Bundesgerichtshof zu Stufenverträgen

30. Juli 2015von Dr. Florian Hartmann

Architekt A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer NRW: „Im DAB 03/14 hatten Sie von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz zu den so genannten Stufenverträgen berichtet, die noch nicht rechtskräftig sei. Gibt es mittlerweile eine rechtskräftige Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)?“

Ja! In seinem Urteil vom 18.12.2014 (Az: VII ZR 350/13) hat der BGH entschieden: Wenn keine feste Beauftragung mit sämtlichen Leistungen im Architektenvertrag erfolgt ist, sondern lediglich eine weitere Beauftragung mit den weiteren Stufen beabsichtigt ist (sog. Stufenvertrag), liegt die für die Anwendbarkeit der jeweiligen Honorarordnung maßgebliche erst in der Aufforderung des Auftraggebers an den Architekten, die weiteren Leistungsphasen (die „nächste Stufe“) zu erbringen. Für die Abrechnung dieser nächsten Stufe ist die dann gültige HOAI anzuwenden.

Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Mai 2009 – also zur Geltung der HOAI 2002 – schlossen die Parteien einen Generalplanervertrag. Dort war eine stufenweise Beauftragung des Architekten u. a. mit folgenden Worten geregelt:

„Für (das Objekt X .) ist die komplette Planung entsprechend den Leistungsphasen 1 - 8 des § 15 HOAI zu erbringen. Es ist vorgesehen, im ersten Schritt die Leistungsphasen 1 - 4 (Phase I) zu beauftragen. Die Beauftragung der Leistungsphasen 5 - 8 (Phase II) erfolgt optional nach erfolgter Genehmigung des Bauvorhabens durch die vorgesetzte Dienststelle. (...) Der Auftraggeber beabsichtigt, dem Auftragnehmer bei Fortsetzung der Planung und Ausführung der Baumaßnahme weitere Leistungen – einzeln oder im Ganzen – zu übertragen. (...) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die weiteren Leistungen zu erbringen, wenn sie ihm vom Auftraggeber innerhalb von 24 Monaten nach Fertigstellung der Leistungen (Phase I) übertragen werden. (...) Ein Rechtsanspruch auf die Übertragung der (weiteren) Leistungen besteht nicht.“

Die Parteien legten die Honorarzone fest und vereinbarten die Mindestsätze der HOAI 2002. Während die erste Stufe der Architektenleistungen unter Geltung der HOAI 2002 abgerufen wurde, wurde die zweite Stufe erst nach Inkrafttreten der HOAI 2009 abgerufen und erbracht. Dementsprechend legte der Architekt der Abrechnung der zweiten Stufe die Mindestsätze der HOAI 2009 zugrunde. Der Auftraggeber verweigerte die Zahlung und argumentierte, der Architekt dürfe nur nach den (deutlich geringeren) Mindestsätzen der HOAI 2002 abrechnen.

Zu Unrecht, wie der BGH meint. Die Bundesrichter führten aus: Gemäß § 55 HOAI 2009 gilt die HOAI nicht für diejenigen Leistungen, die vor ihrem Inkrafttreten vertraglich vereinbart wurden; insoweit bleiben die bisherigen Vorschriften der HOAI 2002 anwendbar. Eine „vertragliche Vereinbarung“ in diesem Sinne stelle der Generalplanervertrag vom Mai 2009 hinsichtlich der zweiten Stufe (Phase II) jedoch nicht dar. Entscheidend sei nämlich, dass vor Beauftragung der zweiten Stufe nur eine einseitige Bindung des Architekten bestanden habe. Der Auftraggeber habe nur „beabsichtigt“, den Architekten mit weiteren Leistungen zu beauftragen, und sich insoweit gerade noch nicht vertraglich binden wollen. Damit seien die Leistungen der Stufe 2 erst nach Inkrafttreten der HOAI 2009 vertraglich vereinbart worden - und nach dieser Honorarordnung abzurechnen.

Allerdings sprach der BGH dem Architekten die geforderte Honorarsumme noch nicht abschließend zu, sondern verwies die Angelegenheit zurück an das OLG Koblenz. Der Hintergrund: Der Architekt hatte seine Mindestsatz-Abrechnung für die zweite Stufe insoweit an der HOAI 2002 orientiert, als er die anrechenbaren Kosten auf Grundlage von Kostenanschlag und Kostenberechnung ermittelte, § 10 Abs. 2 HOAI 2002. Der Architekt müsse jedoch, so die Bundesrichter, seine Rechnung an den Grundsätzen der HOAI 2009 orientieren, mithin die anrechenbaren Kosten grundsätzlich allein auf Grundlage der Kostenberechnung ermitteln (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 HOAI 2009).

Praxistipp

Im dargestellten Urteil hatte sich der BGH mit einer Rechtsfrage des Übergangs von der HOAI 2002 zur HOAI 2009 zu beschäftigen. Die Entscheidung ist jedoch auch auf Stufenverträge anwendbar, bei denen die erste Stufe unter Geltung der HOAI 2009 beauftragt und abgerufen wurde und die zweite Stufe unter Geltung der HOAI 2013 beauftragt und abgerufen wurde.

Nach wie vor nicht (höchst-)richterlich geklärt ist allerdings die Frage, wie damit umzugehen ist, dass die HOAI 2013 im Vergleich zur HOAI 2009 nicht nur höhere Honorare vorsieht, sondern auch die Leistungsbilder erweitert hat. Hier werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Nach einer Auffassung sollen derartige Stufenverträge dahin auszulegen sein, dass auch hinsichtlich des Umfangs der Leistungspflichten die zum Abrufzeitpunkt gültige HOAI maßgeblich ist. Andere gehen insbesondere für den Fall, dass der Stufenvertrag hinsichtlich der Leistungspflichten des Architekten ausdrücklich auf die HOAI 2009 verweist, von Folgendem aus: Der Architekt muss lediglich die Grundleistungen nach der HOAI 2009 erbringen; die mit der HOAI 2013 hinzugetretenen Grundleistungen werden bewertet (§ 8 Abs. 2 HOAI 2013) und vom Architektenhonorar, das nach der HOAI 2013 zu berechnen ist, in Abzug gebracht (Vgl. Eschenbruch/Legat BauR 2014, S. 772 f.). Hierzu sind eigene Tabellen entwickelt worden, etwa die „FBS-Tabellen“, die über IBR-Online abrufbar sind.

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