Thema Klimaschutz in die Medien tragen
Die Journalist*innen auf dem Podium waren sich einig: „Sprechen Sie uns an, schlagen Sie uns interessante Objekte und eine Geschichte dazu vor“, lautete der Tenor sowohl der Fachpresse als auch aus dem Bereich Tageszeitungen. Die dritte „Fach- und Forschungskonferenz Architektur und Medien“ der Architektenkammer NRW und des Instituts für Medienentwicklung und -analyse der Hochschule Rhein-Sieg konzentrierte sich am 29. November auf die Fragestellung, wie Themen des klimagerechten Planens und Bauens in die Medien getragen bzw. umfassender von den Medien aufgegriffen werden könnten. Mit rund 70 Teilnehmenden stieß die Fachtagung im Baukunstarchiv NRW in Dortmund auf reges Interesse - insbesondere in der Architektur-Kommunikations-Szene.
Die besondere Verantwortung des Planungs- und Bausektors für den Klimaschutz sei in der Öffentlichkeit noch wenig bekannt, sagte Christof Rose, Abteilungsleiter „Medien + Kommunikation“ der Architektenkammer NRW, in seiner thematischen Einleitung. Die Architektenschaft gehe das Thema seit einigen Jahren offensiv an, sodass mittlerweile das Fachwissen und beispielhafte Objekte vorlägen. „Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, geeignete Projekte und Fachleute an die Medien zu vermitteln“, erklärte der Pressesprecher der AKNW.
Divergierende Interessenslagen
Dass das Deutsche Architektenblatt (DAB) seit einigen Jahren intensiv über erfolgreiche Konzepte und realisierte Projekte des klimagerechten Planens und Bauens berichtet, zeigte die Chefredakteurin des DAB, Dr. Brigitte Schultz, an konkreten Heftbeispielen. Allerdings sei die Berichterstattung aus Perspektive der Fachpresse nicht immer ganz einfach. Ein Spannungsfeld liege etwa zwischen „mehr Grün“ und „mehr Wohnungsbau“, gerade beim Ziel der Innenverdichtung. „Zeigen wir den Entwurf für einen neuen Park, schreibt uns ein verärgerter Leser, dass dafür Baubestand mit viel grauer Energie abgerissen werden musste“, berichtete Brigitte Schultz aus der Praxis.
Es gebe im Bereich des klimagerechten Planens und Bauens wenig Eindeutigkeit. „Ein Problem für die Berichterstattung ist die Zurückhaltung des Berufsstandes wenn es darum geht, Problemfelder zu beschreiben oder konkrete Gründe zu benennen, warum nicht klimagerecht gebaut wurde. Das wird uns gerne im Hintergrundgespräch erläutert, will der Chef oder die Chefin dann aber nicht im Architektenblatt lesen“, berichtete die Chefredakteurin des DAB.
Diskurs vorantreiben
Benedikt Kraft, stellvertretender Chefredakteur der Deutschen Bauzeitschrift DBZ, verwies auf seine fast 30-jährige Berufserfahrung, die zeige: Eine Fachzeitschrift unterliegt vielfältigen Zwängen, um finanzierbar zu sein und seine Leser*innen zu halten. Unterhaltsam stellte er dar, wie die Redaktion tagtäglich über die richtigen Themen diskutiere, auf einzelne Anfrage reagiere, Gespräche mit vielen Partner*innen führe. Die DBZ erreiche etwa 20 000 Leser. Wie die digitale Analyse zeige, liefen insbesondere Berichte über baupraktische Fragen sehr gut. Zugleich wolle er aber auch über konzeptionelle Fragen und konkrete Objekte berichten, an denen sich Grundsätzliches aufzeigen lasse.
„Ziel unserer Redaktion bleibt, den fachlichen Diskurs voranzutreiben - dazu braucht es viel Energie“, so Benedikt Kraft. Er wünsche sich, dass Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen sich offensiver mit Ideen, Konzepten und beispielhaften Objekten an die DBZ-Redaktion wenden würden. „Sprechen Sie uns gerne persönlich an!“ Interessante Details würden häufig erst im direkten Austausch deutlich.
Menschen im Mittelpunkt
Aus Sicht von Oliver Volmerich, Redakteur der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten, ist Architektur ein „Muss-Thema“. Die Analyse der digitalen Abrufzahlen von Berichten der Ruhr Nachrichten zeige, dass die Themen Wohnen, Architektur, Stadtentwicklung, Gestaltung der Freiräume zu den „Quotenbringern“ in der lokalen Berichterstattung zählten. Volmerich zeigte Beispiele aus seiner redaktionellen Praxis. Der „Tag der Architektur“ etwa werde alljährlich gerne aufgegriffen; auch Ausstellungen im Baukunstarchiv NRW würden regelmäßig besprochen. „Wichtig sind Geschichten, die wir zu Bauwerken oder Planungsprojekten erzählen können“, betonte der Lokalredakteur, der im vergangenen Jahr mit dem BDA-Preis für Lokaljournalismus ausgezeichnet worden war. „Für uns steht nicht das Bauwerk im Mittelpunkt, sondern der Mensch, der darauf trifft oder darin lebt.“
Oft verfolge seine Redaktion die Entwicklung von Themen über viele Jahre. Volmerich stellte das Beispiel „Boulevard Kampstraße“ vor, ein Projekt zur Entwicklung einer der zentralen Straßen der Stadt, zu dem 1998 ein Wettbewerb durchgeführt worden war. Bis heute sei das Projekt in Realisierung, was immer schwieriger werde. „Eine Folge von Pleiten, Pech und Pannen. Wir zeigen aber auch gute Vorschläge und Entwürfe für eine Weiterentwicklung dieses wichtigen Straßenzugs.“
Den Klimaschutz bezog Volmerich hauptsächlich auf die Themenfelder Energiewende, Verkehrswende und den Klimabeirat der Stadt Dortmund. „Je konkreter das Thema, desto höher die Lese- bzw. Klickzahlen“, berichtete der erfahrende Lokalredakteur. Konkret, lebensnah, serviceorientiert – das seien die Kriterien, die er als Anregung an die Architektenschaft geben wolle.
Beispiele aus der Landschaftsarchitektur
Konkrete Projekte und Themen, die sich für eine Berichterstattung eignen würden, stellte auf der Fachtagung Landschaftsarchitekt Prof. Stephan Lenzen aus Bonn vor. „Städte sind wie Brenngläser von Entwicklungen – das gilt auch für die Starkwetterereignisse der letzten Jahre.“ Hier seinen Maßnahmen im Bereich der Freiflächengestaltung besonders plakativ und gut zu vermitteln. Notwendig sei, dem weiteren Klimawandel schnell gegenzusteuern und auf die laufenden Prozesse städtebaulich zu reagieren. „Wir müssen die Fläche der Grünstrukturen in unseren Städten zu verdoppeln“, forderte der Inhaber des Büros „RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten“, der seit April 2022 Präsident des Bundes Deutscher Landschafsarchitekten (BDLA) ist.
Die Landschaftsarchitektur könne dazu mit Freiraumentwicklungskonzepten beitragen, die insbesondere eine Verbindung von Siedlungsraum und Freiraum verfolgen müssten. „Wir Landschaftsarchitekten versuchen nach Kräften, ökologisch wertige Räume zu gestalten, die Flora und Fauna zugutekommen.“ Dazu gehörten Wasserretentionsflächen und Radwege, viele Pflanzen, die auch für Verschattung sorgen sollen. Es gehe im Kern immer um Grün, Wasser und Bewegung, so Stephan Lenzen. „Wir brauchen in unseren Städten eine Rechtsgrundlage für ein Verschlechterungsverbot der urbanen Freiraumqualität und des Stadtklimas“, forderte Lenzen.
Öffentliches Bewusstsein schärfen
Viele der Impulse und Thesen wurden abschließend im offenen „Thekengespräch“ mit dem Publikum vertieft. Einig waren sich Kammermitglieder, Redakteur*innen und Kommunikationsfachleute im gemeinsamen Ziel, dass das öffentliche Gespräch über ein klimagerechtes Planen und Bauen geschärft werden müsse. „Es ist wichtig, dass immer mehr Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen diesen Prozess unterstützen und sich aufmachen, die Medien aktiv anzusprechen“, resümierte Prof. Andreas Schümchen.
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