern darum, aktuellen Problemen wie zum Beispiel den Schrumpfungsprozessen der Bevölkerung angemessen zu begegnen. Zum ersten Mal, so Miksch, hätten Architekten jetzt durch behutsamen Rückbau die Chance, die Defizite der Städte zu vermindern.

Einig waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion darin, dass auch an Hochschulen und in der öffentlichen Diskussion mehr Wert auf das Thema „Bestand" gelegt werden, mehr dafür geworben werden müsse - zum Beispiel durch Wettbewerbe bei Sanierungsaufgaben.

Breiter Konsens herrschte ebenfalls bei der Forderung von Prof. Rudolf Scheuvens (scheuvens + wachten GBR), der aus Sicht des Stadtplaners anregte, in der Diskussion um die Bestandssanierung das Thema „Abriss" nicht auszuklammern. „Die Städte müssen sich heute mit einem großen Prozentsatz an alten Gebäuden mit schlechten energetischen Eigenschaften auseinandersetzen", so Scheuvens. „Dabei gibt es auch Fälle, in denen man über einen Abriss nachdenken muss." Diese Diskussion werde jedoch gar nicht erst geführt.Abriss ja - aber wer entscheidet, was erhaltenswert ist? Ab wann rechnen sich die investierten Kosten? Prof. Dr. Norbert Fisch vom Institut für Gebäude- und Solartechnik der TU Braunschweig stellte dazu klar, dass energetische Sanierung nur 10 - 20 Prozent der Investitionen wieder einbringe, „der Rest muss über Fläche und Attraktivität kompensiert werden".

Bekräftigt wurde dies auch von Prof. Scheuvens: „In einer Zeit, in der wir von allem viel zu viel haben, ist Qualität wichtig." Qualität und Attraktivität, darüber waren sich die Diskutanten auf dem Podium einig, seien wichtige Kriterien für die Entscheidung über Abriss oder Sanierung. Letztlich lägen Entscheidung und Verantwortung jedoch bei den Experten. „Es gibt kein Rezept", so Hartmut Miksch, „jedes Gebäude hat seine Geschichte, und jedes Gebäude muss untersucht werden, ob es Bestand hat. Die Verantwortung haben hier die Fachleute wie Architekten und Ingenieure."

Die Entscheidung für oder gegen Bestandssanierung sollte jedoch nicht nur mit Blick auf Einzelwünsche und -bedürfnisse und den aktuellen Zeitgeist, sondern auch im Hinblick auf die Struktur und die Zukunft des Viertels, der Stadt, der Region getroffen werden. „Wer den Zeitgeist heiratet, wird ganz schnell Witwe", kommentierte Prof. Dr. Roland Günther, Kunsthistoriker und engagierter Streiter gegen den „Abrisswahn von Politik und Verwaltung". Eine abschließende Forderung von Prof. Günther war daher auch die Bildung von Netzwerken und die Entwicklung von zukunftsfähigen Strukturplänen durch Fachleute.

„architekturimpulse" ist eine gemeinsame Veranstaltungsreihe der Energieagentur NRW und der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen.

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