Tag der Architektur in Nordrhein-Westfalen:

Tag der Architektur in Nordrhein-Westfalen: Information und Inspiration

„Wir möchten in Kürze selber bauen und suchen noch Anregungen für Küche und Bad.“ So wie Rainer Brinker, der in Münster ein Staffelgeschoss mit 360-Grad-Rundumblick von Architektin Claudia Lethmate besichtigte, ging es vielen Besuchern am „Tag der Architektur“ in Nordrhein-Westfalen. Unter dem Motto „Besser wohnen mit Architekten!“ hatten 440 Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner in 151 Städten und Gemeinden dazu eingeladen, neue Häuser zu besuchen, Wohnungen zu besichtigen, Bauwerke aus den verschiedensten Bereichen zu erleben und neue Parks und Gärten kennen zu lernen. Rund 35.000 Bauinteressierte und Architekturfreunde nahmen das Angebot am 2. und 3. Juli 2011 gerne an.

05. Juli 2011von Christof Rose / Melanie Brans

„Architektur ist eine öffentliche Kunst, und deshalb halten wir es für wichtig, unsere Architektur im Gespräch mit Nutzern und Interessierten zu zeigen und zu erklären." Ulf Meyer, PR-Fachmann im Büro Ingenhoven Architekten in Düsseldorf, sorgte gerne dafür, dass die Ingenhoven Architekten am Tag der Architektur zu Führungen einluden. Etwa 150 Interessierte wollten das neue „Oeconomicum" auf dem Campus der Universität Düsseldorf kennenlernen - eines von zahlreichen Bauwerken aus dem Bereich Schule und Bildung, das präsentiert wurde.Wohnen als Besuchermagnet

Die beliebtesten Objekte waren aber auch in diesem Jahr wieder private Wohnhäuser und Wohnungen. Das „Haus Dillenburger", eine Villa in Köln, wollten mehr als 1.000 Besucher erleben; auch vor dem „Kranhaus" im Kölner Rheinauhafen bildeten sich Warteschlangen.Aber nicht nur das Spektakuläre findet am Tag der Architektur seine Besucher. Annette Schlickeiser führte mit ihrem Architekten Thomas Sanders an beiden Tagen jeweils über 100 Gäste durch ihr neues Haus in Köln. Viele Besucher kamen von weither angereist, um zu erfahren, wie ein privates Wohnhaus komplett barrierefrei gestaltet werden kann. Denn der Sohn der Familie, Henri, sitzt im Rollstuhl.

„Wir hatten das Bauwerk ursprünglich konventionell geplant und mussten dann nach der Geburt von Henri nochmal von vorne anfangen", berichtete der Architekt des Hauses, Thomas Sanders. Die Mühe hat sich gelohnt, denn das elegante Wohnhaus mit seinen klaren Formen traf bei den Besuchern am Tag der Architektur auf ungeteilte Begeisterung.

Eine Insel der Ruhe hat Bauherr Wolfgang Kreutz im Bochumer Stadtteil Westenfeld gemeinsam mit Landschaftsarchitekt Christoph Imöhl (Wetter/Ruhr) geschaffen. Eine Hausgartenidylle mit Sonnendeck, Teich und Schattenplätzen ist hinter dem Reihenhäuschen entstanden. „Pflegeleicht sollte es sein. Und dann, als ich die ersten Entwürfe gesehen habe, war ich erstaunt, was alles in meinen kleinen Garten reinpasst", so Kreutz. Die Besucher genossen den Blick auf Eibenhecken und Bambus, Weinranken und den kleinen Kiesweg. Und am Rande des wild-romantisch bepflanzten Gartenteiches kam mitten in der Stadt andächtige Stille auf.Umnutzungen und Nachverdichtung

Nicht immer gelingt der Traum vom Wohnen in der Stadt ohne Probleme. In vielen Fällen fehlt vor allem ein geeignetes und bezahlbares Grundstück. Das Architektenpaar Wibke und Haris Alisic-Haverkamp entdeckte vor einigen Jahren im Wuppertaler Stadtteil Cronenberg eine alte Kartonagenfabrik. „Wir haben gleich gesehen, dass man da was draus machen kann", erinnert sich Haris Alisic-Haverkamp. Man erwarb das alte Gebäude mit dem benachbarten Wohnhaus. Am Tag der Architektur wollten mehr als 130 Interessierte das Ergebnis bestaunen: Ca. 200 Quadratmeter ungenutzte Halle wurden abgerissen und in Holzbauweise wieder aufgebaut. Zur Straße hin leuchtet nun das Architekturbüro, dahinter liegt das neu errichte Wohnhaus, das mit dem benachbarten Drei-Parteien-Wohnhaus in typisch bergischer Schieferoptik einen reizvollen Kontrast bildet.

Früher Arbeits- heute Wohnort - das kann auch Architekt Diemo Niemann über sein Objekt in Herford sagen. Er baute eine alte Glockenfabrik um, bewohnt selbst mit seiner Lebensgefährtin eine 200-Quadratmeter-Erdgeschoss-Wohnung, die sämtliche Funktionen in einem Raum vereint. „Ein Wohn-Experiment, das uns begeistert", sagt er. „Es ist eine andere Form von Wohnen - auch was den Ort angeht."Auf ein Gewerbeobjekt aus den 1960er Jahren stockte Architektin Claudie Lethmate ein Staffelgeschoss zum Wohnen und Arbeiten auf, das nicht nur einen fantastischen 360-Grad-Rundblick über die Stadt Münster bietet. Die Besucher zeigten sich vor allem beeindruckt von dem ungewöhnlichen Grundriss der Wohnung, der alle Räume miteinander verbindet und dadurch vielfältige Blickbeziehungen ermöglicht. „Ich sehe meine Wohnung hier auch als Prototyp an", erklärte die Architektin. Es gebe noch so viele Gebäude in der Stadt, bei denen ähnliche Aufstockungen ein Gewinn darstellen würden, so Claudia Lethmate. „Wenn wir die Stadt nachverdichten wollen, sind Flachdächer möglicherweise wichtige Baugrundstücke."Gemeinschaftliches Wohnen

An- und Aufbauten, Umnutzungen und Modernisierungen lockten viele Interessierte an. Aber auch das gemeinschaftsorientierte Wohnen liegt im Trend. Das Projekt „Wir wohnen anders“ von Post + Welters Architekten in Dortmund zog mehr als 300 Besucher an, die erfahren wollten, wie man eine Bauherrengemeinschaft gründet und welche architektonischen Elemente dazu führen, dass eine lebendige Nachbarschaft entsteht.

„Gaudium - gemeinschaftliches Wohnen im Alter“ ist das Projekt überschrieben, das Bauherr Peter Roschies mit dem Architekturbüro Monse + Molnar (Wuppertal) in Bochum entwickelt hat. 14 Parteien wohnen in dem Mehrfamilienhaus - Roschies selbst im Penthouse auf dem Dach, die übrigen Wohnungen hat er an Freunde und Bekannte vermietet. „Hier haben sich Privatpersonen gefunden, die gemeinsam alt werden möchten“, sagt Architekt Ernst Molnar, der den rund 300 Besuchern gerne die Details erläuterte, die die Wohnanlage altengerecht machen: ebenerdiger Eingang, zwei Fahrstühle, großzügig geschnittene Wohnungen und Bäder...

„Der Bedarf für diese Art zu wohnen ist da, so lange die Qualität stimmt“, so die Architekten. Den Beweis lieferten die Besucher, die immer wieder fragten, wann das Büro erneut ein Objekt dieser Art plane und ob man sich einmieten könne. Architekt Frank Monse: „Da sagen wir natürlich: Tun Sie sich zusammen und kommen Sie zu uns, dann machen wir das zusammen.“So kann das Gespräch mit den Besuchern für die teilnehmenden Kammermitglieder auch ganz konkret der Kundenakquise dienen. Innenarchitektin Vera Schmitz stellte in Oberhausen das von ihr gestaltete Therapie- und Präventionszentrum von Henk van Bergen vor. Erste Besucherin am Samstag morgen war Ulrike Kleifeld, die selber therapeutische Räumlichkeiten vermietet. Nach dem Rundgang zeigte sie sich von der Arbeit von Vera Schmitz so beeindruckt, dass sie spontan einen Termin mit der Innenarchitektin vereinbarte: „Welche bessere Visitenkarte kann es geben als eine hervorragende Arbeit?"

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