Ist die Konversion des Rheinauhafens aus denkmalpflegerischer Sicht gelungen?

Vom Handelshafen zur In-Meile Kölns

Noch zeugen Kräne von Bauaktivitäten auf der Rheinauhalbinsel – erst 2011 werden auch die letzten äußeren Zeichen der Umwandlung des alten Handelshafens in ein schickes Quartier am Wasser verschwunden sein. Doch für die Denkmalpflege ist das Kapitel „Rheinauhafen“ mit dem kürzlich vollendeten Umbau der historischen Halle 12 abgeschlossen. Ist also das mit einigen Neubauten sogar preisgekrönte, vielfach als Kölns neue „In-Meile“ gefeierte Hafenareal auch aus der Perspektive der Denkmalpflege gelungen?

06. August 2010von Ute Reuschenberg

Schließlich handelt es sich beim 1898 eröffneten Rheinauhafen um ein „hoch bedeutsames Dokument der Kölner Stadtgeschichte“, wie Stadtkonservator a. D. und Ingenieurbau-Experte Ulrich Krings bereits im Vorfeld der Umnutzung Ende der 1980er zu bedenken gab. So nehmen die Hochbauten nicht nur Bezug auf die Blütezeit Kölns und das seit dem Mittelalter berühmte Stadtpanorama - sie sind auch Zeugnisse der Kölner Stadterweiterung und der damit verbundenen wirtschaftlichen Expansion.

Um es gleich vorweg zunehmen: „In dem fast 20 Jahre dauernden Umwandlungsprozess hat es keinen gravierenden Substanzverlust an Bauwerken gegeben, und dies ist durchaus positiv”, urteilt Krings, in dessen Amtszeit die entscheidende Phase der Umnutzung fiel. „Die Denkmalbauten haben als Ausgangspunkte die Umgebung in ihren Dimensionen mitgestaltet - ein spannungsvolles, aber ausgeglichenes Verhältnis“.Kein leichter Start

Der Weg zum Ziel war nicht einfach: Erst zehn Jahre nach Auslobung des städtebaulichen Ideenwettbewerbs 1992 konnte der erste Spatenstich erfolgen. Denn sowohl die Hamburger Architekten Bothe Richter Teherani als auch Architekt Alfons Linster aus Trier erzielten einen ersten Preis. Statt einer Entscheidung folgten kontrovers geführte Debatten. Nach mehreren Überarbeitungsphasen und einem weiteren städtebaulichen Wettbewerb 1999 fiel die Entscheidung zugunsten der dominanten Kranhäuser – markante imageträchtige Akzente und bereits heute vielbeachtete Symbole des neu interpretierten Hafens.

Das gesamte, für eine Mischnutzung aus Wohnen, Arbeiten und Gastronomie vorgesehene Gebiet von insgesamt 154.000 Quadratmetern wurde mit Beschluss des Bebauungsplans im Jahr 2000 in insgesamt 30 Baufelder eingeteilt. Gutachterliche Architektenwettbewerbe sollten u. a. unter Beteiligung des Kölner Stadtkonservators für eine denkmalverträgliche Revitalisierung und qualitätvolle Neubebauung sorgen. Klare Vorgabe: Die unter Denkmalschutz stehende Bausubstanz war „gesetzt“, ebenso sollte möglichst viel von der hafentypischen Oberfläche erhalten bleiben, wenngleich hierfür kein Denkmalschutz vorlag.Zollhallen – ein ambivalenter Befund

Insgesamt ist das Ergebnis tatsächlich sehenswert und ein echter Gewinn für die Domstadt, wenn auch Teilbereiche differenzierter zu betrachten sind. Ist besonders an der südlichen Rheinfront zwischen dem gläsernen KAP am Südkai (KSP Engel und Zimmermann) und der rhythmisch durch Vor- und Rücksprünge gegliederten Fassade der langgestreckten Wohnwerft (Römer und Partner) ein fast harmonischer Wechsel von historischer und moderner Architektur zu verzeichnen, so erscheint die nördliche, mit dem Schokoladen- und dem Sportmuseum bereits vorab bebaute Halbinsel eher ambivalent: Überstrahlt von den ästhetisch überzeugenden, mit den alten Kränen korrespondierenden Hochhäusern von BRT fristen die drei einst symmetrischen ehemaligen Zollhallen 1, 2 und 3 bzw. 10 (jetzt Sportmuseum), 11 und 12 (Umbauten: von Lom, JSWD Architekten und Molestina Architekten) eher ein Schattendasein. Die im Krieg teils stark zerstörten Bauten des Architekten Bernhard Below, frühe Zeugnisse der Stahlbeton-Bauweise, sind zwar passagenweise zurückgebaut worden, doch sind sie mit ihren Aufstockungen und Veränderungen aus heutiger Sicht eher suboptimal.

Die Denkmalpflege bestand - wie es damals Konsens war - nicht auf der Rekonstruktion der vier Eckwarten mit Zinnenkränzen in der Dachzone. Somit haben die dem Gürzenich verpflichteten gotisierenden Hallen ihr altes Erscheinungsbild, aber auch ihre Bedeutung eingebüßt. „Hier würde man heute anders entscheiden“,  ist sich Ulrich Krings mit Blick auf  die im Zuge der Wiedervereinigung rehabilitierte Rekonstruktion von Baudenkmälern sicher.Neues Leben in alten Speichern

Mit dem neoromanischen Hafenamt und seinen schlichteren Begleitbauten, dem ehemaligen Krafthaus und dem alten Lokschuppen, kann der Hafen hingegen ein besonders gelungenes Ensemble vorweisen. Die Architekten Gatermann und Schossig, die zuvor schon den benachbarten Bayenturm im Innern neugestaltet haben, erweiterten den noch intakten Verwaltungsbau auf u-förmigem Grundriss durch zwei rückwärtige Anbauten. Die leichte Stahl-Glas-Konstruktion und die streng gerasterten Fassaden setzen sich dabei bewusst als moderne Zutaten ab.

Kollidierte hier allerdings nicht die alte mit der neuen Nutzung, so sah dies bei einem weiteren, dominanten Bauwerk anders aus: beim so genannten „Siebengebirge“, einem riesigen, 177 Meter langen Speicherbau, 1909 von Hans Verbeek fast vollständig in Stahlbeton ausgeführt. Der Speicher stellte die planenden Architekten Kister Scheidhauer und Gross und die Denkmalpflege zunächst vor eine fast unlösbare Aufgabe. „Mit einer Raumtiefe von über 20 Metern, den wenigen Fenstern und der niedrigen Geschosshöhe war eine Wohnnutzung kaum vorstellbar“, erinnert sich Werner Zavisla, stellvertretender Stadtkonservator Kölns, der die Umnutzung von Seiten der praktischen Denkmalpflege betreute.

Eine geschickte Grundrisslösung, behutsame Fenstervergrößerungen und Dachöffnungen verwandelten das Lagerhaus schließlich tatsächlich in das, was es mit seiner Giebellandschaft nahe legt: in ein attraktives Wohnhaus. Im Anschluss daran konnte sogar der südlich anschließende, eigentlich schon zum Abriss freigegebene, mächtige Silobau aus den späten 1930er Jahren als Bürogebäude erhalten werden. Denselben Architekten gelang u. a. durch nachträgliches Einschneiden von Fensteröffnungen, was niemand für möglich gehalten hatte. Das neue „Silo 23“ ist ein Glücksfall für den Erhalt des alten Rheinpanoramas und ebenso vorbildlich wie der nördliche Nachbarbau des Siebengebirges: das wieder in original ziegelroter Farbigkeit erstrahlende „Rheinkontor“, welches in Form von stadtseitig ergänzten Giebeln sogar an Historie wiedergewonnen hat. Hafen ohne „Fußboden“

Doch nicht alles verlief so glücklich: „Die denkmalpflegerische Zielvorstellung, neben den denkmalwerten Gebäuden und Kränen auch die historischen Oberflächen mit ihrem Pflaster, den Schienen und Leitungssträngen zu erhalten, konnte sich nur zu einem geringen Teil durchsetzen,“ konstatierte Thomas Goege vom Rheinischen Amt für Denkmalpflege bereits 2008 enttäuscht. Zu groß der Druck der Investoren und zu stark der Wille der Stadt, hier ein neues Viertel mit Zukunft entstehen zu lassen. Der geforderte Hochwasserschutz und der Bau einer 1,6 Kilometer langen Tiefgarage verpassten dem technik- und wirtschaftsgeschichtlichen Zeugniswert des Hafens einen empfindlichen Dämpfer. Das Bodenniveau wurde im Bereich der zentralen Erschließungsachse um 1,20 Meter angehoben – das „Aus“ für das hafentypische Geflecht von Schienen und Weichen mitsamt der historischen Pflasterung. Mit ihnen verschwanden ebenfalls unwiderruflich die Sockelzonen und Rampen der denkmalgeschützten Lagerhallen.

Versöhnlich stimmt allerdings die mit viel Gespür für den „genius loci“ erfolgte Neufassung der Außenanlagen durch die Düsseldorfer Landschaftsarchitekten Fenner Steinhauer Weisser: Mit übergroßen Betonplatten und der alten, teils wiederverwendeten Pflasterung wählten diese nicht nur bewusst steinernes Material, sie ergänzten es auch durch charakteristische rostende Materialien. „Der Industriecharakter wird transformiert und gleichzeitig erinnert“, so Krings, der den Verlust der originären Substanz damit fast „verschmerzen“ kann.

Die in einer recht hohen Dichte im Rheinauhafen entstandene, oft hochwertige Architektur – etwa das zuletzt fertig gestellte Art`otel von Johanne Nalbach als Abschluss zur alten Stadtkante - bildet mit der noch erhaltenen historischen Bebauung meist ein anregendes, kontrastreiches Miteinander. Dennoch erscheinen die Denkmäler, die gerade mal 30 Prozent der Bebauung ausmachen, durch die Massierung der Neubauten oft auch regelrecht bedrängt. Nicht zu unterschätzen ist zudem der Verlust großer Teile der originären Hafenoberfläche, der es auch den Denkmalbauten schwerer macht. Bei aller Freude der Kölner über ihr neugewonnenes Quartier mit maritimen, stellenweise sogar fast mediterranem Charme, ist es bedauerlich, dass fast nichts mehr an die einstigen, überall verlaufenden Schienenstränge erinnert – schließlich war der expandierende Warenumschlag zwischen Schiff und Schiene einst Anlass, an dieser Stelle den für die damalige Zeit nicht nur architektonisch, sondern auch technisch höchst anspruchsvollen Hafen anzulegen.

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