Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit

Sachverständiger S wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer NRW: „Ich wurde in einem Rechtsstreit über einen Werklohnanspruch beim Landgericht als Sachverständiger beauftragt. Nachdem ich mein schriftliches Gutachten vorgelegt habe, hat der Kläger mit scharfen Worten gerügt, mein Gutachten sei unvollständig und müsse ergänzt werden. Mit einer E-Mail habe ich mich vertraulich an den Richter gewandt und verlangt, mich nach diesen Ausführungen, die mich diskreditieren, vom Gutachtenauftrag zu befreien. Der Richter hat nun die E-Mail an die Parteien weitergeleitet. Damit hatte ich nicht gerechnet. Besteht nun die Gefahr, dass ich vom Kläger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werde – damit könnte ich noch leben, denn ich möchte den Gutachtenauftrag ja „loswerden.“ Wie sieht es dann aber mit meiner Vergütung aus?“

02. März 2023von Dorothee Dieudonné

In dem Beschluss vom 10.06.2022 (AZ: 13 W 114/21) hat das OLG Karlsruhe die Entscheidung des Landgerichts bestätigt, indem dieses in einem vergleichbaren Fall den Vergütungsanspruch des Sachverständigen aufgrund der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit aberkannt hatte.

Das OLG Karlsruhe hat in seinem Beschluss festgestellt, dass es für die Besorgnis der Befangenheit eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen nicht darauf ankommt, ob der Sachverständige tatsächlich parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat.
Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtung genügend Gründe vorhanden sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen.
Die Besorgnis der Befangenheit kann sich insbesondere daraus ergeben, dass ein Sachverständiger auf sachliche Einwendungen völlig unangemessen und unsachlich reagiert, unsachliche Äußerungen über eine Partei oder ihren Prozessbevollmächtigten tätigt oder angekündigte Einwendungen gegen das Gutachten unbesehen abqualifiziert.
Durch Ihre E-Mail an den Richter und die Bewertung der Rüge des Klägers haben Sie möglicherweise grob fahrlässig Gründe geschaffen, die den Kläger zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit berechtigen.
Bei scharfen, aber noch sachlichen Ausführungen des Klägers haben Sie als Sachverständiger aus Sicht des Gerichts möglicherweise unprofessionell reagiert, indem Sie sich durch die Kritik „diskreditiert“ gezeigt haben.
Auf die „Vertraulichkeit“ der an den Richter gerichteten E-Mail kommt es dabei nicht an. Das Gericht ist aus prozessualen Gründen gehalten, sämtliche prozessbezogenen Äußerungen des Sachverständigen den Parteien zur Kenntnis zu geben.

Ein Vergütungsanspruch des Sachverständigen besteht jedoch nur, wenn die Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist. Dies ist bei Ablehnung des Sachverständigen nicht der Fall, da auch ein bereits vor Eintritt der Befangenheit erstelltes Gutachten nicht verwertet werden darf.

Praxistipp

Sachverständige müssen davon ausgehen, dass die Gerichte sämtlichen, also auch aus Sicht des Sachverständigen, vertraulichen Schriftverkehr den Parteien zur Kenntnis geben, denn ein Richter kann nicht Beschwerden über das Verhalten einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten vertraulich entgegennehmen, ohne sich selbst befangen zu machen. Um nicht Gefahr zu laufen, wegen Besorgnis der Befangenheit als Sachverständiger abgelehnt zu werden und den An-spruch auf Vergütung zu verlieren, ist auf eine strikt sachliche Ausdrucksweise zu achten. Die Ablehnung kann auch die Rückzahlung bereits erhaltener Vorschüsse für bereits erbrachte Leistungen zur Folge haben.

 

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