Veranstaltung "Architektur und Recht": Neues Vergaberecht
Vergaberecht als Hochreck für Architekten: Über 350 Teilnehmer folgten am 27. Februar in Düsseldorf aufmerksam den Ausführungen der Referenten Ingeborg Diemon-Wies und Dr. Clemens Antweiler, die das Thema „Neues Vergaberecht – Erfahrungen aus der Praxis und aktuelle Rechtsprechung“ detail- und kenntnisreich analysierten und seine Relevanz für Architektinnen und Architekten verdeutlichten. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hatte das Thema aus aktuellem Anlass gewählt: Die Verdingungsordnung für Freiberufliche Leistungen (VOF) und verschiedene Teile der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB Teile A, B Und C) waren Anfang 2006 novelliert worden. Die Kammer führte die Veranstaltung in ihrer Reihe „Architektur und Recht“ durch, zu der auch in diesem Jahr Architekten und Juristen gleichermaßen kamen.
„Vergabeverfahren sind inzwischen von solcher Komplexität, dass ein Arbeiten für die öffentliche Hand und auch bereits ein Bewerben um einen öffentlichen Auftrag ohne solide Kenntnisse des Vergaberechts kaum noch möglich sind!“ Hartmut Miksch, der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, führt mit der Schilderung seiner Erfahrungen aus der Arbeitspraxis in die Fachveranstaltung ein. Sowohl die Auftragnehmer- als auch die Auftraggeberseite müsse sich inzwischen regelmäßig fachkundiger Hilfe bedienen. „Durch die europaweiten VOF-Verfahren und die dabei zu erbringenden umfangreichen Eignungsnachweise werden für Architekten Hürden aufgebaut, die unsere Büros – in ohnehin wirtschaftlich schwierigen Zeiten - erheblich, wenn nicht sogar übermäßig belasten“, betonte Miksch.
Nachprüfungsverfahren
Ingeborg Diemon-Wies, Vorsitzende der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster, stellte in ihrem Vortrag zum Nachprüfungsverfahren den Rechtsschutz in Bezug auf Vergabeverfahren der öffentlichen Hand in NRW sowohl oberhalb als auch unterhalb der Schwellenwerte detailliert dar. Sie wies zunächst deutlich darauf hin, dass durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2006 klargestellt sei, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, unterhalb der EU-Schwellenwerte einen Primärrechtsschutz vor Gerichten durch Schaffung besonderer Regelungen anzubieten. Gleichwohl, so betonte Diemon-Wies, bestehe für Bieter nach Auffassung des OVG Münster zumindest in NRW die Möglichkeit, unterhalb der Schwellenwerte die Verwaltungsgerichte anzurufen. Ferner wies die Vorsitzende der Vergabekammer Münster auch auf die zusätzliche Möglichkeit der (kostenlosen) Aufsichtsbeschwerde bei der Aufsichtsbehörde gegen ein fehlerhaftes Handeln des öffentlichen Auftraggebers hin.
Besondere Schwierigkeiten bereite die Anwendung des Vergaberechts, so Diemon-Wies, Privaten Dritten, die allein aufgrund eines Zuwendungsbescheides mit zu erfüllender Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts verpflichtet seien, es aber keineswegs gewohnt seien, die Vergaberechtsgrundsätze anzuwenden. Für die fünf Vergabekammern bei den Bezirksregierungen in NRW seien dies oftmals problematische Fälle. Für den Rechtsschutz oberhalb der Schwellenwerte, der im Vordergrund der Veranstaltung stand, stellte die Vorsitzende klar, dass keine übertriebenen Anforderungen an die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes gestellt werden dürften.
Die Referentin hob die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens bei de-facto-Vergaben hervor, die oftmals völlig ohne Beachtung des Vergaberechts erfolgten und bei denen daher ein wirksamer Zuschlag nicht vorliege.
Schwierigkeiten bereitet in der Praxis auch die richtige Berechnung des Schwellenwertes. Daher war es für die Teilnehmer wichtig zu erfahren, dass diese in einem Nachprüfungsverfahren von Amts durch die Vergabekammer erfolgt. Schließlich beleuchtete Diemon-Wies eingehend den Begriff des öffentlichen Auftraggebers; hier bleibe die Beantwortung die Einschätzung des Rechtsstatus’ von juristischen Personen des Privatrechts eine kniffelige Daueraufgabe.
Rechtsanwalt Dr. Clemens Antweiler verdeutlichte anhand verschiedener Praxisfälle die – durchaus haftungsträchtige – Rolle des Architekten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Eine gefährliche Stolperfalle könne für Architekten die Koppelung der Bewilligung öffentlicher Fördermittel an die Einhaltung des Vergaberechts darstellen. Wenn die Einhaltung des Fördermittelrahmens Gegenstand des Architektenvertrages ist, kann dies unter bestimmten Voraussetzungen, so mussten die Zuhörer erfahren, zu einem Regressfall zu Lasten des Architekten werden. „Achten Sie bitte genau darauf, ob eine solche Klausel in ihren Vertrag aufgenommen werden soll“, warnte Antweiler.
Bewusst wurde den Teilnehmern auch, wie wichtig genaue Kenntnisse der VOB/A für eine richtige Ausschreibung sind. Antweiler wies darauf hin, dass auch Private, die ohne Einschränkung erklären, eine Ausschreibung nach VOB Teil A durchzuführen, dann an die Einhaltung der VOB/A gebunden sind. Dies gebietet aus rechtlicher Sicht der Vertrauensschutz. Sehr anschaulich erläuterte der Rechtsanwalt aus der Düsseldorfer Kanzlei Rotthege, Wassermann & Partner die wesentlichen Änderungen des Vergaberechts im Bereich der VOB Teil A und der VOF. Ein wichtiges Thema sei die Einführung des Präqualifikationsverfahrens bei der VOB/A. Auch die Neuaufnahme von weiteren Zuschlagskriterien wie Qualität und Ästhetik zu den bisherigen ökonomischen Kriterien sei eine interessante Weiterentwicklung, wobei dieser Kriterienkatalog nur beispielhafter Charakter zukomme. Des weiteren wies Antweiler auf die zwingenden Ausschlussgründe in der VOB/A wie auch in der neuen VOF hin. Besonders praxisrelevant sind neuerdings die Möglichkeiten, Fristen für Angebote und Bewerbungen deutlich zu verkürzen nach VOB/A. Schließlich hob Antweiler auch die neue VOF-Regelung zur Gewichtung der Zuschlagskriterien hervor: Nach neuer VOF haben die Auftraggeber nunmehr anzugeben, wie die einzelnen Kriterien gewichtet werden.
Die umfangreichen Powerpoint-Präsentationen der Referenten stehen hier als Download für Sie zur Verfügung:
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