Tag der Architektur in NRW – Fazit

Tag der Architektur in NRW – Fazit

Ein Aussichtsturm, ein Souvenirkiosk, Ausflugsrestaurants im Stil der 70er Jahre und mehrere Parkplätze - wer den “Dreiländerpunkt” auf dem Vaalser Berg heute ansteuert, hat den Eindruck, dass hier die Zeit stehen geblieben ist. Das Ambiente dieses symbolstarken Ortes, der im Schnittpunkt der Euregio liegt und Sinnbild für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Belgien und den Niederlanden ist, wird einer hochrangigen Touristenattraktion nicht gerecht. Unter dem Motto “Grenzen überschreiten”, stellten sich im Rahmen des Sommerseminars der Stiftung Deutscher Architekten 32 Nachwuchs-Architektinnen und Architekten aus drei Ländern vom 16. bis 18. Juli der Herausforderung, den Symbolwert der Trinationalität an diesem Ort mit seiner einmaligen Ausgangsposition herauszuarbeiten, zu inszenieren und als touristischer Attraktion einen neuen Stellenwert zu geben.

01. Juli 2002

Das Sommerseminar-Zelt der Stiftung Deutscher Architekten, aufgestellt am “Dreiländerpunkt” zwischen Aachen, Maastricht und Eupen selbst, war Schauplatz einer dreitägigen, intensiven Workshop-Arbeit, bei der 32 angehende Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden konkrete Vorschläge zu einer Neu-Inszenierung dieses Ausflugsziels erarbeiteten.Zentrale Überlegung der Seminarteilnehmer war, dass im Mittelpunkt des Konzeptes die Erfahrbarkeit des Ortes stehen müsse: Die mangelnde Spürbarkeit der Identität des Dreiländerpunktes wurde als großes Defizit empfunden. Daher galt es zunächst, der Identität und Kultur des Ortes auf den Grund zu gehen, um so Inhalte für seine Neu-Inszenierung finden zu können. Einig waren sich die angehenden Architektinnen und Architekten auch darin, dass bei der Neudefinition des Dreiländerpunktes nicht die touristische Spaßkultur im Vordergrund stehen dürfe, sondern eine langfristige, nachhaltige Nutzung angestrebt werden müsse.Folgende Ideen und Konzepte für den Dreiländerpunkt wurden von den Teilnehmern des Sommerseminars erarbeitet:Grenz wandel(n)Mit seiner abwechslungsreichen Landschaft, der bewegten Topografie, den durch die Vegetation verlaufenden Grenzen und Übergängen und deren Wandel im Laufe der Geschichte birgt der Dreiländerpunkt Potenziale, die für den Besucher sichtbar und erlebbar werden sollen. Dafür werden die jetzigen Wege zurückgebaut und stattdessen Stege über die Grenzen gelegt, die über dem Boden schweben und farbig angeleuchtet sind. Entlang der Stege, auf denen der Besucher wandelt, entwickeln sich farbige Flächen, durch die die umgebende Landschaft erschlossen wird. Beim geführten Rundgang über die auf diese Weise erfahrbar gemachten Grenzen findet der Besucher verschiedene Artefakte. Ausgangspunkt der Stege ist ein zentraler Ort, der als Informations- und Veranstaltungszentrum fungiert: Ein europäischer Platz. Events und Feste, die länderspezifische Inhalte transportieren, verführen die Besucher zu Geschichts- und Landschaftswahrnehmung und laden zum Verweilen ein. Angestrebt ist eine stimmungsvolle Art der Informationsvermittlung, die besonders durch die nächtliche Illumination erreicht wird.Grenzen überschreitenEin Weg, der die Grenzen immer wieder überschreitet, wandert zwischen den Ländern. Die Grenze selbst ist als “roter Faden“ bereits von weitem sichtbar. An den Schnittpunkten wird die Grenze erfahrbar gemacht und Geschichte erzählt. Die Orte dieser Stationen folgen einem zum Dreiländerpunkt hin dichter werdenden Rhythmus, der schließlich so dicht ist, dass sich der Weg in die dritte Dimension erhebt - dabei führt er auch in der Luft die fortwährende Überschreitung der Grenzen weiter. Durch dieses Verspringen in der zweiten und dritten Dimension entstehen Räume, die für Gebäude zur Verfügung stehen. Die drei Grenzwege treffen sich über dem Dreiländerpunkt zu einem Forum, das den Ort weithin sichtbar markiert. Durch den räumlich linearen Körper wird ein Rahmen und ein Gerüst für die darunter stattfindenden Nutzungen wie Gastronomie und Veranstaltungen geschaffen.It's already thereEine Gruppe von Workshop-Teilnehmern stellte die starke metaphorische Bedeutung des Dreiländerpunktes in den Mittelpunkt ihres Konzeptes. Es handele sich nicht nur um ein geographisches, sondern um ein Zusammentreffen dreier nationaler Identitäten, wobei die Nationalitäten trotz Annäherung im europäischen Sinne ihre spezifischen Eigenschaften behalten. Dieser metaphorischen Bedeutung des Dreiländerpunktes wird entsprochen, indem die länderspezifischen Charakteristika und Identitäten am Ort analysiert, interpretiert und mit Fundstücken verdeutlicht werden. Die Abbildung dieser länderspezifischen Aspekte erfolgt zum Beispiel durch die Lenkung des Blickes auf ein anscheinend nebensächliches Detail. So symbolisiert der “Urwald” auf belgischer Seite das belgische "Laissez faire", ein Kinderspielplatz auf niederländischem Gebiet das soziale Engagement in den Niederlanden. Die Auseinandersetzung mit sich selbst, seiner landesspezifischen Identität und der Identität der Nachbarn soll die gegenseitige Akzeptanz fördern.Surface topographique — Topographische OberflächeDas Projekt entwickelt aus der historisch geprägten Topographie eine interkulturelle Szenographie. Ausgangspunkt sind die gegensätzlichen topographischen Zustände: die leere Peripherie und die räumliche Dichte im Zentrum des Geländes, das durch die Struktur des existierenden Parkplatzes besetzt ist. Das Plateau wird als “Paysage transfrontalier” , als transnationales Feld aufgefasst. Drei bandförmige Oberflächen reagieren auf die Topographie, erzeugen neue Situationen, markieren Orte von historischer und funktioneller Bedeutung. Die Bänder falten und entfalten, schneiden und öffnen sich. Ihre Oberfläche ist für die Präsentation verschiedener kultureller Identitäten geeignet. Sie schaffen eine räumliche Inszenierung und stärken den kulturellen und sozialen Austausch in einer transnationalen Landschaft. Fußgänger aus allen drei Ländern treffen sich im Zentrum; es ist möglich, von dort aus einen Blick in die verschiedenen Kulturlandschaften zu werfen.3 x 1=1Am Dreiländerpunkt wird deutlich, so eine andere Gruppe angehender Architektinnen und Architekten, dass die körperliche Wahrnehmung der politischen Grenzen schwindet und dadurch die Bedeutung der kulturellen Grenzen wächst. Die Überlegung: Die unterschiedlichen Identitäten sollen gebündelt und einander gegenüber gestellt werden. Auf dem Grenzpunkt entsteht ein Gebäude, aus dem der Grenzraum ausgeschnitten wird, so dass sich drei Einzelgebäude herausbilden. Jedes Land wird jeweils in einem Drittel des Gebäude-Gesamtvolumens repräsentiert. Die natürlichen Grenzen werden aufgegriffen und als Raumkanten ausgebildet, der nicht bebaute Grenzraum wird gemeinsamer Erschließungsraum. In dieser Architektur wird Kommunikation durch Austausch von Alltagskultur provoziert: Der “Kulturschmuggel“ transportiert niederländischen, belgischen und deutschen Alltag. Träger sind die Besucher, die mitgebrachte Gegenstände im Austausch mit einer neuen Geschichte als Souvenir für die nächsten hinterlassen.GrenzgehenDie Erkenntnis, dass der Dreiländerpunkt selbst wie auch die Grenzen im Umfeld kaum erfahrbar sind, führte auch zu dem Konzept, den Dreiländerpunkt mit einem großen Platz hervorzuheben und die Grenzen mit Leuchtdioden zu versehen, auf denen ein “Grenzgehen” und ein Besuch der auf den Grenzen stehenden Pavillons möglich wird. Die Pavillons auf dem Boulevard bieten Gastronomie, Informationen, Geschichte: hier findet (Grenz-) Kommunikation statt. Die Leuchtdioden entlang der Grenzen sind perlenartig aufgereiht und verdichten sich immer mehr zu einer Linie, je näher sie dem Dreiländerpunkt kommen. Als flaches Amphitheater angelegt, stellt dieser einen idealen Platz zur Kommunikation dar, auf dem Festivals und Märkte veranstaltet werden. Der grüne Freiraum bis zum neuen Aussichtsturm über der Eisenbahn eröffnet Ausblick in die Landschaft und Einblick in den vorhandenen Tunnel.Das ambitionierte Ziel des Sommerseminars war es, den Dreiländerpunkt als Ort neu zu überdenken, seine Entwicklungsmöglichkeiten zu eruieren und Vorschläge für eine Neugestaltung zu entwickeln. Dass dies den Teilnehmern in besonderer Weise gelungen ist, konnte der Hauptgeschäftsführer der AKNW Hans-Ulrich Ruf anlässlich der Abschluss-Präsentation nur bestätigen: “Es ist immer wieder frappierend, wie bei diesen Seminaren in solch kurzer Zeit für diese doch sehr anspruchsvolle Aufgabenstellung bemerkenswerte Ergebnisse entstehen, auf denen weitere Planungen aufbauen können.” Auch Ralf P. Meyer, Geschäftsführer der EuRegionale 2008 Agentur, zeigte sich begeistert: “Die Ergebnisse können sich sehen lassen, sie sind für unsere weitere Arbeit von großem Wert.”Das Sommerseminar der Stiftung Deutscher Architekten fand in Kooperation mit der EuRegionale 2008 statt, die als gemeinsames Strukturprogramm der Region u. a. auf eine Belebung des Tourismus abzielt. Die Arbeitsergebnisse der Nachwuchs-Architekten werden in die Arbeit der EuRegionale 2008 einfließen.Hintergrund "Stiftung Deutscher Architekten"Die Stiftung Deutscher Architekten engagiert sich als gemeinnützige Einrichtung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen besonders für junge Berufskolleginnen und -kollegen. Die Nachwuchsförderung ist eine der besten Investitionen für die Zukunft der Architektur, der Baukultur und nicht zuletzt auch für die Zukunft des Berufsstandes. In diesem Sinn veranstaltet die Stiftung Deutscher Architekten alle zwei Jahre ein "Sommerseminar" für Absolventen und Berufsstarter der Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung, in dem praktisches Arbeiten an einem konkreten Projektthema gefordert wird.Hinweis an die Redaktionen:Fotos von Seminararbeit, Modellen und Projektskizzen der Arbeitsgruppen sendet Ihnen die Pressestelle der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen gerne als Abzüge oder in druckfähigen Dateiformaten zu. Tel: 0211 - 49 67 57.

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