
Revisited: Kongressgarage Aachen - Spektakuläres Raumerlebnis
Parkgaragen gelten gemeinhin nicht als gestalterisch besonders anspruchsvolle Gebäudegattung; der vermeintlich banale Zweck führte in der Tat oft genug Regie. Ausnahmen bestätigen die Regel, wie ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt. Die Kant-Garage in Berlin (1930), die Haniel-Garage in Düsseldorf (1951), das Parkhaus Osterstraße in Hannover (1974) oder (in diesem Jahrhundert) die neue Zoogarage in Leipzig (2004) sind eindrucksvolle Beispiele des Bautypus, für den - je nach Epoche - durchaus unterschiedliche Lösungen gefunden wurden. Ein außergewöhnliches, obendrein sehr frühes Exemplar der Gattung lässt sich am Rande der Aachener Innenstadt bewundern, wenn man den Standort denn findet (Kongressstraße 23):
Es handelt sich um einen ursprünglich als „Lastkraftwagenhalle“ der ehemaligen Kohlengroßhandlung Hubert Einmal errichteten Kuppelbau aus den 1920er Jahren, der ursprünglich als Teil eines ganzen Garagenensembles einschließlich Wartung und Betankung geplant wurde. - Auch heute noch unbedingt sehenswert!
1927 firmierte die Kohlenhandlung als „Congress-Groß-Garage“ für verschiedenartige Automobile und Motorräder; diese Nutzung einschließlich mehrerer Werkstätten setzte sich über eine Reihe von Eigentümerwechseln bis in die frühen 1970er Jahre fort.
Versteckt hinter unscheinbaren Wohngebäuden aus eben jenen 1970er Jahren und zugänglich nur über einen Innenhof, vermittelt der heute von den Anwohnern als Garage genutzte, äußerlich eher unscheinbare Backsteinbau in seinem Inneren ein fast spektakuläres Raumerlebnis. Als Vorbild wird nicht ganz zu Unrecht die berühmte, ebenfalls als Stahlbetonkonstruktion errichtete Breslauer Jahrhunderthalle angesehen, die 1913 für die dortige Jahrhundertausstellung als Messe- und Veranstaltungshalle entworfen worden war. Hier wie dort unterstreicht der baukünstlerische Expressionismus die Erhabenheit des Typus‘ Kuppelbau, der im Aachener Fall einer modernen technischen Nutzung seine Weihe verleiht.
Die Wayss & Freytag A.G. war bei dem Projekt in Aachen die ausführende Stahlbetonbaufirma.
In einer Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Unternehmens wurden 1925 als Urheber die Aachener Architekten Theodor Veil und 0tto Nauhardt genannt. Ersterer wurde 1919 auf den Lehrstuhl für „Städtebau und bürgerliche Baukunst“ an die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH) berufen.
Sein Kuppelbau in der Kongressstraße 23 zeugt von der anspruchsvollen Technik des frühen Stahlbetonbaus, wobei die Betonrippenkonstruktion trotz der im Vergleich zu Breslau geringen Spannweite von 24 Metern in ihrer räumlichen Wirkung durchaus zu faszinieren vermag. Neun Stahlbetonbinder steigen in sanfter Krümmung zu einem in knapp acht Metern Höhe befindlichem Druckring empor, der die Konstruktion gewissermaßen organisiert. Die 22 Meter langen und 10 Tonnen schweren Hauptrippen wurden aus Kostengründen ortsnah auf einer benachbarten Baustelle vorgefertigt. Oberhalb des Druckrings errichtete man eine 3,80 Meter hohe Glaseisenbetonkuppel, die aus einem 18-strahligen Stern aus dünnen Rippen und quadratischen Glasprismen besteht. Letzteres, so wird in der Literatur vermutet, bezieht sich auf die Kuppel des Glashauses von Bruno Taut auf der Kölner Werkbundausstellung von 1914.
Die Aachener Kongressgarage wird in der Denkmalliste der Stadt Aachen aufgeführt. Nicht nur deshalb wirft die derzeitige Nutzung oder zumindest die stark eingeschränkte Zugänglichkeit Fragen auf. Über Besuche nicht nur an den seltenen Tagen des offenen Denkmals würden sich vermutlich nicht nur Architekturhistoriker freuen.
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