Hinweispflicht und Haftung des Architekten

06. Februar 2012von te, 06.02.2012

Architekten können bereits Haftungsansprüchen ausgesetzt sein, weil sie - ohne mit der Ausführungsplanung beauftragt zu sein - in der Baubeschreibung problematisches Material angegeben haben und ihre Auftraggeber nicht ausreichend über die Folgen aufgeklärt haben. Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 14.09.2010, 21 U 108/09; BGH, Beschluss vom 27.10.2011, VII ZR 173/10, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) verurteilte einen Architekten, der nur mit den Leistungsphasen 1 – 4 beauftragt war, wegen eines Planungsfehlers auf Schadensersatz. Der Architekt hatte Reihenhäuser mit einem großformatigen Kalksandsteinmauerwerk geplant. Der Auftraggeber rügte Risse in den tragenden Außen- und Innenwänden.

Nach den Feststellungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen stellt das vom Architekten in der Baubeschreibung vorgesehene großformatige Kalksandsteinmauerwerk die Ursache für die Rissbildungen dar. Bei der Verwendung von kleinem oder mittelformatigem Kalksandsteinmauerwerk wären die Risse nach dem Ergebnis des Gutachters erst gar nicht entstanden.

Das Gericht hebt in der Urteilsbegründung hervor, dass der Architekt, wie jeder andere Architekt, der die Planung eines Bauwerks übernommen hat, ein mangelfreies, funktionstaugliches Werk schulde. Der Architekt habe seine Pflichten aus dem Architektenvertrag schuldhaft verletzt, weil er in der Baubeschreibung ein bestimmtes Material vorgegeben habe, das wegen seines Formats und des darauf anzubringenden starren Gipsputzes eine höhere Gefahr zur Rissbildung im Mauerwerksverband als bei klein- oder mittelformatigem Kalksandsteinmauerwerk aufweist. Auf dieses erhöhte Risiko hätte der Architekt seinen Auftraggeber hinweisen müssen.

Der Architekt konnte sich im Prozess auch nicht mit Erfolg damit verteidigen, dass das großformatige Kalksandsteinmauerwerk bereits seit dem Jahr 1984 bauaufsichtlich zugelassen ist. Dieses Argument ließ das Gericht nicht gelten. Denn die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung betreffe nach Wertung des Gerichts in erster Linie das statische Tragverhalten des Materials, besage jedoch nichts über das Risiko der Rissbildung. Die gegenüber klein- oder mittelformatigem Kalksandsteinmauerwerk erhöhte Gefahr der Rissbildung sei zum Zeitpunkt der Planung in Fachkreisen bekannt gewesen. Der Architekt hätte diesen Umstand berücksichtigen und seinen Auftraggeber auf das erhöhte Rissrisiko des großformatigen Materials hinweisen müssen, damit der Auftraggeber besondere Vorsichtsmaßnahmen hätte ergreifen können.

Praxistipp:

Das Urteil überrascht insoweit, als dass der lediglich bis zur Genehmigungsplanung beauftragte Architekt für ein bestimmtes in der Baubeschreibung beschriebenes Material haftet, obwohl er nicht mit weiteren Leistungen, insbesondere der Ausführungsplanung, beauftragt wurde. Dem nur bis zum Bauantrag beauftragten Architekten eine derart hohe Haftung für die Bauausführung aufzuerlegen, ist kaum nachvollziehbar.

Um eine Haftung auszuschließen, sollten Architekten daher bei einer schwierigen oder risikohaften Planung ihre Bauherren über Art und Umfang möglicher Folgen so ausdrücklich und nachhaltig informieren, dass diesen die Tragweite einer Nichtbefolgung der Ratschläge bewusst ist. In der Praxis besteht oftmals das Problem, dass Architekten die mündliche Belehrung und die mündliche Einverständnis- bzw. Haftungsverzichtserklärung des Bauherrn nicht beweisen können. Da die Beweislast jedoch beim Architekten liegt, sollte auf schriftliche Dokumentation geachtet werden.

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