„Selbstständigkeit macht zufriedener!“

Soll ich mich selbstständig machen, oder arbeite ich lieber im Angestelltenverhältnis? Immer mehr junge Leute entscheiden sich für die zweite Variante. Dabei zeigt ein Blick auf die bundesweite Mitgliederbefragung der Bundesarchitektenkammer und der Architektenkammern der Länder zu ihrer beruflichen Situation und zur wirtschaftlichen Lage ihrer Büros, dass die Arbeitszufriedenheit unter den Selbstständigen höher ist: 81 % von ihnen würden noch einmal dasselbe Studium wählen (Angestellte: 70 %). - Doch welche Wege führen in eine Selbstständigkeit? Was muss beachtet werden? Wie wird ein eigenes Büro gegründet oder ein bereits bestehendes Büro übernommen? Ist es sinnvoller, mit einem Partner zusammenzuarbeiten oder als Einzelkämpfer unterwegs zu sein?

07. Februar 2023von Tobias Schibbe / Dr. Markus Wirtz

Die Architektenkammer NRW unterstützt ihre Mitglieder, die den Weg in die Freiberuflichkeit anstreben, genau bei diesen Fragen. Die Geschäftsstelle bietet eine Existenzgründerberatung, einen Bürovermittlungsdienst, eine Rechtsberatung und eine Online-Börse an, um berufspraktische Hilfestellungen zu geben. 

Chancen und Risiken klären

Selbstständig Entscheidungen zu treffen, sich selbst Ziele zu setzen, sein eigener Chef zu sein – von einer beruflichen Selbstständigkeit geht seit jeher eine gewisse Faszination aus.

Ein eigenes Büro verspricht Unabhängigkeit, selbstbestimmtes Arbeiten und die Freiheit, seine Arbeitszeit selbst einzuteilen - und viel Verantwortung. Andererseits bedeutet Selbstständigkeit auch, ein Stück Sicherheit aufzugeben. Ist die Auftragslage schlecht, bleiben die Einnahmen aus. Und die Arbeitsbelastung ist hoch: Im Durchschnitt arbeiten Selbstständige zehn Stunden mehr im Monat als Angestellte.

Laut dem „KfW-Gründungsmonitor“ ist die Zahl der Unternehmensgründungen im Jahr 2022 nach dem Corona-Einbruch (2020/21) wieder auf das Vorkrisenniveau gestiegen. Im Jahr 2021 haben bundesweit 607 000 Existenzgründungen in allen Branchen stattgefunden; das waren 70 000 bzw. 13 % mehr Menschen, die sich selbstständig gemacht haben, als 2020. 

Aktuelle Probleme in der Weltpolitik könnten die Stimmung in der Gründerszene in Deutschland jedoch negativ beeinflussen.

Start mit klarem Konzept

Für selbstständig Tätige fallen zusätzliche Aufgaben rund um die eigentliche Kerntätigkeit an, die viel Zeit beanspruchen. Vor allem der administrative Aufwand wird häufig unterschätzt: Buchführung, Personalwesen sowie verwaltungstechnische, versicherungsrechtliche und steuerliche Herausforderungen. In NRW bemühen sich derzeit ca. 8.000 kleine und mittlere Architekturbüros um Aufträge. Wer sich auf diesem Markt behaupten will, braucht Mut, Risikobereitschaft und Einsatzfreude, aber auch das richtige Händchen für die Entscheidung des zukünftigen Schwerpunkts. Deshalb ist es unerlässlich, sich genau zu überlegen, wie und womit man sich am Markt positionieren will. 

So kann eine finanzielle Unterstützung in der Anfangsphase der Existenzgründung vonnöten sein und eine Sicherheit bieten. Die Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz bietet auf der Internetseite www.existenzgruender.de hierzu einen umfassenden Überblick. So wird neben verschiedenen Angeboten von Förderdarlehen z. B. auch der Gründungszuschuss der Arbeitsagentur genannt, der es ermöglicht, aus der Arbeitslosigkeit heraus das bewilligte Arbeitslosengeld für die ersten sechs Monate der Existenzgründung weiter zu erhalten. Voraussetzung ist der Leistungsbezug; und benötigt wird die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung. Diese Stellungnahme erteilt die u. a. Architektenkammer Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Prüfung des vorgelegten Businessplans des interessierten Mitglieds.

Vorbereitung ist Voraussetzung für Erfolg!

Bevor man den Schritt zur Bürogründung wagt, sollte man sich selbstkritisch die Frage stellen, ob man der richtige Typ für eine Selbstständigkeit ist. In den Beratungsgesprächen der AKNW zeigt sich immer wieder, dass es den Ratsuchenden hilft, die Pros und Contras im Gespräch abzuwägen. Junge Menschen gehen häufig unbeschwerter an die Thematik der Existenzgründung heran. Sie haben oftmals im Hinterkopf, dass sie nach einem Scheitern auch wieder in ein Angestelltenverhältnis wechseln können. 

Am Ende geht es neben den persönlichen Voraussetzungen und Ambitionen auch um das Management und Controlling von administrativen und betriebswirtschaftlichen Abläufen. Hierzu gehören neben einem Qualifizierungsnachweis auch ein schlüssiger Business- und Finanzierungsplan sowie ein belastbares Marketing- und PR-Konzept.

Bürovermittlungsdienst und eine digitale Börse

Die Architektenkammer NRW hat im März 2021 ihren „Bürovermittlungsdienst“ um eine digitale „Bürovermittlungsbörse“ erweitert, um potenzielle Partner zusammenzubringen. Hier können Anzeigen unter www.aknw.de inseriert werden. Seit Einführung der Online-Börse wurden mittlerweile 50 Interessensbekundungen eingestellt. 

Der demografische Wandel führt offensichtlich dazu, dass mehr Angebote für eine Büro-Übernahme inseriert werden. Das Angebot übersteigt die Nachfrage. Die AKNW übernimmt an diesem Punkt die Aufgabe einer Vermittlerin: Es wird ein Austausch zwischen den verschiedenen Parteien initiiert. Eine Bewertung der Qualifikationen oder gar eine Bürowertermittlung finden nicht statt. Hier werden interessierte Mitglieder auf Nachfrage an qualifizierte Beratungsbüros weitergeleitet.

Vorteile von Partnerschaften

Ein Architekturbüro kann sehr gut in einem Team geführt werden. Damit verteilt sich die Belastung auf mehrere Schultern, und temporäre Krisen können besser bewältigt werden. Es besteht die Möglichkeit, ein Büro in einer Partnerschaft neu zugründen oder ein Büro als Nachfolge zu übernehmen. Dies kann ein Vorteil sein, da auf bereits bestehende Strukturen zurückgegriffen und aufgebaut werden kann. Wie man sich auch entscheidet - der Bürovermittlungsdienst der AKNW steht für Fragen am Anfang dieser Überlegungen zur Verfügung, und die Beratungsbüros können auf Wunsch den Prozess entsprechend sachkompetent begleiten.

Sein eigenes Profil schärfen

Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen üben einen Beruf aus, der eine hohe Qualifikation und ein umfangreiches Fachwissen erfordert. Die technische Entwicklung, der gesellschaftliche Wandel, gesetzliche Anforderungen und kontinuierliche Gesetzesänderungen machen es notwendig, dass Architektinnen und Architekten, Innenarchitekt*innen, Landschaftsarchitekten sowie Stadtplanerinnen und Stadtplaner ihr berufliches Know-how ständig erweitern. Mitglieder der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen müssen mindestens acht Fortbildungsstunden pro Jahr ableisten und nachweisen können. Auch Junior-Mitglieder und Absolvent*innen, die eine Eintragung in die AKNW anstreben, müssen sich umfassend weiterbilden. 

Bei all diesen Zwängen und Notwendigkeiten: Ein wesentlicher Vorteil einer selbstständigen Tätigkeit liegt in der Freiheit, sich in Sachen Fortbildung von seinen Interessen leiten zu lassen. Aus Interessen oder Talenten entstehen Schwerpunkte und Fähigkeiten, die für die Positionierung am Markt entscheidend sein können. Natürlich sind viele Existenzgründer im Architekturbereich regelmäßig als Generalisten gefordert. Doch wenn sie in einem Bereich eine besondere inhaltliche Stärke haben, bietet es sich an, sich hier vertieft fortzubilden und so das Büroprofil zu schärfen. 

Durch das neue Baukammerngesetz erhält die Architektenkammer NRW die Möglichkeit, künftig Register in Bereichen mit besonderen Qualifikationsanforderungen einzuführen und diese zu veröffentlichen. Auch das sollte im Rahmen eines Marketingkonzeptes mit bedacht werden. Ihr Partner für die Fortbildung ist die Akademie der Architektenkammer NRW (www.akademie-aknw.de). Sie bietet AKNW-Mitgliedern qualitätsvolle und kostengünstige Fortbildungen an. Das Seminarprogramm orientiert sich an aktuellen Fragen und Problemstellungen, mit denen Planerinnen und Planer in der beruflichen Praxis zu tun haben. Viele der Seminare werden auch online durchgeführt.

Selbständig oder angestellt

Architektur ist ein spannendes Arbeitsumfeld, da man stetig mit neuen Herausforderungen konfrontiert wird. Egal ob nun als Angestellter oder als Selbstständiger: Eine Arbeit in dieser Branche lohnt sich immer!


Frage an den Experten:

Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Gründung?

„Jetzt! Denn kein Job ist so sicher, wie der, den ich selbst in der Hand habe. Natürlich ist der Schritt in die Selbstständigkeit meist mit viel Arbeit verbunden. Bereiten Sie sich gut vor, und schätzen Ihre individuellen Rahmenbedingungen richtig ein. Überlassen Sie nichts dem Zufall und lassen sie auch den Blick von außen zu. Wenn für Sie der Zeitpunkt richtig erscheint, fangen Sie an mit der Umsetzung und verfolgen Sie strukturiert Ihr Ziel – Schritt für Schritt. Durchhaltevermögen ist eine gute Voraussetzung, denn mit Hindernissen muss man immer rechnen. Es gibt nicht für alles 100 %-Lösungen, aber mit ausreichender Vorbereitung, Mut, einem gewissen Grundkapital und Risikobereitschaft kann man es schaffen!“


Tipps vom Experten

Welche drei Tipps geben Sie Gründer*innen?

  1. Büroübernahme durch eine Person: Bei einer geordneten Übergabe auf einer Zeitschiene von bis zu 24 Monaten kann in der Regel die volle Ertragskraft aufrechterhalten bleiben.
  2. Übernahme von Gesellschaftsanteilen: Ein durchdachter Geschäftsverteilungsplan hilft den Gesellschaftern, die Aufgaben der Unternehmensführung nach Eignung perfekt aufeinander abzustimmen.
  3. Gründung auf der grünen Wiese: Niemals vergessen, dass die Akquise wichtig ist. Bei einem laufenden Projekt wird die Neuakquise gerne nach hinten geschoben, dann kann es zu spät sein.

*Der Bürovermittlungsdienst der AKNW vermittelt interessierte Mitglieder auf Nachfrage an qualifizierte Beratungsbüros, die langjährige Praxiserfahrung in der Bewertung sowie der Existenzgründungs-/Nachfolgeberatung von Architekturbüros haben. Im Einzelnen sind dies: Eckhold Consultants GmbH, Butz Consult GmbH  und Plus Advise GmbH.


Weitere Information:

Broschüre Existenzgründung

Titel Existenzgründung
Abb: AKNW

Die Broschüre enthält Informationen und Hinweise rund um die Themen Bürogründung und Selbstständigkeit. Sie richtet sich an Gründerinnen und Gründer der Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung, die einen Eindruck davon erhalten möchten, was mit einer Bürogründung auf sie zukommt. Inhaltlich geht es um die Bausteine des Unternehmensplans, berufsrechtliche Grundlagen und mögliche Rechtsformen.Zudem gibt die Broschüre einen Überblick über notwendige Anmeldungen und Versicherungsabschlüsse. Auch Fördermöglichkeiten und Finanzierungshilfen werden erläutert. Die Broschüre „Existenzgründung – Der Weg zum eigenen Architekturbüro“ bindet Erfahrungen aus der Existenzgründerberatung der Architektenkammer NRW und enthält sie auch Tipps für den beruflichen Alltag, zu Werbung, PR und Unternehmensführung.

Broschüre "Existenzgründung - der Weg zum eigenen Architekturbüro" (PDF)

Service

zum Bürovermittlungsdienst der AKNW

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