Rechtsfall des Monats: Einfalt oder Vielfalt?
Architekt A wendet sich mit folgender Frage an die Kammer: „Ich bin Geschäftsführer einer Architektur-GmbH. Gestern habe ich einem Bauherrn, der uns mit der Planung eines Mehrfamilienhauses betraut hat, das Projektteam präsentiert. Die Bauleitung soll eine sehr erfahrene Kollegin übernehmen. Der Bauherr äußerte daraufhin, er wolle nicht, dass sein Bauvorhaben von einer Frau geleitet werden. Am Bau brauche es einen richtigen Mann, der klare Ansagen mache. Deshalb möge ich ihm jetzt als nächstes auch bloß nicht mit einem Ausländer, trans*Mann oder Schwulen kommen. Ich finde das unglaublich und habe eigentlich keine Lust, mit einem solchen Auftraggeber weiter zusammenzuarbeiten. Andererseits ist der Auftrag lukrativ und personell könnte ich theoretisch entsprechend umdisponieren. - Muss ich das? Darf ich das? Und: Kann ich das Vertragsverhältnis nicht einfach kündigen?“
Antwort der Architektenkammer NRW: Sofern vertraglich kein namentlich bestimmtes Projektteam vereinbart wurde, ist es grundsätzlich die organisatorische Entscheidung des Büros, mit welchen Beschäftigen es den Auftrag abarbeitet.
Die Kollegin ohne weiteres vom Projekt abziehen, könnte zudem einen Verstoß gegen die arbeitgeberseitigen Schutzpflichten darstellen. § 12 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verpflichtet Arbeitgeber, Beschäftigte durch geeignete, notwendige und angemessene Maßnahmen vor einer unzulässigen Diskriminierung zu schützen, auch wenn diese im beruflichen Kontext von Dritten, also etwa Kunden, ausgeht. Zu schützen ist vor allen Benachteiligungen „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ (§§ 1, 7 Abs. 1 AGG).
Der Arbeitgeber muss daher die im Einzelfall zumutbaren und verhältnismäßigen Bemühungen entfalten, um der Benachteiligung entgegenzuwirken; einen Erfolg dieser Bemühungen schuldet er allerdings nicht. Zugleich ist sein Interesse an der Kundenbeziehung in angemessener Weise zu berücksichtigen, sodass betroffene Beschäftigte eine Beendigung der Vertragsbeziehung zu einem solchen Kunden nicht erzwingen können. Deutlich werden muss aber, dass der Arbeitgeber die Diskriminierung nicht widerspruchslos hinnimmt oder sich gar zu eigen macht. Verstößt er gegen diese Pflicht, kann dies Ansprüche des oder der Beschäftigten auf Ausgleich materieller Schäden und immaterieller Nachteile (Entschädigung vergleichbar Schmerzengeld) auslösen.
Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.11.2024 - 10 Sa 13/24) hat daher einen Arbeitgeber, der einem ähnlichen Ansinnen des Bauherrn nachgab, ohne nach den Gründen für die Vorbehalte zu fragen und ohne versucht zu haben, diese zu entkräften, zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 1.500 Euro an die betroffene Mitarbeiterin verurteilt.
Praxistipp
In einem solchen Fall sollte zunächst das klärende Gespräch mit der Auftraggeberseite gesucht und dokumentiert werden. Führt das nicht zum Erfolg, besteht für den Auftragnehmer anschließend in der Regel weder Verpflichtung noch Anlass, den Vertrag zu kündigen, denn: Ihm steht es frei, dem kruden Wunsch nachzugeben – was zum Schutz der Betroffenen in Einzelfällen in Betracht kommen mag – oder sich diesem zu widersetzen und an der Vertragserfüllung mittels der vorgesehenen Beschäftigten festzuhalten. Geschieht Letzteres, so gibt dies dem Bauherrn vor dem Hintergrund der Diskriminierungsverbote (Art. 3 GG, § 1 AGG) keinen Grund zur außerordentlichen Kündigung, § 134 BGB. Eine Kündigung durch das Architekturbüro kann umgekehrt im Einzelfall in Betracht kommen, wenn der Bauherr die betreffenden Beschäftigten selbst verbal oder gar tätlich attackiert.
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