Impulse zum Sachverständigentag 2024 kamen von (v. l.): Martin Friedrich (Stellv. Vors. Ausschuss Sachverständigenwesen), Frank Walter (Richter LG Hamm), Ernst Uhing (Präsident AKNW), Bernhard Floter (Institut für sachverständigenwesen) und Karsten Schmidt (Sachverständiger AKNW). – Fotos: Christof Rose/Architektenkammer NRW

Ringen um „das gute Gutachten“: Aktuelles für Gerichtssachverständige

​​​​​​​Wie kann eine zeitgemäße, elektronische Kommunikation mit Gerichten gewährleistet werden? Welche Anforderungen sind heute an gerichtsfeste Gutachten zu stellen? Und wie können wir Nachwuchs für die wichtige Arbeit der Gutachterinnen und Gutachter gewinnen und qualifizieren? - Diese Fragen beschäftigten am 11. September 2024 die von der AKNW öffentlich bestellten und vereidigten Kammermitglieder auf dem „Sachverständigentag 2024“ der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen.

26. September 2024von Dorothee Dieudonné

„Der Berufsstand braucht Sie! Und es bleibt auch künftig wichtig, dass wir Sachverständige für Problemstellungen des Planens und Bauens aus unserem Berufsstand gewinnen und damit an Gerichten präsent bleiben.“ Mit diesem Appell begrüßte der Präsident der Architektenkammer NRW, Ernst Uhing, rund 80 Teilnehmer*innen des Sachverständigentages 2024 in der Architektenkammer.NRW.

Werbung um Nachwuchs

Uhing hob hervor, dass das Sachverständigenwesen eine nach dem Baukammerngesetz ausdrücklich zugewiesene Aufgabe der Architektenkammer sei und seit jeher einen wichtigen Bereich der Kammerarbeit darstelle. „Da jedoch Sachverständige aus Altersgründen vermehrt ihre Bestellung zurückgeben, wird es für die Architektenkammer wie auch für andere Bestellungskörperschaften immer wichtiger, für ausreichenden Nachwuchs an öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu sorgen“, betonte Präsident Uhing. Er bat die Sachverständigen um ihre aktive Mitwirkung bei der Nachwuchsgewinnung und rief dazu auf, für die Sachverständigentätigkeit zu werben.

Anforderungen an die elektronische Kommunikation

Bernhard Floter, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Instituts für Sachverständigenwesen in Köln, informierte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in seinem Vortrag ausführlich über die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation mit den Gerichten. Die elektronische Aktenführung müsse bis zum 01.01.2026 bei allen Gerichten umgesetzt sein. Bei den Zivilgerichten sei dieses bereits weitgehend der Fall, die Zwangsversteigerungen seien nun die letzten in der Umsetzung.

Für die elektronische Zustellung eines Dokuments, so erläuterte Floter, hätten Sachverständige einen sicheren Übermittlungsweg nach § 130 a ZPO mit eindeutiger Identifizierung zu schaffen. Ein besonderes Sachverständigenpostfach sei vom Gesetzgeber allerdings nicht geplant. Ob öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige nach § 173 Abs. 2 ZPO verpflichtet seien, für den Empfang der Nachrichten ein elektronisches Postfach einzurichten, sei derzeit nicht final geklärt.

Das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Instituts für Sachverständigenwesen informierte auch über das Akteneinsichtsportal, mit dem Gerichtsakten für Sachverständige bereitgestellt werden können. Da der Zugang jedoch immer nur für 30 Tage eingerichtet würde, riet Bernhard Floter den Sachverständigen, alle relevanten Dateien unmittelbar nach Erhalt herunterzuladen.

Für den Versand und Empfang von Sachverständigenleistungen erläuterte Bernhard Floter im Einzelnen die EGVP-Infrastruktur mit den entwickelten Postfächern für Rechtsanwälte (beA) und Notare (beN), Behörden (BePBo) und nunmehr auch dem Bürger- und Organisationenpostfach (eBO), das auch von Sachverständigen genutzt werden könne. Schließlich stellte Bernhard Floter auch die unterschiedlichen digitalen Postfächer eBO, DE-Mail und Mein Justizpostfach (MJP) mit ihren Vor- und Nachteilen und ihrem derzeitigen Entwicklungsstand für Sachverständige vor.

Floter resümierte, dass es nach wie vor in diesem Bereich viel Bewegung mit ständigen Neuerungen gebe. Die Empfangspflicht sei für Sachverständige jeweils im Einzelfall zu klären. Das kostenlose MJP und ggf. auch kostenfreie Software sollten ausprobiert werden. Sachverständige sollten bei jeder gerichtlichen Beauftragung auf ein eingerichtetes Postfach hinweisen. Bei einem Anbieterwechsel sei das bisherige Postfach umgehend zu löschen.

Hinweise aus der richterlichen Praxis

„Der Weg zum guten Gerichtsgutachten; Fehler vermeiden - zügig erledigen“ lautete der programmatische Titel von Frank Walter, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht und zugleich Vorsitzender des „Qualitätszirkels Sachverständigenwesen NRW“. Er betonte die große Bedeutung der Sachverständigentätigkeit für die Entscheidung des Gerichts. Ein Gutachten werde nur dann gefordert, wenn es für die Entscheidung des Gerichts erforderlich sei.

Walter stellte große Gemeinsamkeiten zwischen der Tätigkeit des Richters und der Sachverständigen heraus. Beispielsweise sei der Pflichtenkodex - unparteilich, weisungsfrei, unabhängig und gewissenhaft – übereinstimmend. Walter appellierte an die Zuhörer*innen, der Qualität ihrer Gutachten große Aufmerksamkeit zu schenken - Kostenvorschuss und Fristvorgaben zum Trotz.

Grundsätzlich empfahl er eine intensive Kommunikation mit dem Gericht. Hierzu gehörten ggf. auch Telefonate, die entsprechend vorzubereiten seien. Bei Problemen sei dem Gericht eine unverzügliche Rückmeldung unter Angabe von realistischen Fristen zu geben.

Aus der Praxis des OLG Hamm informierte der Vorsitzende Richter über den Beschluss vom 01.07.2024, in welchem eine passive Nutzungspflicht des Sachverständigen zur Unterhaltung eines elektronischen Postfachs nach § 173 Abs. 2 ZPO festgestellt wurde. Frank Walter hob die Lesefreundlichkeit von schriftlichen Gutachten hervor, erläuterte aber auch die Möglichkeit eines mündlichen Hauptgutachtens, bei dem es sich nicht um ein Kurzgutachten handele. Der Vorsitzende Richter ermutigte die Sachverständigen zur Einholung eines Feedbacks für ihre Tätigkeit und ggf. auch zur Anforderung einer Urteilsabschrift.

Hospitation für junge Kräfte

Karsten Schmidt, von der Architektenkammer NRW öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, stellte Praxiserfahrungen zur „Hospitation von Sachverständigen“ zur Diskussion. Er berichtete den Zuhörer*innen anschaulich über die Schulung von Absolvent*innen und angehenden Sachverständigen in seinem Sachverständigenbüro in Dortmund.

Seine Ziele seien neben dem Wissenstransfer auch der fachliche Austausch zu Best-Practice-Gutachten, der Netzwerkaufbau und die Prüfungsvorbereitung. Karsten Schmidt erachtete auch die Teilnahme an Terminen und die Mitarbeit an Gutachten für wichtig. Zur Sachverständigentätigkeit gehören aus Sicht des Stadtplaners und Wirtschaftsingenieurs aber auch Hinweise zur Organisation eines Sachverständigenbüros. Erfolgsfaktoren der Sachverständigentätigkeit seien neben der fachlichen Kompetenz jedenfalls auch das Auftreten - mit Überzeugungskraft.

Im Anschluss an die Fachvorträge nutzten die Sachverständigen die Gelegenheit des Fachtreffens ins der Architektenkammer.NRW, um ihre Erfahrungen mit Kolleginnen und Kollegen im persönlichen Gespräch auszutauschen.

Präsentationen zur Veranstaltung finden Sie hier (PDF:Download):

Teilen via