Das Foto zeigt die Diskussionsteilnehmer der Veranstaltung "Glaube - Identität - Architektur.
Gaben vielfältige Impulse aus ganz unterschiedlichen Perspektiven (v. l.): Architekt Prof. Paul Böhm, Dr. Jörg Biesler (Moderator), Pfarrer Gregor Hohberg, Dr. Kim de Wildt (CERES), Ernst Uhing (Präsident AKNW), Dr. Georg Henkel (ASG), Petra Budde (Vors. ASG) und Dr. Uwe Gerrens (Ev. Stadtakademie Düsseldorf) – Foto: Ingo Lammert/Architektenkammer NRW

Ein Gott - vielfältige Räume?

Welche Kirchenbauten brauchen wir in Zukunft noch? Können interreligiöse Konzepte ein gangbarer Weg sein, wenn die abrahamitischen Religionen in Europa schwindende Besucherzahlen bei ihren Gottesdiensten verzeichnen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Vortrags- und Podiumsver-anstaltung „Glaube - Identität - Architektur. Religion braucht Raum“, zu der die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am 17. September in Kooperation mit dem ASG Bildungsforum, der Evangelischen Stadtakademie Düsseldorf sowie der Evangeli-schen Kirchengemeinde Düsseldorf-Mitte in die Kreuzkirche eingeladen hatte.

23. September 2019von Christof Rose

„Vielleicht ist die Zeit reif, das Gemeinsame und Verbindende zwischen den Religionen in den Vordergrund zu stellen und zusammen nach Perspektiven zu suchen“, gab Petra Budde die Diskussionslinie vor. „Ein Gotteshaus ist immer mehr als eine Kosten-Nutzen-Rechnung“, betonte die Vorsitzende des ASG Bildungsforums, dem größten katholischen Bildungsinstitut dieser Art in Deutschland. „Es ist auch ein Statement in den Stadtraum und in die Gesellschaft hinein.“  

Das bekräftigte auch die Religionsforscherin Dr. Kim de Wildt vom CERES-Institut an der Ruhruniversität Bochum. „Bei Kirchbauwerken geht es um Identität, Zugehörigkeit und Macht im öffentlichen Raum“, meinte Dr. de Wildt. Auch wenn sonntags nur noch etwa zehn Prozent der Katholiken einen Gottesdienst besuchten, gäben doch 83 Prozent der Deutschen an, hin und wieder in eine Kirche zu gehen. Es gebe bereits multireligiöse Räume (konfessionell getrennt, aber unter einem Dach) und interreligiöse Räume (mehrere Religionen teilen sich einen Raum). Wer über die Zukunft eines Sakralbaus nachdenke, müsse religiöse, kulturelle, gesellschaftliche und persönlich-individuelle Aspekte berücksichtigen.  

Moderator Dr. Jörg Biesler schloss die Frage an: „Christentum, Judentum und Moslems teilen sich einen Gott - warum nicht auch einen Raum?“ Eher skeptisch zeigte sich Architekt Prof. Paul Böhm aus Köln. Er stellte mit der neuen DITIB-Zentralmoschee ein prominentes Praxisbeispiel für einen Sakralneubau vor. „Die Prämissen waren dieselben wie bei christlichen Kirchen: Das Bauwerk sollte als Zentrum für alle Muslime im Großraum Köln klar zu erkennen sein; und es musste einen atmosphärischen Raum des Gebets und der Gemeinschaft geben.“ Für interkonfessionelle Räume sah Böhm noch Akzeptanzprobleme, „ich erwarte da eher Zeiträume von 50 - 100 Jahren“.  

Anders die Hoffnung von Pfarrer Gregor Hohberg in Berlin. Mit seiner evangelischen Kirchengemeinde St. Petri - St. Marien will er gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde Berlin-Mitte sowie der muslemischen Gemeinde das „House of one“ realisieren. Nach dem Siegerentwurf eines Architektenwettbewerbs von Kuehn Malvezzi soll an zentraler Stelle an der südlichen Museumsinsel ein Gotteshaus entstehen, in dem die drei Religionsgemeinschaften jeweils ihren eigenen Sakralraum für Gottesdienste haben, sich aber in der Mitte einen großen Gemeinschaftssaal teilen. „Es handelt sich um ein Dialogprojekt, das gesellschaftliche Transformationsprozesse widerspiegelt“, erläuterte Pfarrer Hohberg. Schon der zehnjährige Dialogprozess sei eine lebendige und wichtige Erfahrung. Dass Spender aus 60 Ländern das Vorhaben unterstützten, zeige, dass die Herausforderung interkonfessioneller Gemeinschaft weltweit die Menschen bewege. Die Gründungsarbeiten laufen gegenwärtig, die Grundsteinlegung soll am 14. April 2020 erfolgen.  

Für Architektinnen und Architekten seien diese Transformationsprozesse eine neue Aufgabe, die moderatives Geschick verlangten, erklärte Ernst Uhing. Der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen wies darauf hin, dass Kirchbauvorhaben stets stark emotional besetzt seien - auf Seiten der Bauherrenschaft, aber auch in der jeweiligen Stadtgesellschaft. „Es ist deshalb wichtig, dass alle beteiligten Akteure die Menschen im Quartier einbinden.“ Der interdisziplinäre Dialog zwischen Architekten, Theologen, Soziologen und Kunsthistorikern sei deshalb äußerst befruchtend und inspirierend. Das sahen auch die rund 100 Teilnehmer des informativen Abends so, die sich rege an der abschließenden Diskussion beteiligten.

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