Stellplätze

28. März 2017von Dr. Florian Hartmann

Architekt A stellt der Rechtsberatung der AKNW folgende Frage: „Mein Bauherr ist Eigentümer eines mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshauses. Im Erdgeschoss war bislang ein Einzelhandelsgeschäft untergebracht. Der Bauherr hat mich gebeten, einen Antrag auf Nutzungsänderung in eine Wettannahmestelle zu stellen. Die Bauaufsichtsbehörde meint nun, dass sich die Stellplatzfrage für das gesamte Gebäude neu stelle. Das kann doch nicht richtig sein. Die geplante Nutzungsänderung betrifft nur 13 % der Gesamtfläche des Gebäudes.“

Die Behörde kann unter Umständen Recht haben.Nach § 51 Abs. 1 BauO NRW müssen bei der Errichtung von baulichen Anlagen, bei denen ein Zu- und Abgangsverkehr zu erwarten ist, Stellplätze hergestellt werden. Nach § 51 Abs. 2 BauO NRW stehen wesentliche Änderungen von baulichen Anlagen oder wesentliche Änderungen ihrer Benutzung der Errichtung von baulichen Anlagen gleich. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat jüngst die die hierzu geltende Linie der Rechtsprechung noch einmal bekräftigt (Beschluss vom 29. September 2016, AZ: 7 A 2950/15): Danach ist im Rahmen des § 51 Abs. 2 BauO NRW eine Änderung der Benutzung auch dann wesentlich, wenn sie qualitativ so bedeutsam ist, dass es auch unter den Gesichtspunkten eines etwaigen Bestandsschutzes, der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit gerechtfertigt erscheint, das Vorhaben in Bezug auf die Lösung des Stellplatzbedarfs der Errichtung eine Objekts gleichzustellen. In diesem Fall darf ein Fehlbedarf an Stellplätzen nicht weiter fortgeschrieben werden.Nach dieser Rechtsprechung ist die Nutzungsänderung von einem Ladengeschäft in ein Wettbüro schon deshalb „qualitativ bedeutsam“, weil Wettbüros, anders als Läden, regelmäßig auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet sind und entsprechenden Kfz-Verkehr verursachen können. Als wesentliche Änderungen haben die Gerichte anerkannt: Änderung eines Ladenlokals in eine Spielhalle, Änderung einer Speisegaststätte in eine Spielhalle, Änderung eines Teppich- und Antiquitätengeschäfts in ein Ladenlokal mit Stehcafé (nach VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Dezember 2013, AZ 9 K 3710/12).

Allerdings lässt die Rechtsprechung auch den Nachweis zu, dass eine Nutzungsänderung im Einzelfall nicht qualitativ bedeutsam ist und damit keine wesentliche Änderung darstellt. Hierfür reicht jedoch eine „rein quantifizierende Betrachtung“, also das bloße in Bezug setzen der betroffenen Flächen (hier: 13 % zu 87 %), nicht aus. Vielmehr muss sich der Bauherr (und damit auch sein Architekt) mit der Frage auseinandersetzten, welche Bedeutung der in Rede stehenden Nutzung im Erdgeschoss zukommt. Es ist also insbesondere darzulegen, weshalb durch die geplante Nutzungsänderung gerade kein erhöhter Zu- und Abgangsverkehr durch Kraftfahrzeuge stattfindet. Das wird in der vorliegenden Konstellation - „Tante-Emma-Laden“ wird Wettannahmestelle - schwerlich möglich sein.

Praxishinweis:
Die geschilderte Rechtsprechung kann auf Bauherrnseite schnell zu einem bösen Erwachen führen. So kann es sein, dass sich durch eine auf den ersten Blick vergleichsweise „harmlose“ Nutzungsänderung in einem Geschoss die Stellplatzfrage für das Gesamtgebäude neu stellt. Ein Gebäude, das bislang – bestandsgeschützt – gänzlich ohne oder mit wenigen Stellplätzen ausgekommen ist, wird nunmehr nach den Stellplatzvorgaben des Jahres 2017 beurteilt. Das kann zu einem erheblichen finanziellen Mehraufwand für den Bauherrn führen.

Architektinnen und Architekten sind deshalb gut beraten, die geschilderte Rechtsprechung bei Bauaufgaben im Bestand stets im Hinterkopf zu haben und die Bauherren entsprechend zu beraten. In Zweifelsfällen sollte die Inanspruchnahme anwaltlichen Rechtsrats empfohlen werden.Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die novellierte Bauordnung NRW. Nach dem neuen § 50 Abs. 1 BauO NRW, der zum 1. Januar 2019 in Kraft tritt, wird die Stellplatzfrage „kommunalisiert“. Die Gemeinden können dann durch Satzung regeln, dass bei Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen Stellplätze herzustellen sind. Diese Neuerung geht u. a. auf eine Forderung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen zurück. Sinn und Zweck ist es, die Stellplatzzahlen künftig flexibel vor Ort zu regeln.

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