Thonet-Biegeevent: Bugholz, Wasserdampf und Knoten im Bein
„So einen Stuhl hätte ich auch gerne!“ Der Wunsch vieler Kinder der Kindertagesstätte „Pünktchen und Anton“ aus Düsseldorf-Carlstadt wird wohl unerhört bleiben, wird doch der Stuhl 214 K, in der Ursprungsversion 1859 von Michael Thonet entworfen worden, heute in der Jubiläumsausgabe mit Knoten im Bein für rund 1.000 Euro angeboten. Wie aufwändig die Herstellung eines solchen leichten, aus sechs Bauteilen bestehenden Stuhles ist, stellte die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen in einem besonderen Event am 1. August auf dem Vorplatz des Hauses der Architekten im Düsseldorfer Medienhafen vor.
Ein Wassertank, in dem Buchenholzleisten auf 100 Grad erhitzt werden, eine massive Biegeform und ein flexibles Metallband, mit dem das Holz beim Biegen gestützt wird - diese drei Elemente kommen seit mehr als 150 Jahren zum Einsatz, wenn Möbel aus Bugholz hergestellt werden. „Das lässt sich nur in Handarbeit fertigen“, erläuterte Felix Thonet, Ur-Ur-Urenkel des Erfinders und Firmengründers Michael Thonet, das aufwändige Produktionsverfahren. „Denn jedes Holzelement reagiert anders, da braucht man Fingerspitzengefühl.“
Vor dem Haus der Architekten demonstrierten die erfahrenen Thonet-Mitarbeiter Heinrich Dippel und Horst Groß, wie die Lehne des Stuhls 214 K in die richtige Form gebogen wird. Vier Minuten haben die Arbeiter Zeit, dann kühlt das Holz schon wieder zu stark ab.
„Das fühlt sich irgendwie toll an“, brachte der achtjährige Vincent das Interesse vieler Zuschauer der Aktion auf den Punkt. Das empfindliche natürliche Material, die schweren Maschinen und die menschliche Kraft und Geschicklichkeit, die eingesetzt werden müssen, um ein überzeugendes Ergebnis zu erzielen, faszinierten die Betrachter und ließen viele Ausstellungsbesucher, aber auch zufällige Passanten, lange an der Biegemaschine verharren. „So wie wir arbeiten, haben schon unsere Vorfahren vor 100 Jahren gearbeitet“, beschrieb Heinrich Dippel sein Handwerk.
Die Ausstellung „Pioniere der Sitzkultur - Thonet“ (noch bis zum 6. September im Haus der Architekten) zeigt Bugholz- und Stahlrohr-Stühle aus mehr als 150 Jahren. Der Besucher ist eingeladen, sich auf eine Zeitreise des Möbeldesigns zu begeben, angefangen in der Kaiserzeit über die Jahrhundertwende und die Moderne bis hin zu den bunten Entwürfen der frühen 1970er Jahre und heutigem Stuhldesign. Deutlich wird auch, dass viele große Architekten sich irgendwann an der Stuhlgestaltung versucht haben. Die Klassiker von Marcel Breuer, Mart Stamm, Mies van der Rohe, Sir Norman Foster und vielen anderen zeigen: oftmals mit bleibendem Erfolg.
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