Revisited: Landmarke mit Aussicht - der Sparkassenturm in Wuppertal

Ganz oben auf der 19. Etage herrscht noble, teppichgedämpfte Vorstands-Atmosphäre. Holzvertäfelte Wandverkleidungen aus dunkler Mooreiche, ockerfarbene Bestuhlung rund um den Konferenztisch, blauer Teppichboden, die ernste und ein wenig trockene Modernität der frühen 1970er Jahre. Der Rundblick über die Stadt, die Schwebebahn, das erneuerte Bahnhofsumfeld, die das Tal rahmenden Hänge bis zu den bewaldeten Hügelketten mit der Bergischen Universität am Horizont, all das vermittelt das Gefühl gesicherter Überlegenheit. Die Räumlichkeiten im obersten Geschoss des Wuppertaler Sparkassenhochhauses, mit dessen Bau nach einem Entwurf des Düsseldorfer Architekten Paul Schneider-Esleben vor genau 50 Jahren begonnen wurde (am 14. Mai 1969 erfolgte die Grundsteinlegung, 1973 war Eröffnung), sind ein Stück Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die offenbar gut gepflegt wird.

30. April 2019von Dr. Frank Maier-Solgk

„Das Inventar ist alles Originalzustand; wenn etwas ausgetauscht wurde, dann exakt nach den alten Bildvorlagen“, heißt es aus der Pressestelle. Man habe viele Mietnachfragen für Hochzeiten und alle möglichen Veranstaltungen; aber natürlich ist der Saal, abgesehen von gelegentlichen Veranstaltungen von Vereinen, bei denen die Vorstände beteiligt sind, internen Zwecke vorbehalten. „Vielleicht ist für die Wuppertaler auch etwas Nostalgie im Spiel“, sagt die freundliche Dame, die durch das Haus führt. Nostalgie ist ein gutes Stichwort, denn vielleicht gehören stationäre Bankhäuser irgendwann ganz der Vergangenheit an. Die Zahl der Filialen von Banken und Sparkassen nimmt infolge Online-Banking und Niedrigzins seit Jahren kontinuierlich ab.

Rund 30 000 sollen es insgesamt bundesweit noch sein; um die Jahrtausendwende war die Zahl noch mehr als doppelt so hoch. Erst kürzlich berichtete die FAZ von einem Rückgang auch bei den Sparkassen; um 5 Prozent soll das Filialnetz bundesweit 2018 geschrumpft sein.  Man experimentiert mit Videoberatungen und zunehmend mit mobiler Versorgung. Inzwischen haben Sparkassenbusse zum Teil die Versorgung auf dem flachen Land übernommen.

Die Stadt Wuppertal scheint da noch gut dazustehen: Hier liegt die Zahl der Filialen unverändert bei 35, man habe 1300 Angestellte und man sei traditionell die Nummer 1 der Branche. Offenbar dient auch ein markanter Bau in guter Lage noch immer recht gut der Kundenbindung. Der Wuppertaler Sparkassenturm jedenfalls, mit 75 Metern das höchste Gebäude der Stadt, ist längst zu einer Landmarke geworden.  700 Angestellte arbeiten hier; das heißt, nicht nur im Turm, sondern auch in der angegliederten, 50 mal 50 Meter großen Kundenhalle, in der eine schillernde kinetische Spiegelwand des Künstlers Adolf Luther an die frühe Blütezeit des Programms „Kunst am Bau“ erinnert.

In den 1990er Jahren wurde eine Erweiterung notwendig, die das Architekturbüro RKW damals als kompakte und teils transparente Komposition aus drei Baukörpern (Riegel, Glashalle, Sichel) entwarf und mit dem Altbau durch eine 90 Meter lange, verglaste Fußgängerbrücke verband. Noch immer aber ist der Turm mit seinen weißen Brüstungsbändern, zwischen denen die beschichten Fensterbänder bläulich schimmern, der Hingucker. Vor allem die senkrechten, der Fassade vorgelagerten, durch ihre Rundungen plastisch wirkende Hängesäulen springen ins Auge -als Erkennungsmerkmale der Hängekonstruktion. Auf den unteren Etagen hat Paul Schneider-Esleben den Blick auf den inneren Kern des Aufzugsschachtes freigelassen und so auch hier das Hängebauprinzip, das der gewünschten Stützenfreiheit wegen notwendig wurde, sichtbar gemacht.

Es gibt dem Bau insgesamt einen Zug ins Wagemutige, während das Kranzgeschoss, die vom übrigen Bau durch die Schräge abgesetzte 19. Etage, unzweifelhaft als Krone verstanden werden will.  Die Wuppertaler Sparkasse, die übrigens im selben Jahr wie die gleichfalls als Hängekonstruktion errichteten BMW-Türme in München eröffnete, ist ein schwebender und doch standfester Turm, bei dem die Verbindung von sichtbar gehaltener Konstruktion und plastischer Form ausdrucksstark gelungen ist. Nicht zu Unrecht steht das Gebäude seit 2015 unter Denkmalschutz.                                              

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