Politikberatung durch Planungsbeiräte - Erfahrungsaustausch im Haus der Architekten

Politikberatung durch Planungsbeiräte

„Dienen Beiräte für Stadtgestaltung der Qualitätssicherung, lenken sie Bewusstsein auf Architekturqualitäten - oder sind sie ein Gremium, in dem einige Häuptlinge über andere Häuptlinge entscheiden?“ Mit diesen provozierenden Fragen führte Dr. Ulrich Hatzfeld in eine Diskussionsrunde mit Vertretern der NRW-Planungsbeiräte und Kommunen ein.

13. September 2005von Herbert Lintz

„Dienen Beiräte für Stadtgestaltung der Qualitätssicherung, lenken sie Bewusstsein auf Architekturqualitäten im Alltag - oder sind sie ein Gremium, in dem einige Häuptlinge über andere Häuptlinge entscheiden?“ Mit provozierenden Fragen wie diesen führte Dr. Ulrich Hatzfeld als Moderator in eine Diskussionsrunde ein, zu der sich Vertreter nordrhein-westfälischer Planungsbeiräte und Kommunen Ende August im Haus der Architekten in Düsseldorf trafen. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hatte zum zweiten Mal zu einem intensiven Erfahrungsaustausch eingeladen. „Die Zahl der Gestaltungs- und Planungsbeiräte in Nordrhein-Westfalen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen“, stellte AKNW-Vizepräsident Michael Arns zur Begrüßung der Teilnehmer fest. „Immer mehr Gemeinderäte erkennen das Potenzial an Sachverstand und politischer Argumentationskraft, die in der Einrichtung eines solchen Beratungsgremiums liegt.“ Vertreter aus insgesamt 22 Städten kamen am 23. August im Haus der Architekten zusammen, davon 18 mit aktiven Beiräten, zwei mit ruhenden Gremien sowie zwei Städte, in denen über die Einrichtung eines Gestaltungsbeirates nachgedacht wird. 

Themen und Besetzung

Der Erfahrungsaustausch der Runde im Haus der Architekten zeigte, dass sich die Beiräte überwiegend mit Objekten in der Innenstadt, mit stadtbedeutsamen Projekten, denkmalpflegerischen Maßnahmen oder Fällen, die nach § 34 BauGB zu beurteilen sind, befassen. Oft werden Gespräche mit den Architekten und Investoren geführt, in der Regel gibt der Beirat seine Empfehlungen direkt an die Politik und die Verwaltung.

Für die Besetzung eines Planungsbeirates mit externen Architekten spricht nach den Erfahrungen der Diskussionsteilnehmer deren Unabhängigkeit von der Kommunalpolitik und die Vermeidung von örtlichen Konkurrenzsituationen; Vorteile eines mit ortsansässigen  Architekten besetzten Gremiums liegen in der Ortskundigkeit und besseren Informationen der Mitglieder.

Nach Einschätzung des Moderators des Erfahrungsaustausches, Dr. Ulrich Hatzfeld vom Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes NRW, gibt es in vielen Städten und Gemeinden ein grundsätzliches Interesse an der Arbeit von Gestaltungsbeiräten. Hatzfeld verwies auf die weiterhin hohe Nachfrage nach der Broschüre „Beiräte für Stadtgestaltung in NRW, Beispiele aus der Praxis“, die von der Initiative StadtBauKultur NRW herausgegeben wird und Kommunen zur Einrichtung von Planungsbeiräten anregt.

Auch Rolf Westerheide, Architekt und Stadtplaner aus Aachen und Vorsitzender des örtlichen Architektenbeirats, konstatierte in seinem Impulsreferat, dass Planungsbeiräte in vielen Kommunen positiv gesehen würden. „Da nimmt es doch Wunder, dass in der Praxis nur ein Bruchteil unserer Städte sich tatsächlich dieses Instrumentes bedient“, urteilte Westerheide, der auch Mitglied im Vorstand der Architektenkammer NRW ist. „Von den 396 Gemeinden und 31 Kreisen in NRW haben gerade einmal 18 aktive Gremien eingeführt“, so Westerheide.

Vergleiche man dies mit dem österreichischen Vorarlberg, wo selbst in der kleinsten Gemeinde Architekturexperten in die Arbeit der Gemeinderäte eingebunden würden, müsse man schon fragen, woran diese Zurückhaltung in Deutschland liege.

Westerheide formulierte den Wunsch, dass ein wesentliches Ziel der Arbeit von Gestaltungsbeiräten darin liegen müsse, die Qualität der alltäglichen Architektur und des Städtebaus anzuheben - und nicht nur Highlights zu diskutieren. „Die Arbeit an der architektonischen und städtebaulichen Qualität ist eine Daueraufgabe jenseits der Parteipolitik!“           

Dass Beiräte politisch gewollt sein müssen, wurde in der Diskussion schnell klar. Oft fehlen in den Fachausschüssen der Gemeinden sachkundige Ratsmitglieder, was zu Entscheidungsunsicherheit im Rat führen kann; oder es besteht der Wunsch, Ratsbeschlüsse fachlich untermauern zu lassen. Vielerorts drängen die ansässigen Architekten darauf, ein Beratungsgremium in ihrer Stadt zu etablieren. Oft können sie Verbündete finden, sei es der örtliche Heimatverein oder Künstlergruppierungen. Und manchmal hilft auch der Zufall: Eine Exkursion des Rats in eine Kommune mit hoher Gestaltqualität kann den politischen Wunsch verstärken, so etwas auch in der eigenen Stadt etablieren zu wollen. 

Politiker in den Beirat?

Die Planungsrat-Experten in der Diskussionsrunde vertraten überwiegend die Auffassung, dass die Kommunalpolitik in den Beirat gehöre. Lediglich ein einziger Beirat in NRW bildet sich seine Meinung ohne politische Beteiligung. Ansonsten sind in den übrigen Gremien generell Repräsentanten der Ratsfraktionen vertreten.

Unterschiedliche Ansichten gibt es aber schon in der Frage, ob die Mandatsträger stimmberechtigt mitarbeiten sollen oder ohne Stimmrecht im Beirat mitwirken. Auf keinen Fall dürfe es sich um einen reinen Fachzirkel handeln, da alleine schon der Dialog zwischen Architekten, Stadtplanern und Politikern eine Sensibilisierung des Rates und seiner Gremien erzeugen könne und ein Gewinn für die Baukultur sei. Außerdem müssen aus Sicht der Planungsbeiräte Politiker alleine schon deshalb in den Prozess der Entscheidungsfindung einbezogen werden, weil sie am Schluss das weitere Vorgehen zu vertreten haben. Sie sind diejenigen, die das Votum des Gestaltungsbeirates in die Fraktionen tragen müssen. Vereinzelt können auch kritische Projekte politisch  leichter durchgesetzt werden, wenn ein unterstützendes Votum des Beirats vorliegt.

Einig waren sich die Vertreter der nordrhein-westfälischen Gestaltungsbeiräte darin, dass die Sitzungen der Beiräte in der Regel nicht öffentlich stattfinden sollten. Manches Projekt werde in einem frühen Stadium diskutiert, manche kritische Diskussion um einen Entwurf könne nur dann fruchtbar sein, wenn Vertrauen und Vertraulichkeit vorherrschen. Ein Beirat müsse die Gelegenheit haben, zunächst in geschützter Position eine Fachmeinung zu erarbeiten.

Anderes verhalte es sich bei Satzungen und Bebauungsplänen. Diese seien sowieso öffentlich, so dass sich hier ein Beirat sehr früh und öffentlich zu Wort melden könne.

Vertreter verschiedener Gestaltungsbeiräte wiesen darauf hin, dass es immer wieder auch Projekte gebe, zu denen sich der Beirat öffentlich und zur Not auch ungefragt äußern müsse. In bestimmten Situationen müsse es gestattet sein, die Allgemeinheit zu informieren und auf mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig aufmerksam zu machen.

Aber auch das gibt es: Mancherorts wird die Arbeit eines Gestaltungsbeirates überhaupt nicht wahrgenommen. Wie es hieß, werde über die Arbeit einzelner Beiräte so gut wie gar nicht in den Medien berichtet, die örtliche Presse sei uninformiert und reagiere nicht in gewünschter Weise auf entsprechende Informationen.

Es wurde daher vereinbart, dass die Kammer künftig in loser Reihe über die Arbeit aus den Gestaltungsbeiräten berichtet, um so das Profil dieser Gremien transparenter zu machen.  

Keine gesetzliche Verankerung

Die Zusammenarbeit mit den Kollegen der Fachverwaltungen wurde übereinstimmend als gut bewertet. Es bestehe ein gegenseitiges Interesse an qualitätvollen Entscheidungen und Ergebnissen. Das Votum eines Beirats kann das Verwaltungshandeln unterstützen, sowohl gegenüber Bauherren als auch gegenüber der Politik.

Die Frage, ob die Beiräte einer gesetzlichen Verankerung bedürfen, wurde von den Teilnehmern der Diskussionsrunde mit einem klaren „Nein“ beantwortet. Die Praxiserfahrung zeige, dass hierfür keine Notwendigkeit bestehe. Die Stellungnahmen und Empfehlungen der Beiräte würden sowieso nur dann gehört, wenn sie von allen Beteiligten gewollt sind und wenn der fachliche Rat von der Politik erwünscht sei. Die Kommune müsse aus sich heraus ihren Qualitätsanspruch formulieren, sie sollte ihre Anforderungen an Architektur und Städtebau immer wieder neu diskutieren und definieren. Dabei müssten die Kommunen auch auf weitere Instrumente zurückgreifen - an erster Stelle sei hier die Intensivierung des Wettbewerbwesens genannt.

Oder wie es Ulrich Hatzfeld in seinem Schlusswort formulierte: „Es geht darum, diese Arbeit, die aus einem riesigen privaten Engagement heraus entsteht, einzubetten in die Arbeit der Kommunen. Ziel der Fachleute ist es nicht, Restriktionen zu setzen, sondern positive Impulse zu setzen für städtebauliche Qualitäten.“  

Beiräte in NRW 

Langjährige Gestaltungsbeiräte bestehen in den Städten Aachen, Bielefeld, Detmold, Dortmund, Duisburg, Gütersloh, Herford, Krefeld, Köln, Moers, Münster, Siegen, Unna, Wesel und Wuppertal.

Neu hinzugekommen sind in jüngster Zeit die Beiräte der Städte Bünde, Castrop-Rauxel und Mülheim an der Ruhr.

Derzeit nicht mehr aktiv sind die Beiräte in Bottrop und Neuss, weil sie für zwischenzeitlich abgeschlossene Entwicklungsmaßnahmen zuständig waren. Gründungsüberlegungen gibt es in den Städten Alsdorf und Witten. 

Download der Broschüre „Beiräte für Stadtgestaltung in NRW, Beispiele aus der Praxis“ unter www.stadtbaukultur-nrw.de .  

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