PPP - eine Perspektive für den Berufsstand? - Nordrhein-Westfalen realisiert erste Projekte im Schulbau

PPP - eine Perspektive für den Berufsstand? - Nordrhein-Westfalen realisiert erste Projekte im Schulbau

Angesichts der Ebbe in den öffentlichen Kassen setzt der Staat verstärkt auf Public Private Partnership (PPP). Das Ziel: Durch Einbeziehung privater Investoren sollen Infrastruktur-Projekte verwirklicht werden, die der Staat allein nicht mehr finanzieren kann. In NRW hat die Landesregierung jetzt mehrere Pilotvorhaben angeschoben. Das hat auch Auswirkungen für die Architekten - positive und negative.

16. Juni 2003von Christine Mattauch

Was macht PPP so attraktiv? Nach Überzeugung der PPP-Befürworter profitiert von dem Trend die gesamte Volkswirtschaft, denn Erfahrungen in anderen europäischen Staaten zeigen, dass Private die Leistungen erheblich kostengünstiger erbringen als die öffentliche Hand. In Großbritannien etwa liegt der Einspareffekt für den Staat bei durchschnittlich 17 Prozent der Kosten, ermittelte der britische Rechnungshof. Das sind Effizienzgewinne, die allen Steuerzahlern zu Gute kommen und die die öffentlichen Haushalte entlasten. Für den Staat liegt der Vorteil aber auch darin, dass er Mittel, die er sonst auf einen Schlag aufbringen müsste, über einen längeren Zeitraum - 20, 25 oder 30 Jahre - verteilt.
Beim Neubau sind zum Beispiel Lösungen möglich, bei denen ein privater Träger ein öffentliches Gebäude errichtet und der Staat nur noch als Mieter auftritt. Bei Sanierungen im Bestand kann ein privates Unternehmen für Renovierung und Bauunterhalt des Gebäudes sorgen, die öffentliche Hand zahlt dafür jährlich ein Entgelt. Auf diese Weise wird es möglich, größere Investitionsvorhaben zu verwirklichen, für die bei herkömmlicher Finanzierung die Mittel fehlen: Nach einer Untersuchung des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie gaben Länder und Gemeinden im Jahr 2002 für Baumaßnahmen nur noch 274 Euro je Einwohner aus, das war nahezu ein Drittel weniger als vor zehn Jahren."Deutschland holt auf"

In anderen Ländern ist die Partnerschaft zwischen Staat und Privatwirtschaft längst an der Tagesordnung. In Großbritannien zum Beispiel liegt der PPP-Anteil an den öffentlichen Bauinvestitionen bei 20 Prozent, allein zwischen 1997 und 2000 wurden dort über 250 PPP-Projekte umgesetzt. Hier zu Lande gibt es erst wenige Beispiele wie den Bau des Warnow-Tunnels bei Rostock. Achim Großmann, Staatssekretär im Bundesbauministerium, ist aber sicher: "Deutschland beginnt aufzuholen." Tatsächlich sind die Vorbereitungen zur Förderung von PPP auf Bundes- und auf Landesebene in vollem Gange:

  • Die Bundesregierung hat vor einem Jahr einen "Lenkungsausschuss Public Private Partnership" installiert und will in naher Zukunft ein Kompetenzzentrum einrichten, das Kommunen und private Unternehmen bei PPP-Projekten im Hochbau unterstützt. Die Gründung des Kompetenzzentrums wird von einem Gutachterkonsortium unter Führung der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers vorbereitet.
     
  • Nordrhein-Westfalen hat bereits Ende 2001 eine PPP-Initiative ins Leben gerufen. Eine dreiköpfige Projektgruppe ("Task Force") im NRW-Finanzministerium hat Konzepte für Pilotprojekte erarbeitet, die zurzeit umgesetzt werden.

Bei diesen Pilotprojekten geht es zum einen um die Errichtung einer Justizvollzugsanstalt (JVA) im Großraum Düsseldorf/Duisburg für 854 Häftlinge, zum anderen um den Neubau, die Sanierung und den Bauunterhalt von Schulgebäuden. Gerade im Bildungsbereich ist der Investitionsbedarf gewaltig: Eine Analyse des Betriebswirtschaftlichen Instituts der
Bauindustrie hat ergeben, dass mehr als 75 Prozent der rund 6300 öffentlichen Schulen in NRW über 25 Jahre alt sind und einer Generalsanierung dringend bedürfen.

Hohes Interesse der Kommunen

Für die Realisierung der JVA als PPP-Projekt hat NRW-Justizminister Wolfgang Gerhards Anfang Juni grünes Licht gegeben. Er favorisiert ein Modell, bei dem ein privater Investor neben der Planung, der Finanzierung und dem Bau auch teilweise den Betrieb der Anstalt übernimmt. Einer Machbarkeitsstudie zufolge spart das Land dadurch 54 Millionen €. Wann das Projekt verwirklicht wird, hängt von den Haushaltsberatungen ab.
Die Schulprojekte hingegen sind bereits angeschoben. Das Interesse von Städten und Gemeinden war groß, zumal es Zuschüsse aus der Landeskasse gab. Als Pilotkommunen wurden Monheim am Rhein, der Erftkreis, Witten und Meschede ausgewählt. In Monheim sollen 13 bestehende Schulen samt Turnhallen saniert werden, in Meschede 9 (16 Gebäude). Im Erftkreis geht es um den Neubau einer Sonderschule für Geistigbehinderte inklusive Turnhalle, in Witten um mehrere Sanierungsprojekte plus einen Erweiterungsbau. Für alle Projekte gilt, dass die Maßnahmen als Komplettauftrag an einen einzelnen Anbieter bzw. an ein Bieterkonsortium vergeben werden. In Monheim und im Erftkreis ist die Ausschreibung der Leistungen bereits erfolgt.

AKNW: Differenzierte Haltung

Die AKNW vertritt zu PPP eine differenzierte Haltung. Prinzipiell sieht der AKNW-Vorstand darin eine Chance, dringend erforderliche Infrastrukturverbesserungen zu erreichen. PPP biete “die realistische Aussicht, dass zumindest in bestimmten Bereichen des öffentlichen Bauens endlich wieder Investitionsmittel aufgebracht werden", so Vizepräsident Alfred Schlüter. Allerdings müssten die Freien Berufe darum kämpfen, dass sie im Zuge der Vertragsgestaltung zwischen öffentlichem Auftraggeber und privatem Investor nicht an die Seite gedrängt würden.
Diese Gefahr besteht in der Tat, denn PPP-Modelle kommen nur für Projekte ab einer gewissen Größenordnung in Frage. Ein Strategiepapier des NRW-Finanzministeriums gibt vor, dass das investive Volumen eines PPP-Projekts generell zehn bis 15 Mio. € nicht unterschreiten soll. Nur so seien über den Lebenszyklus eines Projekts "signifikante Effizienzvorteile" zu erwarten. Gemeint ist damit, dass die Transaktionskosten von PPP-Modellen vergleichsweise hoch sind: Allein die Vertragsverhandlungen unter Hinzuziehung von Anwälten, Finanz- und Steuerberatern verschlingen beträchtliche Summen. Diese Mehrkosten können nur wieder eingespielt werden, wenn die Einsparungen entsprechend groß sind.

Mittelstand beteiligt sich

Nicht nur für die AKNW, auch für die Politik stellt sich die Frage, ob und wie der Mittelstand inklusive Architekturbüros in Projekte dieser Größenordnung eingebunden wird. In dem Strategiepapier heißt es dazu: "Für die Akzeptanz von PPP-Modellen und den Erhalt der mittelständisch geprägten Wirtschaftsstrukturen ist es notwendig, dass auch dem Mittelstand die Chance gegeben wird, sich an PPP-Projekten angemessen zu beteiligen." Die "Task Force" des Ministeriums solle Mittelständler daher “bei der Neupositionierung im Markt unterstützen".
Das geschieht offenbar. Der Leiter der Task Force, Dr. Frank Littwin, berichtet, dass sich bereits eine ganze Reihe von mittelständischen Unternehmen im Finanzministerium gemeldet hätten, die Interesse an PPP zeigen. Sie würden über Modelle und Strukturen beraten. Anscheinend mit Erfolg: Unter den Bieterkonsortien, die sich für die Schulprojekte gebildet haben, befinden sich nach Angaben Littwins zahlreiche Mittelständler, die sich zu Verbünden zusammengeschlossen hätten. An einigen seien auch Planungsbüros beteiligt.

Chancen auch für Architekturbüros

Ist das die Zukunft für den Berufsstand - der Architekt als Partner im Bieterkonsortium? Wohl nur für einen kleinen Teil der Kollegen. Denn wer bei Projekten dieser Größenordnung mitmischen will, braucht selbst eine gewisse Mindestgröße, um von Banken und Unternehmen akzeptiert zu werden. Und selbst mittelgroße Architekturbüros werden vermutlich nur in Ausnahmefällen bereit und in der Lage sein, die nicht unbeträchtlichen Bieterkosten aufzubringen - Stichwort Anwaltshonorare. Wahrscheinlicher ist da schon, dass gerade mittelständische Bieterkonsortien im Fall des Zuschlags "ihre" Architekturbüros in die Planung einbeziehen, sozusagen als Subunternehmer.
Selbst das klassische Ein-Mann-Büro könnte aber von dem Trend zu PPP profitieren. Littwin verweist unter anderem auf den erhöhten Beratungsbedarf der Kommunen: Bei den Pilotprojekten habe sich gezeigt, dass insbesondere kleinere und mittlere Kommunen verstärkt auf freie Architekten zurückgriffen, wenn es um Bestandsaufnahmen und Ausschreibungen ging. Schließlich müsse man berücksichtigen, dass es sich bei PPP um Projekte handele, die andernfalls nur in einem reduzierten Umfang oder wesentlich später realisiert würden. Littwin: “Wenn sich das Auftragsvolumen insgesamt erhöht, fällt immer auch für die Kleinen etwas ab."
Ein grundsätzliches Problem ist in den Augen der AKNW allerdings, dass bei Public Private Partnership die bewährte Trennung von Planung und Ausführung entfällt. Sie ist auch künftig bei PPP-Projekten in NRW nicht vorgesehen, ebenso wenig eine gewerkeweise Vergabe von Aufträgen. Dass die Kommunen die Verträge mit einem Generalübernehmer abschließen, ist bei Projekten dieser Größenordnung freilich nichts Ungewöhnliches. Fundamentalkritikern wird auch entgegengehalten, selbst eine Bündelung kleinteiliger Maßnahmen sei besser, als wenn überhaupt nicht gebaut würde.

Wettbewerbe bleiben die Ausnahme

Eine andere kontrovers diskutierte Frage ist, ob PPP wegen der Renditeziele der privaten Investoren zu Qualitätseinbußen führt. Das liegt jedoch weitgehend im Ermessen der öffentlichen Hand - sie kann den Unternehmen schließlich vertraglich die Einhaltung bestimmter Standars vorgeben. Task-Force-Leiter Littwin argumentiert zudem, bei mangelhafter Bauqualität schade sich der private Investor selbst, da er für 25 oder 30 Jahre auch für die Bauunterhaltung zuständig sei. "Das ist anders als bei herkömmlichen Projekten, wo sich die Unternehmen nach der Gewährleistungsfrist aus der Verantwortung verabschieden."
Und die Gestaltungsqualität? Da werde in der Regel das Prinzip “Ökonomie vor Schönheit" gelten, räumt Littwin ein. Bei Renommierprojekten wie Rathäusern und Museen sei aber die Wahrscheinlichkeit groß, dass Architektenwettbewerbe durchgeführt würden. Der Ministerialbeamte verweist auf den Bau der britischen Botschaft in Berlin, die im PPP-Modell gebaut wurde: Auch für sie wurde ein Wettbewerb ausgelobt.

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