Solar-Architektur ist in Nordrhein-Westfalen weiter auf dem Vormarsch

Solar-Architektur in NRW: Die Kraft der Sonne

„Solarland NRW“ - ein Slogan, der noch immer eher die Definition eines politischen Ziels als die Realität in Nordrhein-Westfalen beschreibt. Insbesondere im Bausektor bleiben Gebäude, die Solarthermie oder Photovoltaik konzeptionell integrieren, die Ausnahme. Gleichwohl gibt es eine steigende Zahl von Siedlungsprojekten, die auf überzeugende Weise demonstrieren, wie die Kraft der Sonne technisch sinnvoll und gestalterisch überzeugend für den modernen Wohnungsbau genutzt werden kann. Mehrere Projekte sind in den letzten Monaten in Nordrhein-Westfalen fertig gestellt worden - so in Münster, Köln und Düsseldorf.

11. August 2009

Ende der 1990er Jahre startete die Landesregierung einen Aufruf an die Kommunen, insgesamt „50 Solarsiedlungen in NRW“ zu realisieren bzw. den Bau zu unterstützen. Das Leitprojekt der EnergieAgentur.NRW sollte die Möglichkeiten der Solarenergienutzung für die Wärme- und Stromversorgung von Gebäuden auf Siedlungsebene aufzeigen und dem solaren Bauen in Nordrhein-Westfalen einen weiteren Impuls verleihen. Gefördert wurden Siedlungsbaumaßnahmen, die auf einem ganzheitlichen Konzept beruhten und die nicht nur die energetische Optimierung der Einzelgebäude in den Fokus nahmen, sondern auch eine Optimierung auf städtebaulicher Ebene sowie unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten anstrebten. Um die gewünschten Qualitäten zu sichern, beurteilte eine interdisziplinär zusammengesetzte Auswahlkommission die Vorschläge der Kommunen und verlieh den Status „Solarsiedlung“ erst nach eingehender Prüfung.

Beispiel Düsseldorf-Garath

Den Zuschlag bekam u. a. der Neubau einer Siedlung, welche die Rheinwohnungsbau GmbH im Düsseldorfer Stadtteil Garath plante. Das im Süden der Landeshauptstadt gelegene Wohnquartier aus den 1960er Jahren gehört zu den städtebaulich und sozial schwierigen Stadtteilen. Das zu bebauende Grundstück liegt genau auf der Grenze zwischen den Stadtteilen Garath und Urdenbach, das durch eine Bebauung mit Einfamilienhäusern geprägt ist. Die neue Solarsiedlung verbindet durch die unterschiedliche Geschossigkeit beide Stadtteile miteinander und ermöglicht über zwei Quartiershöfe eine neue Integration und soziale Mischung.

Bei dem vorausgegangenen Wettbewerb gab es zwei erste Preisträger. Das städtebauliche Konzept der Architekten Bibiana Grosser und Dirk Druschke, einem Duisburger Büro, wurde Grundlage der weiteren Planung. „Da der Städtebau keine reine Nord/Süd Ausrichtung  ergab, konnten wir Dank der frühen Zusammenarbeit mit den Energieplanern Wortmann & Scheerer aus Bochum energetisch optimierte Gebäude realisieren“, erläutert Dirk Druschke. Auf diese Weise wurde die Anerkennung des Projektes als eine von 50 Solarsiedlungen in Nordrhein-Westfalen erreicht.

57 Wohneinheiten sind nun in dem ersten von insgesamt vier Bauabschnitten realisiert worden. 40 % des Warmwasserbedarfs wird über Solarthermie abgedeckt, alle Wohnungen haben eine Dreifach-Verglasung und eine kontrollierte Wohnraumbelüftung mit Wärmerückgewinnung sowie eine 20 cm starke Dämmung. „Erfreulicherweise haben die Nutzer der Wohnungen die Technik sofort angenommen“, betont Architektin Bibiana Grosser.Solarsiedlung Medienhafen Düsseldorf

Eine Beobachtung, die auch Architekt Jürgen Henning und Ingenieur Ralph Wortmann machen konnten. Ihre neue Solarsiedlung am Medienhafen in Düsseldorf gehört gegenwärtig zu den am häufigsten besuchten Projekten im Lande. „Unverzichtbar für ein solches Projekt ist eine frühzeitige, enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Architekten und Fachingenieuren“, betont auch Jürgen Henning, der mit seinem Büro HGMB vor dem Bau der Solarsiedlung Medienhafen nur sporadisch Erfahrungen mit dem solaren Bauen hatte sammeln können. Wenn beide Disziplinen nicht bereits in einer frühen Entwurfsphase Hand in Hand arbeiteten, bestehe immer die Gefahr, dass am Ende eine „add-on-Architektur“ entsteht, bei der die regenerativen technischen Maßnahmen aufgesetzt wirken.

Die Solarsiedlung Medienhafen ist mit 101 Wohneinheiten in zentraler städtischer Lage eines der größten Solarsiedlungsprojekte im Miet- und Geschosswohnungsbau europaweit. Die Wohnungen entsprechen dem 3-Liter-Haus-Standard. Erreicht wird dies durch eine hohe Dämmung und eine aufwändige, gesteuerte Wohnungsbelüftung. Durch Wärmerückgewinnung können rund 80 % der Lüftungswärmeverluste vermieden werden, hebt Ingenieur Ralph Wortmann (Wortmann & Scheerer, Bochum) hervor. „Die gesamte Anlage ist auf technisch hohem Niveau realisiert worden, ohne dass der Nutzer es unmittelbar sieht; er spürt nur die positiven Auswirkungen.“

In der Tat wirkt die Solarsiedlung mit ihren teilweise in die Fassade integrierten Solarpanelen, dem intensiv begrünten Innenhof, den Holzschuppen für Fahrräder und den gläsernen Treppenhäusern, die Blickbeziehungen zwischen dem Straßenraum und dem Innenhof ermöglichen, offen und einladend. „Wir glauben, dass der Einsatz regenerativer Energien im Wohnungsbau heute ohne Alternative ist, wenn man die Verknappung der Energieressourcen und die steigenden Energiepreise in die Kalkulation einbezieht“, erklärt Jürgen Henning. Eine Anlage wie die Solarsiedlung Medienhafen sei aber nur zu realisieren, wenn man über einen engagierten, ambitionierten und verantwortungsbewussten Bauherrn verfüge.

Das Büro HGMB wurde inzwischen mit dem Bau einer weiteren Solarsiedlung beauftragt: Die Düsseldorfer Architekten gewannen einen ersten Preis im städtebaulichen Wettbewerb der Rheinwohnungsbau GmbH für die neue Solarsiedlung Düsseldorf-Garath - gleichauf mit dem Büro Druschke und Grosser.Folgeprogramm für die Solarsiedlungen

Die Landesregierung will ihre Bemühungen, NRW zum Solarland NR. 1 zu machen, fortsetzen. Das Programm 50 Solarsiedlungen in NRW ist ausgeschöpft, mittlerweile sind 27 Siedlungen mit über 2.500 Wohneinheiten fertig gestellt. 20 weitere Solarsiedlungen befinden sich gegenwärtig im Bau, sechs noch in der Planung. Voraussichtlich im Herbst dieses Jahres soll dann das Nachfolge-Programm gestartet werden, das einen konzeptionell weiter gefassten Ansatz verfolgen wird. Der Titel des neuen Programms: „100 Klimaschutz-Siedlungen in NRW".
 

 Interview: „Viele gute Beispiele in der Fläche“ 

Dipl.-Ing. Andreas Gries hat das Programm „50 Solarsiedlungen“ von Anfang an für das NRW-Wirtschaftsministerium betreut und weiter entwickelt.Herr Gries, was hat sich in den vergangenen zehn Jahren im solaren Wohnungsbau in NRW verändert?

Ende der 1990er Jahre mussten wir noch intensive Überzeugungsarbeit leisten, um Investoren und Nutzer von den Vorteilen des solaren Bauens zu überzeugen. Die Bereitschaft, etwas für den Klimaschutz und für eine Reduzierung der Energiekosten zu tun, ist deutlich größer geworden.

In der Vergangenheit ist immer wieder Kritik an einzelnen Solarsiedlungen geübt worden; der technische Aspekt werde zu sehr betont, die gestalterische Qualität vernachlässigt.

Einige der Siedlungen sind vielleicht unspektakulär; schlecht ist aber keine. Man muss vor allem sehen, dass die 13 Bestandsprojekte, die wir in das 50 Solarsiedlungen-Programm aufgenommen haben, mit dem Bestand zumeist der Nachkriegszeit umgehen mussten. Insgesamt lag der Auswahlkommission daran, qualitativ gute und technisch vorbildliche Lösungen möglichst flächendeckend im Land realisieren zu lassen, um landesweit Nachahmerprojekte anzuregen. Das ist in vielen Fällen gelungen.

Hat das 50-Solarsiedlungen-Programm konkrete Erfolge gezeitigt?

Es gibt heute mehrere Kommunen in NRW, die ihre B-Pläne solartechnisch prüfen lassen, zum Beispiel die Stadt Dortmund. Zudem haben einige Wohnungsbaugesellschaften nach dem Pilotprojekt mit uns noch weitere Solarsiedlungen gebaut. Wir sind ein gutes Stück voran gekommen.

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