Von der Kraft des Unterschieds

Von der Kraft des Unterschieds

Eins der Highlights von Jersey: International tätige Architekten präsentierten sich, ihre Philosophie und ihr Werk vor dem Hintergrund des Themas „Europa gestalten“. Sie setzten dabei sehr unterschiedliche Akzente.

16. Juli 2003von Christine Mattauch

Das Credo von Hadi Teherani (Hamburg) war Identität. "Unsere Philosophie ist die Ganzheitlichkeit", erklärte er. Ein Gebäude müsse in jeder Hinsicht ökonomisch, ökologisch, kommunikativ stimmig sein. Teherani sucht mit seinen Bauten Bezüge zur Umgebung: Das Hamburger Bürohaus Dockland beispielsweise, ein schiffsartiger Bau am Kai, korrespondiere mit dem benachbarten Fährterminal. Stichwort Ökonomie: Gerne verwendet der Architekt, wie bei den Hamburger Bürohäusern Doppel-X und Berliner Bogen, das "Haus im Haus"-Prinzip, das es ermöglicht, die innen liegenden Räume natürlich zu belüften. Dies, so Teherani, senke die Heizkosten fast um die Hälfte.Architektur stiftet Identität

Wirtschaftliche Vorteile biete auch sein Ansatz, möglichst viel Luftraum zu bebauen, wie bei dem Entwurf für die "Kranhäuser" im Kölner Rheinauhafen. Als Beleg, dass ihm die Identitätsstiftung gelingt, wertete Teherani die Reaktion der Bevölkerung: "Sie findet sofort einen Namen für die Gebäude."Sinnliche Seite der Architektur

Erick van Egeraat (Amsterdam) plädierte für einen sinnlichen Zugang zur Architektur. "Architekten glauben immer, dass sie erklären müssen, weshalb ein Gebäude gut ist. Aber wenn es wirklich gut ist, merken die Leute das auch ohne Erklärung." Wichtig sei, dass die Menschen eine Architektur emotional annehmen könnten, und dazu gehöre mehr als eine stabile Statik und ein kostengünstiger Entwurf. "Warum soll ein Gebäude einfach und billig sein?", fragte der Holländer. "Wenn etwas schön ist, sollte man anerkennen, dass es teuer ist." Egeraat betonte zugleich die "Kraft des Unterschieds": "Unterschiedlich sein ist interessant!" Wer als Architekt im Ausland tätig werde, müsse etwas Neues bringen, zugleich aber die Individualität des Ortes respektieren. Als gelungenes Beispiel stellte er unter anderem ein Wohnungsbauprojekt in Moskau vor, bei dem die Häuser im Stil russischer Avantgardisten gestaltet sind.

Ökologie als Schwerpunkt

Sir Nicholas Grimshaw (London) rief zu einem internationalen Dialog über Ökologie und nachhaltige Architektur auf: "Das ist viel interessanter als Stil- und Gestaltungsfragen." Er stellte ein von ihm entwickeltes Mess-System vor, das die Umweltverträglichkeit von Gebäuden anhand von zwölf Kriterien prüft, darunter Energieverbrauch, Wiederverwendbarkeit von Materialien, verkehrliche Anbindung, Auswirkungen auf den Wasserhaushalt. Auch kulturelle Dimensionen werden erfasst. Anschließend präsentierte Grimshaw eigene Projekte, die er mit dem Mess-System evaluiert hatte, darunter den englischen Pavillon auf der Weltausstellung in Sevilla und das britische Rolls Royce Werk. Grimshaw verschwieg nicht, dass es zuweilen schwierig sei, Umweltbelange und die Ansprüche der Bauherren an Flexibilität und Nutzbarkeit in Einklang zu bringen: Beim Bau der Messehalle in Frankfurt etwa habe dies zu "hitzigen Debatten und Streitereien" mit der Messegesellschaft geführt.



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